Deutschlands größte Eisenbahnbrücke wird 120 Jahre alt
Am 28. und 29. Oktober wird der 120. „Geburtstag“ von Deutschland höchster Eisenbahnbrücke (107 Meter) gefeiert – der Müngstener Brücke zwischen Solingen und Remscheid. Die am 15. Juli 1897 durch Prinz Friedrich Leopold von Preußen eingeweihte und am 21. März 1897 fertiggestellte Brücke, über die heute täglich der „Müngstener“ rattert, die Regionalbahn RB 47, hieß bis zum Ende der deutschen Monarchie Wilhelm-Brücke - zu Ehren Kaiser Wilhelms I. Kaiser Wilhelm II., der sich bei der Einweihung hatte vertreten lassen, besuchte die Brücke erst am 12. August 1899, was eine Gedenktafel unter der Brücke dokumentiert. Gerüchten zufolge boykottierte er den Festakt, weil die Brücke nicht zu seinen Ehren des hundertsten Geburtstags seines Großvaters benannt worden war. Auf einer zweiten Gedenktafel am Fuße der Brücke ist der Ingenieur Anton von Rieppel (1852-1926) genannt, Vorstandsvorsitzender der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG (M.A.N.).
Im Jahr 1893 wurde mit dem Bau der Brücke begonnen, vier Jahre nach Präsentation erster Entwürfe. "Der erste Spatenstich erfolgte am 26. Februar 1894. Die Eisenkonstruktion hat eine Gesamtlänge von 465 Metern; die Mittelöffnung des Überbaues, die die Talsohle überspannt, hat eine mittlere Stützweite von 170 Metern. Insgesamt wurden 5.000 Tonnen Stahlprofile verbaut und 950.000 Niete geschlagen.
Ursprünglich sollte die Brücke nur ein einziges Gleis tragen. Doch die damalige Königliche Eisenbahndirektion Elberfeld erwartete einen so starken Verkehr zwischen Remscheid und Solingen, dass die Planung auf zwei Gleise geändert wurde. Dafür genehmigt der preußische Landtag 1890 fünf Millionen Mark.
Remscheid und Solingen liegen zwar nur acht Kilometer (Luftlinie) voneinander entfernt, bis zum Bau der Müngstener Brücke musste aber ein Zug aber 42 Kilometer fahren, um von Solingen aus Remscheid zu erreichen. Die Fertigstellung des Rohbaus (Brückenschluss) fiel auf den 21. März 1897; am darauf folgenden Tag wurde während des Richtfestes der letzte von rund 950.000 auf der Baustelle gesetzten Niete geschlagen. Insgesamt waren während des Baus bei Sprengungen 1.400 kg Dynamit und 1.600 kg Schwarzpulver gezündet worden.
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„Im Jahre 1868 war der Eisenbahnbau von Barmen über Ronsdorf, Lüttringhausen und Lennep bis Remscheid so weit gediehen, dass am 11. Juni die erste Probelokomotive den alten Remscheider Bahnhof erreichte, und vom 1. September desselben Jahres an war Remscheid auch offiziell an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Allerdings konnte man die Stadt nur aus östlicher Richtung erreichen und in dieser Richtung wieder verlassen. Nach Westen gab es ein natürliches Hindernis, das zwischen Remscheid und Solingen über 100 Meter tief in die Berge eingegrabene Tal der Wupper. Es dauerte fast dreißig Jahre, ehe auch hier Züge rollen konnten, über eine der kühnsten Brückenkonstruktionen, die je von Ingenieuren erdacht und gebaut worden ist. 1894 begann die Arbeit an dem Projekt.
Schon 1845 hatte der Reinshagener Lehrer Johann Heinrich Voßnack den Plan ausgearbeitet, das Tal der Wupper bei Müngsten zu überbrücken. Er ist der geniale Schöpfer einer Idee, die erst 50 Jahre später verwirklicht wurde. Zwei andere Männer wirkten an ihrer Stelle, mit nimmermüdem Eifer der eine, mit großem technischem Sachverstande der andere für das Gelingen des Werkes. Geheimrat Carl Friederichs räumte alle Schwierigkeiten aus dem Weg, wofür ihm die Remscheider am Vorabend der Brückeneinweihung mit einem Fackelzug dankten, wie ihn die Stadt noch nicht gesehen hatte.
Der Königliche Baurat von Rieppel aus Nürnberg garantierte mit seinen Ingenieuren für fehlerfreie Arbeit. (…) Die Erbauer der Brücke, die mit ihrem Bauwerk zahllose Bewunderer ins Tal der Wupper lockten, hatten den Charakter der Landschaft keineswegs zerstört, sondern ihr durch die scheinbare Leichtigkeit ihrer Konstruktion einen völlig neuen Reiz verliehen. Zur Einweihung kam Prinz Friedrich Leopold von Preußen, der Schwager des Kaisers Wilhelm II. Bericht im »Remscheider General-Anzeiger«: »Den in den Herzen der gesamten Bevölkerung mit heißem Sehnen erwarteten bedeutungsvollen Tag begrüßte eine in prächtigem Festkleide prangende Stadt. Ein Sonderzug empfing den Gast und brachte ihn auf dem jungen Schienenweg zur Riesenbrücke, und der Prinz übergab sie, im Namen Sr. Majestät des Kaisers und Königs, dem Verkehr«. Die letzte Niete war am 22. März 1897 angebracht worden. Beinahe 2,74 Millionen Mark waren verbaut, 5,1 Millionen kg Eisen verbraucht. Die Kaiser-Wilhelm-Brücke spannte sich mit einer Länge von 500 m und einer Höhe von 107 m über das Tal der Wupper.“ (aus: „Remscheid so wie es war“, von Dr. Gerd Courts, erschienen 1974 im Droste Verlag.)
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Martin Weismann am :