Spaltet das ChristusForum die Gemeinden?

Die sogenannten „Offenen Brüdergemeinden“ hatten sich im Dritten Reich dem Baptistenbund angeschlossen, weil nicht registrierte Gemeinden von den Behörden damals verboten wurden. 1980 wurde die „Arbeitsgemeinschaft der Brüdergemeinden“ (AGB) gegründet, um die Anliegen der Brüdergemeinden innerhalb des Bundes der Evanglisch-Freiklirchlichen Gemeinden angemessen zu vertreten (BEFG). Diese AGB benannte sich 2020 in das „ChristusForum Deutschland“ um, um einen internen Wandlungsprozesses auch sprachlich besser abzubilden (Einzelheiten können folgender Broschüre entnommen werden).

Dieses ChristusForum Deutschland hat in den letzten Tagen für Aufregung gesorgt, indem es seinen Austritt aus dem BEFG ankündigte. Auf der Jahreskonferenz des Forums vom 12.–13. April 2024 hatte eine große Mehrheit der Delegierten dafür gestimmt, eigene Körperschaftsrechte und damit die Unabhängigkeit vom Bund anzustreben. Mit dem Austritt würde der BEFG etwa ein Achtel seiner Mitglieder verlieren.

Die Gründe für den Austritt hat der Geschäftsführer des ChristusForums, Alexander Rockstroh, in einem idea-Interview beschrieben. Als Hauptgrund nennt er die Abschaffung von Doppelstrukturen. Hinzu kommen theologische Differenzen: „Wir sehen die geistliche Einheit als gefährdet. Zwischen Brüder- und Baptistengemeinden wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder kontrovers theologisch diskutiert. Heute besteht die Trennlinie nicht mehr zwischen ChristusForum und Baptisten, sondern zwischen theologisch konservativen und progressiven Gemeinden.“ Laut einer Klärungsdokumentation sieht das ChristusForums die Einheilt in folgenden theologischen Fragen gefährdert:

  • Infragestellung einer leibhaftigen, historisch realen Auferstehung Jesu;
  • Infragestellen des Sühneopfertodes Christi;
  • Infragestellung der Jungfrauengeburt;
  • Die Ordination von nicht-heterosexuell liebender und queerer Personen, die dies praktizieren und leben;
  • das Gleichsetzen von homosexuellen Partnerschaften mit der Ehe zwischen Mann und Frau;

Zitat (Klärungsdokumentation „Wo stehen wir?“, S. 12):

Es reicht unserer Meinung nach nicht aus, eine „Kirche des Dialogs“ zu sein. Miteinander sprechen und im Dialog zu sein ist gut und wichtig. Für die Fragen, bei denen man Homogenität voraussetzt, um eine Einheitsein zu können, braucht es ein gewisses Maß an Klarheit. Wenn die Rechenschaft vom Glauben unsere gemeinsame Bekenntnisschrift ist, dann müssten sich Positionen auch genau daran orientieren. Lehrmeinungen, Überzeugungen und Positionen, die nicht mit der Bekenntnisgrundlage übereinstimmen oder ihr sogar widersprechen, gehören nicht zur gewünschten Vielfalt, weil sie im Kern die geistliche Einheit zerstören. Dies muss auch in intensiven Diskussionsphasen beim Bundesrat etc. seitens des Präsidiums durch Klarstellung ihrer Sicht (z.B. durch eine Stellungnahme zu dem Buch „Glaube, Liebe, Hoffen“), deutlich gemacht werden.

Präsident Michael Noss und Generalsekretär Christoph Stiba haben inzwischen eine Erklärung zu den Trennungsabsichten des Forums für ihren Bund abgegeben. Darin heißt es:

Die Trennung wird mit einem Zerrbild des Bundes begründet und geht von falschen Annahmen aus. Nur ein Beispiel: Vom CFD ist zu hören, im BEFG stelle man den Sühneopfertod und die Auferstehung Jesu infrage. Wer sich damit befasst und sich beispielsweise Statements und Andachten leitender Verantwortlicher durchliest oder sich den aktuellen Podcast der Theologischen Hochschule Elstal anhört, merkt schnell, wie unfair und übertrieben solch verallgemeinernde Aussagen sind. Auch in Fragen der Sexualethik wird mitunter der Eindruck erweckt, im BEFG gebe es ausschließlich liberale Positionen. Richtig ist, dass es in unserem Bund respektiert wird, wenn Gemeinden zu unterschiedlichen Erkenntnissen kommen; auch darin drückt sich die Selbstständigkeit der Ortsgemeinde im Sinne des Kongregationalismus aus. Wir möchten unser Ringen in Erkenntnisfragen nicht über Grenzziehungen oder rote Linien definieren, sondern am gemeinsamen Bekenntnis festhalten.

Dabei hat unser Bund ein klares gemeinsames Glaubensfundament. Wir stehen auf der Grundlage der Heiligen Schrift. Unsere Glaubensbasis haben wir in der „Rechenschaft vom Glauben“ zusammengefasst, die wiederum Bezug nimmt auf das Apostolische Glaubensbekenntnis, das – wie die Heilige Schrift – alle Christen verbindet. Auf dieser Basis, deren unverrückbare Mitte Christus ist, sind wir eine Kirche des Dialogs. In der Diskussion um die Trennungsabsichten des CFD wird der falsche Eindruck erweckt, Dialog sei mit Beliebigkeit gleichzusetzen. An dieser Stelle möchten wir hierzu das wiederholen, was Präsidium, Bundesgeschäftsführung und die Leiterinnen und Leiter der Landesverbände im November 2023 in ihrer Stellungnahme „Gemeinsam sind wir Bund!“ über das Miteinander der konfessionellen Traditionen im BEFG geschrieben haben:

Eine solche Übereinkunft setzt […] einen anhaltenden Dialog voraus. Dazu gehört die Bereitschaft, diese Übereinstimmung immer wieder neu in den Blick zu nehmen und ihre Konkretion auch miteinander auszudiskutieren. Solche theologischen Gespräche sind nie einfach, brauchen Zeit, Gebet und dauern mitunter viele Jahre. Dabei sind das geistliche Miteinander und das Beieinanderbleiben in aller Unterschiedlichkeit ein starkes Zeugnis für die Menschen in unseren Gemeinden und darüber hinaus. Eine Trennung wäre ein fatales Signal. Wir haben einen gemeinsamen Auftrag. Wir sind mit hineingenommen in Gottes Mission. Wir sind dazu berufen, in Einheit der Welt die gute Nachricht von Jesus Christus zu verkündigen. Diese Einheit untereinander macht uns glaubwürdig, damit die Welt glaubt. Lasst uns diese Einheit bewahren, wo sie vorhanden ist, schützen, wo sie gefährdet ist, und neu suchen, wo sie abhandengekommen ist. Wir sind berufen, das Band des Friedens zu knüpfen, mögliche Schritte aufeinander zuzugehen, vorhandene Vorurteile abzubauen und Einwände respektvoll zu formulieren und zu vertreten, Verschiedenheiten untereinander anzuerkennen, voneinander zu lernen, füreinander zu beten und gemeinsam Christus in Wort und Tat zu verkündigen. In diesem Sinne wünschen wir uns, dass wir uns den Glauben gegenseitig glauben. Wir wollen die Vielfalt in der Einheit, in der Jesus Christus das Zentrum ist und bleibt.

Traurig müssen wir erkennen, dass Teile des Bundes anderen Teilen des Bundes ihren Glauben nicht glauben. Gemeinden, in deren Geschichte die baptistische und die Brüder-Tradition bedeutsam sind, stehen jetzt möglicherweise vor einer Zerreißprobe.

Nun bin ich kein Freund des Separatismus und gebe zu, dass solche Trennungserfahrungen immer mit Schmerzen verbunden sind und dort, wo möglich, vermieden werden sollten.

Was mich allerdings ärgert, ist, dass die Vertreter des BEFG den Eindruck erwecken möchten, das ChristusForum habe spalterische Absichten. Die Formel, dass „wir uns den Glauben gegenseitig glauben“, habe ich vor einigen Jahren mal von Ulrich Eggers gehört. Ich halte sie für völlig ungeeignet, notwendige theologische Klärungen herbeizuführen. Sie soll nämlich verschleiern, dass es substantielle Unterschiede im „Was-Glauben“ gibt (fides quae creditur), indem auf die gegenseitige Anerkenntnis des persönlichen Glaubensaktes verwiesen wird (fides qua creditur). Natürlich kann ein Christ glauben, dass ein Zeuge Jehovas seinen Glauben sehr ernst nimmt. Und doch wird er hoffentlich darauf verweisen, dass der Glaubensinhalt eines Zeugen Jehovas biblisch nicht gedeckt ist.

Wenn der WAS-Glaube sich von der Schrift entfernt hat, muss das notfalls zu Spaltungen führen (vgl. 1Kor 11,19). Die Verantwortung für diese Spaltungen tragen diejenigen, die es versäumt haben, an der heilsamen Lehre festzuhalten. Ein Kirchenbund, in dem alles geglaubt werden darf, ist wertlos. Ich zitiere dazu den Punkt 4 aus dem Dokument „Gemeinsam für das Evangelium“:

Die Einheit aller Christen ist ein von Gott bewirktes Wunder. Sie soll nicht durch Parteiung und Selbstsucht gefährdet werden. Abseits der Wahrheit des Evangeliums kann es keine Einheit geben. Echter Glaube wird nicht zuerst durch die individuelle Lebensgeschichte bestimmt. Unterschiede, die nicht zum Wesen des Evangeliums gehören, müssen ertragen werden. Vor falscher Lehre bezüglich des Evangeliums muss offen gewarnt werden.

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6 Kommentare
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DaveD
12 Tage zuvor

Ich habe meinen Zivieldienst (Mitte 90er Jahre) als Brüdergemeindler auf einem Werk der Baptisten gemacht und mein Chef war ein klassischer Baptistenpastor. Wir kamen super klar…! Ich stamme aus einer ChristusForum Gemeinde in Sachsen und kann sagen: im Alltag des Gemeindelebens für das normale Gemeindeglied hatte der Bund BEFG überhaupt keine Rolle gespielt. Diese Rolle gab es vielleicht für 1-2 leitende Brüder und den Schatzmeister. Der Rest hatte keine Berührung in irgendeiner Form. Weder im Gemeindeleben, noch im überregionalen Bereich. Wir hatten überregional immer nur mit anderen ChristusForum-Gemeinden bzw. Brüdergemeinden anderen Coleur zu tun oder halt mit dem Forum Wiedenest. Es wurden die jährlichen Beiträge an den Bund abgeführt, von denen auch der Verwaltungsstelle vom ChristusForum wieder was zugute kam. Selbst bei solchen Sachen wie Rahmenverträge für die Musik/Beamer etc. (CCLI usw.) wurden direkt Rahmenverträge von der Stiftung der Brüdergemeinden verwendet, und nicht die vom BEFG. Jedoch: als um die Wendezeit in unserer Gemeinde gebaut wurde, gab es schon auch… Weiterlesen »

Matze
12 Tage zuvor

Aus meiner Sicht ist es richtig, klar Position zu beziehen wie das E 21 sowie Bibel und Bekenntnis und andere tun. Das macht aber nun dann Sinn, wenn man als Ultima Ratio entsprechend der Schrift Trennungen von nicht biblischen Lehren auch organisatorisch nicht ausschließt. Das tun sich einige in den genannten Organisationen sehr sehr schwer. Das Eine geht aber so gut wie gar nicht ohne das andere.

Udo
12 Tage zuvor

Die Entscheidung des Christusforums ist sehr zu begrüßen! Die Stellungnahmen der BEFG Leitung erinnern an die unklaren Statements der Bundesleitung der FEGs. In der Tat weht hier ein Geist, dessen Credo Ulrich Eggers einmal in Bad Blankenburg mit sechs Thesen beschrieben hat: Wir glauben einander den Glauben. Wir bleiben in der existentiellen Krise der Kirchen und im Ringen um ihre Zukunft persönlich bei Christus – und geschwisterlich beieinander. Wir bekehren uns täglich neu zu Christus und sagen uns von Polarisierung und Negativ-Impulsen in uns los. Wir bekehren uns täglich neu zu „Christus in dem anderen“ und glauben einander den Glauben als zentrales Leitmotiv unseres Handelns. Eher als die öffentliche Auseinandersetzung suchen wir die Begegnung, Gebet und vertrauliches Gespräch. Wir leben in persönlicher Jüngerschaft und fördern – als Priorität und reale Tat – , was für Jesus Priorität ist. Damit kann man ziemlich viel „religiöses Zeug“ unter einen Hut bringen, vorausgesetzt, man stimmt damit überein, dass Begriffe wie „Glauben“ oder „Christus“… Weiterlesen »

gandalf
10 Tage zuvor

In der Diskussion wird manchmal darauf verwiesen, dass unterschiedliche Lehraussagen nicht trennend sein müssen (welche Art von Trennung ist hier gemeint?). Es gibt jedoch große Unterschiede bzgl. der Schwere der Inhalte solcher Lehrunterschiede. Manche Themen, verlangen unbedingten Gehorsam und schließen daher Widerspruch aus. Immer ist hier zu beachten wie Jesu eigener Anspruch an seine Nachfolger ist. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. (Joh. 15,13+14), „So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.“ (Lukas 17,10), „lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Matti. 28,20). Heutzutage scheint es jedoch in Mode gekommen zu sein, Jesus Christus offen zu widersprechen, bspw. wird in dem hinlänglich bekannten Buch „Glauben, lieben, hoffen“ behauptet (auf Seite 87/88) dass Jesus nicht im AT vorhergesagt… Weiterlesen »

Ben
9 Tage zuvor

Ist die Frage, ob die Reaktion von Noss und Stiba auch dann so dramatisch ausgefallen wäre, wenn die Konsequenzen für den BEFG nicht so drastisch wären. Ich kann mir vorstellen, dass der Schritt der Brüder noch was ins Rollen bringen könnte.

7 Tage zuvor

Natürlich sind Trennungen schmerzhaft, aber offensichtlich notwendig. Ich hatte schon länger die Vermutung, dass die Knackpunkte, ethisch/moralische Fragen sein werden. Das wird Kreise ziehen und weitere Gemeindebünde betreffen. Mich wundert es auch nicht, dass die „Progressiven“ dann mit den Kampfbegriffen „Toleranz und Vielfalt“ (vielleicht etwas abgewandelt) ins Feld ziehen und dabei vergessen, dass sie es sind die den Boden der Einheit verlassen haben.
An anderer Stelle habe ich von einem Kulturkampf innerhalb der Christenheit gesprochen, der in seiner Dimension an die Reformation erinnert. Das mag jetzt manchem überzogen erscheinen, ich befürchte aber genau das wird eintreten !

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