Von einer Zombieapokalypse, meinem Coronatest und der Beatmungsmaschine

Es ist ja nun schon einige Male passiert, dass ich wissentlich ein Zweitkontakt zu an Corona erkrankten Personen gewesen bin. Bevor ich im September angefangen habe im Flüchtlingsheim zu arbeiten, war das eine der größten Überlegungen. Ich habe eine Vorerkrankung . Dazu kam aber auch die psychische Seite. Ich wollte unbedingt diesen Job haben. Ich wollte in mein „altes Fachgebiet“ zurück. Ich wollte es mir selbst beweisen dass das noch geht. Wäre ich weiterhin der anderen Tätigkeit im Homeoffice nachgegangen, würde ich auf Grund der Kontaktbeschränkungen, nie oder nur sehr selten andere Menschen regelmäßig sehen. Das nagte irgendwann doch sehr an mir. Abgesehen davon hilft es enorm unseren Kühlschrank zu füllen. Und so kurz vor Weihnachten, ihr versteht schon. Ich glaube nicht, dass ich in einem Flüchtlingsheim gefährdeter bin als eine Erzieherin in der Kita. Denn auch diese haben täglich Kontakt zu vielen Menschen. In einem Flüchtlingsheim aber wird schneller reagiert, es gibt Quarantäneeinrichtungen, strengere Auflagen für Bewohner und Mitarbeiter. Ansteckungen sind meist rückverfolgbar.

Dennoch bleiben Infektionen natürlich nicht aus. Ich habe diverse Patienten kennengelernt, zum Teil Familienmitglieder von Kindern, die ich betreue. Zum Teil mussten diese in die Klinik. Irgendwer ist immer in Quarantäne. Betrifft es eine Familie von Kindern „meiner“ Gruppe so kommen immer zwei Hausinterne Mitarbeiter in unsere Gruppe. Immer wenn da also zwei Leute vor mir stehen, frage ich inzwischen nur noch „Wer?“ oder „Mutter/Vater von wem?“

Dieses Mal war ein Kind betroffen, dass sich bei der Mutter angesteckt hatte. Eine Stunde später brachten wir die Kinder „nach Hause“ bzw. in ihre Zimmer und wir selbst sollten auch sofort gehen. Nach Hause. Ohne Umwege. Halt, doch. Ich machte einen Umweg, denn dummerweise war ich erkältet. Aufgrund einer dezenten Vorerkrankung, komme ich bei Husten schneller außer der Puste. Ich bekam noch am gleichen Tag einen Termin in einem der Testzentren.

Und das war wirklich, wirklich strange. Es gab dort zwei Vorzelte. Draußen standen die Leute Schlange. Nach links, rechts, vor und Hinten 2 Meter Abstand. Alle haben einen neuen Mundschutz bekommen. Wir sollten online einen Fragebogen ausfüllen, wer sein Smartphone vergessen hatte, durfte etwas diskutieren. Am Ende des Fragedings gab es einen QR Code, der später vorgezeigt werden sollte. Es waren 5 Grad und ich dankte meinem Verstand, meine dicke Jacke an zu haben. Ich hielt den QR Code bereit. Mein Handy Akku zeigte 5%. Ich betete.

Es gab drei Schlangen. Eine für Leute, die in Bildungseinrichtungen arbeiten (Schule, Kitas, Heime etc), die zum Test kommen obwohl sie keine Symptome haben. (ja, diese haben Anspruch) Dann gab es eine Schlange für die die gleichen Personengruppe, allerdings mit Symptomen, da stand ich. Und in der dritten Schlange standen alle Anderen. Medzinisches Personal wurde nochmal an einer anderen Stelle getestet.

Irgendwann wurde ich aufgerufen. Ich bekam erneut einen neuen Mundschutz und durfte in eines der Zelte gehen. Das Wartezelt, das war immerhin beheizt. Dort sprach ich mit einer Mitarbeiterin. Diese saß in einem anderem Zimmer. Es gab ein Fenster zwischen uns und ein Telefon um zu sprechen. Ich wartete wieder.

Dann ging ich in einen anderen Raum, wieder sprach ich durch eine Scheibe mit einer Mitarbeiterin. Wieder durchs Telefon. ich ging zurück in den Wartebereich. Es wurde bestätigt, dass der Verdacht begründet war (ich war fest von einem negativen Ergebnis überzeugt. Ich kenne mich und meinen ab und zu Herbsthusten). In diesem Wartebereich stank es nach Desinfektionsmittel, es gab drei Türen, alle waren zusätzlich mit einem Plastikvorhang versehen. Niemand sprach, nur das tuten dieses Telefons und das piepen von Monitoren war zu hören. Sonst hallte jeder Schritt, der dort ein Mensch tat. Die Gesichter der Mitarbeiter waren müde, fast schon verzerrt. Vor mir ging eine Stahltür auf. Mich begrüßte eine weitere Mitarbeiterin, komplett vermummt und in Plastikkleidung gehaucht. Ich verstand das natürlich, aber ich fühlte mich unwohl. ich sollte ihr folgen, nichts anfassen und auch sonst nix tun. Der gang war ebenfalls an den Seiten durch Plastikvorhänge begrenzt und ich kam mir immer mehr wie in einem Film über die Zombieapokalypse vor. Das triggerte mich zum Einen und erinnerte mich an eine Intensivstation, zum Anderen; ach ich weiß auch nicht.

Ich folgte ihr, setzte mich auf meinen Stuhl, wir glichen meine Daten ab und sie erklärte kurz, wie dieser Nasen-Rachen-Abstrich gleich funktionieren würde. Ehrlich gesagt dachte ich ja, dass ich vorbereitet wäre. Influenza und Scharlachabstriche kannte ich bereits. Waren ekelig , gingen aber im Bruchteil einer Sekunde vorbei. Tja nun…

Sie steckte mir dieses Wattestäbchen in den Hals. Und da war nix mit einem Bruchteil einer Sekunde. Vielmehr wirkte es, als würde sie ein Mandala irgendwo ganz weit unten in meinem Hals malen. Ich bin ehrlich kein Mensch, der schnell zum brechen neigt. Aber da kam ich an meine Grenzen. Als mir die Tränen in die Augen schossen und mein Mund sich, fast von ganz allein, zu schließen begann, malte sie noch etwas weiter.

Nachdem das fertig war, kam dieses Wattestäbchen noch in meine Nase. „Bitte versuchen sie ganz normal weiter zu atmen“, hörte ich und ahnte schlimmes. Dieses Watteding bohrte sich tief in meine Nase, das aber war nicht wirklich schlimm, nur unangenehm.

„Wir melden uns in ein bis zwei Tagen“. Ich ging. Vorbei an den Schlangen von Menschen. Vorbei an diesen Zelten, an Menschen, die panisch versuchten ihren QR Code im Handy auszulösen. Meins hatte inzwischen aufgegeben. Ich ging vorbei an den vielen Security Menschen.

Das Testzentrum lag auf dem Gelände einer Klinik, welche ich nur zu gut kannte. Sowohl die Einhornbändigerin, unser Held als auch ich lagen hier das Eine oder Andere Mal. Ich kam vorbei an einem Platz, an dem ich mit Simon oft gesessen hatte, nach dem er nach der Hochdosischemo das erste Mal wieder raus durfte. Ich bemerkte dieses komische Gefühl im Bauch, gruselig aber war es nicht. Stattdessen hatte ich immer noch diesen Desinfektionsgestank in der Nase und die seltsamen Bilder von eben im Kopf.

Was da herrschte, war ein absoluter Ausnahmezustand. Irre Zustande, die einem Zombiefilm gleichen. Die Welt ist in einem Ausnahmezustand und ich könnte kotzen, wenn ich nach wie vor Menschen ohne Mundschutz rumrennen sehe, die behaupten, dass Covid 19 nichts weiter als eine Grippe wäre.

Die Mutter des betreffenden Kindes auf der Arbeit lag zwischenzeitlich auf der Intensivstation und bekam Sauerstoff. Es saht nicht gut aus. Inzwischen geht es wieder etwas besser. Die Kinder sind anderweitig in einer Quarantäneeinrichtung untergebracht. Ohne Eltern, weil die Mutter eben nicht verfügbar und dazu alleinerziehend ist. 3 Kinder, das Vierte im Bauch. Stattdessen sind Betreuer vor Ort. Geflohen vor dem Krieg. Vor Gewalt. Traumatisiert. Angekommen in einer Welt, in der es Menschen nicht auf die Reihe bekommen, genug Empathie zu empfinden um auf andere Rücksicht zu nehmen.

Mein Testergebnis kam inzwischen auch; negativ. Gott sei Dank.

Mir ist schlecht. Und das liegt nicht an dem Stäbchen, dass da in meinem Hals steckte. Mir ist schlecht, weil es wirklich einer Zombiapokalypse gleicht. Leute mit seltsamen Gedankengut wollen andere mit ihren Gedanken „anstecken“. Weil ein Mundschutz ihr Grundrecht einschränkt.

Die Mutter „meines Kindes“ hat keinen Mundschutz mehr im Gesicht. Stattdessen ein Teil, dass Sauerstoff in ihre Lungen drückt. Weil sie sich irgendwo angesteckt hat.

Es wird Weihnachten. Weihnachten sei doch das Fest der Liebe, oder? Seid lieb zueinander, nehmt Rücksicht. tragt diesen fucking Mundschutz, haltet Abstand, bestellt Euer Essen in lokalen Restaurants. Der kleine Batman und ich werden WEihnachten dieses Jahr alleine feiern. Das große Kind ist, wie jedes 2. Jahr, bei Papa 1. Sämtlich Großeltern werden wir nicht sehen, weil sie alle zur Risikogruppe gehören. Weil wir sie lieb haben und nicht wollen, dass wir sie versehentlich anstecken.

Ich danke allen Menschen an der Front; medizinischem personal, Personal in stationären Jugendhilfeeinrichtungen, Lehrern und Erziehern, Lebensmittelhändlern… Ihr seid Helden und ich hoffe, dass das endlich gesellschaftlich anerkannt wird

Seid vorsichtig. Achtet Aufeinander.

2 Gedanken zu „Von einer Zombieapokalypse, meinem Coronatest und der Beatmungsmaschine

  1. Alles Gute für Dich, die Kinder und Deine Lieben! Bleibt alle gesund! Bleib optimistisch, auch wenn es so viele „Coronagegner“
    gibt. Leider erfahren wir nicht, wenn es diese betrifft…

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