Ein Ort für immer - Cover

Verräterischer Duft aus der Kühltruhe

Ein Ort für immer von Graham Norton

Ballytoor, Irland. Carol wohnt mit fast 50 Jahren wieder bei ihren Eltern. Das passierte nicht freiwillig, sondern vielmehr, weil die Kinder ihres Lebensgefährten Declan das Haus verkaufen wollen, nachdem sie für ihren Vater einen Heimplatz gefunden haben. Carols Eltern Moira und Dave Crottie hatten immer Vorbehalte gegen die Beziehung zu dem älteren Mann. Immerhin sei sie die Lehrerin seiner Kinder, seine Frau sei weggelaufen und auch Carol sei geschieden. Für die irischen Eltern sind das gute Gründe. Doch plötzlich ist Joan wieder da.

Graham Norton greift in seinem Roman „Ein Ort für immer“ ein schwieriges Thema auf. Seine Protagonistin lebte mit ihrem Partner in seinem Haus. Mit seiner zunehmenden Demenz verändert sich ihre Lage dahingehend, dass sie keine Ansprüche auf Wohnen oder Informationen über den Gesundheitszustand des geliebten Menschen hat. Zu seinen Kindern hat sie trotz jahrelanger Bemühungen kein liebevolles Vertrauensverhältnis aufgebaut. Carols Ausweg besteht darin, dass sie zurück zu ihren Eltern zieht. Der irische Autor schafft es aber auch, die Perspektive der Kinder einzunehmen. Es muss für sie schwer gewesen sein, die Mutter nicht mehr um sich zu haben und stattdessen die neue Partnerin des Vaters, die gleichzeitig ihre Lehrerin war, in ihrem Zuhause zu akzeptieren. Die Positionierung der Figuren birgt schon ein gewisses Spannungspotential.

Als weiteres Thema kommt die Demenz hinzu. Wenn ein Partner plötzlich den anderen nicht mehr wahrnehmen kann und seine Umgebung „vergisst“, ist das für die Beteiligten ebenfalls schwer zu bewältigen. Carol ist bereit, für Declan zu sorgen, was aber von den Kindern Sally und Killian vereitelt wird. Diese gehen sogar so weit, dass sie Carol aus allem ausschließen. Die Idee von Carols Vater, das Haus zu kaufen und somit für Carol wieder zugänglich zu machen, ist eine überraschende Wendung. Damit beginnt nämlich auch der Krimianteil des Romans, wie man es als Leser der vorherigen vier Romane eigentlich auch erwarten durfte. Die Romane haben zwar nichts miteinander zu tun, haben aber ähnliche Muster. In diesem Fall taut nun unabsichtlich eine Leiche in der Kühltruhe auf. Der anfängliche Verdacht, dass Declans Ehefrau vielleicht doch nicht einfach durchgebrannt ist, bewahrheitet sich aber nicht. Im Gegenteil: Sie hilft mit, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Damit kann der Tathergang aus Rückblicken zusammengesetzt werden, die ein ganz anderes Licht auf die Situation werfen. Meiner Meinung ist es eine Stärke von Nortons Romanen, dass er in die Idylle der irischen Traditionen immer auch ein Geheimnis offenlegt, das die Beteiligten lieber unerwähnt lassen würden.

Ein Ort für immer von Graham Norton ist ein warmherzig erzählter Roman um ein häufig unbeachtetes Thema: die Absicherung unverheirateter Partnerschaften. Er hält erneut eine emotionale Achterbahnfahrt für seine Protagonistin bereit und verwebt darin geschickt einen Krimi. Es ist gleichzeitig ein wohl beobachtetes Abbild der typischen irischen Gesellschaft abseits der Großstädte und ein Appell an die Nächstenliebe. Wenn ich nur einen Tipp im Monat geben dürfte, wäre es definitiv dieser.

Leseprobe


Graham Norton - Autor
© Sophia Spring/ Hodder&Stoughton 2016

Graham Norton ist Großbritanniens bekanntester Talkmaster, mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und einer internationalen Fangemeinde. „Ein irischer Dorfpolizist„, sein erster Roman, war ein großer Kritikererfolg und schoss sofort in die britischen Top Ten. Eine Fernsehserie ist in Vorbereitung. (Quelle: Rowohlt Verlag)


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  • Herausgeber: ‎Kindler Verlag
  • erschienen am 16. April 2024
  • Gebundene Ausgabe: ‎384 Seiten
  • ISBN-13: ‎978-3-463-00048-0
  • Originaltitel: ‎Home forever

Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Rowohlt Verlag über zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Meine Meinung hat es nicht beeinflusst.

4 Gedanken zu “Verräterischer Duft aus der Kühltruhe

  1. Fraggle schreibt:

    Hach, ich habe ja, mit Ausnahme von „Der Schwimmer“, alle vorherigen Bücher von Graham Norton gelesen – aber dieses hier erschien mir, im Vergleich zu den vorherigen, irgendwie zu … ernst zu sein, als dass ich mich darauf gerade gut einlassen könnte. Vielleicht liege ich aber auch falsch, in dem Fall sehe ich es mir sicherlich noch an. 🙂

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