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Fragen an den Chef des Corona-Krisenstabes der Stadt

Herr Neuhaus, seit etwas mehr als einem Monat leiten Sie für die Stadt Remscheid den Krisenstab COVID-19. Und noch sieht es nicht aus, als ob die Arbeit dieses Krisenstabes weniger würde. Deshalb nicht die Frage nach einem ersten Resümee, sondern nur nach einer Zwischenbilanz.

Zuerst einmal kann ich sagen, dass ich mein Zeitgefühl verloren habe. Diese Wochen waren für uns alle (Krisenstab, Stadtverwaltung und Institutionen der Stadt) sehr arbeitsintensiv und haben uns alle an unsere Grenzen gebracht. Ich bin sehr froh, dass unser Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz sehr schnell den Krisenstab einberufen hat und wir damit die erste Stadt im Regierungsbezirk Düsseldorf waren, die sich mit einem Krisenmanagement der drohenden Pandemie gestellt hat. So konnten wir sehr früh unsere Infrastrukturen und personellen Kapazitäten in der Stadt auf die Bedrohungslage ausrichten und unsere Arbeit im Krisenstab formieren.

Wusste jedes Mitglied des Krisenstabes gleich, was seine Aufgabe war?

Das Drehbuch lag per Dienstanweisung vor, das auf die Belange des COVID-Virus auszurichten war. Auf der Basis eines gut eingespielten Teams der Stadtverwaltung und der weiteren Institutionen Polizei, EWR, SANA-Krankenhaus, Kassenärztliche Vereinigung, TBR haben wir schnell Handlungsfähigkeit erlangt und täglich zahlreiche Entscheidungen getroffen – im Akkord! Mit einer sehr guten Fachberatung über die gesundheitlichen Risiken für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt durch Prof. Dr. Ulrich Sliwka, Dr. Frank Neveling, unseren Einsatzleiter und Leiter des Gesundheitsamtes, und Dr. Bettina Stiel-Reifenrath von der Kassenärztlichen Vereinigung Remscheid haben wir uns am Szenario für die schlimmste Entwicklung orientiert und danach die Strukturen in unserer Stadt ausgerichtet. Um diese schlimmste Entwicklung zu vermeiden und Menschenleben zu retten, haben wir zahlreiche Aktivitäten der Information, der öffentlichen Ordnung, der Aufrechterhaltung der Behandlungskapazitäten in Krankenhäusern und krankenhausähnlichen Strukturen, der konkreten Hilfestellung und des Gesundheitsschutzes bis hin zur den Fragen der Seelsorge, psychologischen Beratung und Bestattungen umgesetzt oder angestoßen. Bis heute also ein richtiger Höllentrip, der, zugegeben, noch lange nicht zu Ende ist.

Sind Sie bisher zufrieden?

Richtige Zufriedenheit kann sich erst einstellen, wenn die Bedrohungslage für uns alle vorüber ist und wir hoffentlich glimpflich aus dieser Krise herausgekommen sind. Das ist mein größter Wunsch. Aber wir sind noch weit entfernt davon, an das Ende der Krise denken zu können. Die größten Herausforderungen stehen uns noch bevor.

Zufrieden bin ich aber heute mit den bisherigen Ergebnissen unseres gesamtstädtischen Krisenmanagements. Wir haben die Krise weit voraus gedacht und hierfür die nötigen Vorkehrungen im Krisenstab, in der Stadtverwaltung und den weiteren Institutionen in unserer Stadt getroffen. Hierfür bin ich insbesondere unserer Feuerwehr dankbar. Guido Eul-Jordan und sein Team haben uns immer gezwungen „vor die Lage zu kommen“. Zufrieden bin ich auch mit der Verhaltensanpassung der Bürgerinnen und Bürger unserer Heimatstadt. Die schwierige Situation ist von ihnen schnell verstanden worden; das hat bei einem überwiegenden Teil der Bürgerschaft zu besonnenem, der Lage angepassten Handeln geführt: Jeder trägt zum Schutz für sich selbst, der anderen und der gesamten Stadt bei. Besonders zufrieden bis ich auch mit den typischen Remscheider Reflexen. Wir denken nicht nur an uns und unsere Familien, sondern auch an unsere Nachbarn, Freunde, Kollegen und die Menschen in unserer Stadt, die jetzt besonders auf Unterstützung und aktive Hilfe angewiesen sind. Das führen uns die zahlreichen Aktivitäten und Spenden vor Augen. Das macht Remscheid aus. Wir sind im besonderen Maße eine soziale Stadt mit funktionierenden Sozialstrukturen – durch unsere Vereine, die demokratischen Parteien, Verbände, Initiativen, örtlichen Medien, Kirchen und Nachbarschaften. Darauf müssen wir auch weiter bauen können. Das wird auch weiter ein wichtiger Erfolgsfaktor für unsere Stadt sein.

Was bereitet Ihnen in der CORONA-Krise die größte Sorge?

Ich sorge mich um die Menschen, für die die Viruserkrankung besonders gefährlich sein kann. Das sind unsere lebensälteren Bürgerinnen und Bürger und diejenigen, die Vorerkrankungen haben. Hier müssen wir den größtmöglichen Schutz als Stadtgesellschaft ausüben. Durch unser Verhalten durch Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln, durch unsere Hilfe und Unterstützung, da gerade diese Personengruppen sich schon seit einigen Wochen in freiwilliger häuslicher Quarantäne befinden sollten. Besonders sorge ich mich um die Bürgerinnen und Bürger, die in Alten- und Pflegeeinrichtungen leben. Daher achten wir mit den Einrichtungen peinlich genau darauf, dass die Schutz- und Sicherheitsbedingungen peinlich genau eingehalten werden, die Häuser über ausreichende Mengen an Schutzausrüstung verfügen, alle Erlasse des Landes eingehalten werden und unsere Szenarien für den Fall einer Infektion von Personal und Bewohnern befolgt werden. Die hierzu gegründete Task-Force für Alten- und Pflegeeinrichtungen steht hierfür permanent in Kontakt mit den Einrichtungen. Sorgen machen mir auch die Bürger*Innen und Familien und insbesondere die Kinder, die durch die häusliche Situation starke psychische Belastungen erfahren, vereinsamen oder gar häusliche Gewalt erfahren. Da sind wir als Stadtverwaltung zusammen mit der Polizei jetzt besonders wachsam.

Welche Hoffnungen oder Prognosen haben Sie für die kommenden Wochen und Monate?

Prognosen kann wohl niemand derzeit abgeben. Bei aktuell 61 positiven Corona-Fällen und davon noch 33 infizierten Personen (28 Genesene) sowie noch wenigen stationären und intensivmedizinisch zu behandelnden Fällen im Krankenhaus und einem bedauerlichen Todesfall kann zumindest festgestellt werden, dass die Situation in Remscheid – auch im Vergleich mit anderen Städten - aktuell nicht übermäßig dramatisch ist. Diese Situation kann sich aber leider ändern.

Hoffnungen habe ich eine ganze Menge. Ich weiß, dass wir das Infektionsgeschehen nicht vollständig einfrieren können, bevor ein Impfstoff entwickelt worden ist und zur Verfügung steht. Wir können als gesamtstädtischer Kraftakt die Ausbreitung verlangsamen, damit unsere Behandlungskapazitäten für die Menschen mit schweren Krankheitsverläufen ausreichen und damit wir den maximalen Schutz für die besonders schützenswerten Bürgerinnen und Bürger aufrecht erhalten können. Ich hoffe, dass die „Systemrelevanten Personen“ in den Supermärkten, Behörden, Krankenhäusern, Schulen, Kitas, Arztpraxen, Medien, Wohlfahrtsverbänden, Ver- und Entsorgungsbetrieben und Unternehmen weiterhin durchhalten und auch nach dieser Krise die nötige und höhere Wertschätzung in unserer Gesellschaft bekommen.

Ich hoffe auch, dass die ökonomischen Schäden für unsere Unternehmen sowie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht zu groß ausfallen. Dafür werden derzeit Subventionen und Transfer-Leistungen mit einem geringen bürokratischen Ansatz verfügbar gemacht. Schließlich kommt es auch darauf an, dass sich unser Leben nach dem Shutdown wieder normalisiert und wir nach den nötigen Aufbauarbeiten wieder einen Zustand erreichen, den wir vor der Einberufung des Krisenstabes am 26. Februar 2020 in Remscheid hatten. Ich bin allerdings zuversichtlich, dass wir das gemeinsam hinbekommen. Jetzt geht es zunächst schlicht und einfach um das Retten von Menschenleben.

(Thomas Neuhaus, der Leiter des Krisenstabes COVID-19, ist  bei der Stadt Remscheid Beigeordneter für Bildung, Jugend, Soziales, Gesundheit und Sport)

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