Donnerstag, 2. Mai 2024

Autoreninterview Ellen Norten

Hallo zusammen.
Heute geht es mit der Autorin Ellen Norten weiter:

(Foto: Ellen Norten (privat), Grafik: Maximilian Wust)

Wie bist du zum Schreiben gekommen?
Schreiben war weder in meiner Kindheit noch in meiner Jugend meine Leidenschaft. Als ich 1989 beim Deutschlandfunk in der Redaktion „Forschung aktuell“ begann als Wissenschaftsjournalistin tätig zu werden, wurde mir klar, dass beim Radio nicht nur gesprochen wird, sondern dass dort auch Manuskripte, Moderationen etc. geschrieben werden müssen. So entwickelte ich schnell das nötige Handwerkszeug für eine präzise Sprache. Die Texte sollten publikumsnah gestaltet sein, durften aber als journalistische Texte keine Fantasie enthalten. Auch bei den Sachbüchern und Ratgebern, die ich später im Rahmen meiner Fernsehtätigkeit in der „Hobbythek“ beim WDR verfasste, war dies kaum möglich. Schreiben war damals für mich Broterwerb und gerade die Bücher mit ihren hohen Auflagen erfüllten diesen Zweck sehr gut. Das war im Verlag meines Mannes Hubert Katzmarz ganz anders. SF und Phantastik in einem Kleinverlag waren Liebhaberprojekte und warfen keinen nennenswerten Gewinn ab. Dennoch sah ich darin dass, was mich am Schreiben reizte, die Freiheit der Ideen, Themen und deren Umsetzung.
Erst nachdem ich meine journalistische Tätigkeit beendet hatte, schrieb ich meine ersten Geschichten. Dabei geisterte die Idee zum „langen Marsch der Wolkenkratzer“ seit ich 30 Jahre alt war in meinem Kopf herum. Nun war der richtige Zeitpunkt für mich gekommen, ich schrieb mit Lust und Liebe und
meine erste Story erschien in den Andromedanachrichten Nr. 235, 2011.


Du gibst den daedalos heraus. Erzähl doch ein bisschen darüber.
daedalos war das Projekt von Hubert Katzmarz und Michael Siefener, später auch von Andreas Fieberg. An dem Projekt klebte viel Herzblut und ich habe daedalos manchmal verflucht, wenn z.B. noch in der Silvesternacht die Exemplare am ozonproduzierenden Laserdrucker von Hubert unter Hustenanfällen ausgedruckt wurden. Dennoch liebte ich daedalos, mit seinen besonderen Geschichten.
Im Jahr 2010 kontaktierte mich Michael Haitel wegen meiner Nachlassrechte an Huberts Literatur. Es kam zu Einzelveröffentlichungen, später fungierte ich als Herausgeberin bei Huberts Gesamtwerk: „Schattenspiel“ (- Des Hubert Katzmarz´ gesammelter Werke erster Teil), AndroSF 23, und „Alptraumhaft“ – (Des Hubert Katzmarz’ gesammelter Werke zweiter Teil), AndroSF 24, beide p.machinery, Murnau, 2013 und viel später „Im Garten der Ewigkeit“ - Das Werk des Hubert Katzmarz: Texte und Fragmente, Außer der Reihe 75, p.machinery 2022.

Zwischen Michael Haitel und mir als Herausgeberin und Autorin entwickelte sich bald eine sehr konstruktive Zusammenarbeit, die bis heute andauert und die immer wieder zu neuen Projekten führt. So entstand zunächst eine Art best off; daedalos 1994 – 2002 – Eine literarische Reise durch den “Story Reader für Phantastik“, herausgegeben von Michael Siefener und mir bei p.machinery
2018. Michael Siefener und Andreas Fieberg, die engsten Freunde von Hubert, waren auch meine Freunde und so beschlossen wir, daedalos fortzuführen – nach 20 Jahren erschien nun Nr. 13, auch unter meiner Redaktion. Das erste Heft trieb mir die Tränen in die Augen, führten wir doch das fort, was Hubert mit Michael konzipiert hatte und was ihm so wichtig gewesen war, nämlich phantastische Geschichten der feinsten Art. Dazu kommt in jede Ausgabe eine meist wenig bekannte alte Geschichte in der Tradition der Phantastik, die ggf. aus dem englischen von Michael übersetzt wird.


Ich habe mir sagen lassen, dass deine Geschichten gerne von Parasiten bevölkert sind. Stimmt das? ;-)
Und wie. Ich fühle mich ja von je her von Schmarotzern fasziniert und Parasiten in Insekten und ihr bizarres Liebesleben waren Gegenstand meiner Studien. Da ich nachhaltig Ideen verfolge, lieferte der Schmarotzer meiner Doktorarbeit (Vairimorpha spec., Mikrosporidie) die Vorlage zu meinem Cartoon Band „Mein süßer Parasit“, den ich sowohl gezeichnet als auch in der Tradition von Wilhelm Busch gedichtet habe. Tatsächlich war auch der echte Parasit harmlos und richtete kaum Schaden an. Der Wirt ist im Buch aber eine Mischung aus Kakerlake und Bierfass. Letzteres verdeutlicht auch für den Laien den Begriff Wirt, da fließen Ideen aus meiner wissenschaftsjournalistischen Zeit mit ein. Und natürlich werden bei mir auch in Zukunft Parasiten eine Rolle spielen, doch manchmal weise ich sie in ihre Schranken, man soll nichts übertreiben.

Welche Geschichte liegt am längsten unveröffentlicht in deiner Schublade?
Ich habe ein paar Gedichte und Texte, die ich als Poetryslam geschrieben habe. Die gibt es bisher nicht in gedruckter Form und dann natürlich die, an denen ich arbeite und die noch unvollendet sind. Aber ich habe einen Roman über meine Familie väterlicherseits geschrieben, der sich über vier Generationen hinzieht und stark von Gelsenkirchen und dem Haus, indem meine Verwandten und ich selbst gelebt haben geprägt ist. Da gibt es zwar ein paar winzige fantastische Elemente, wie etwa den Fluch, der auf dem Haus liegt, aber der Roman behandelt die enorme Zeitspanne am Beispiel meiner zerstrittenen Familie und ihrem Leben im Ruhrgebiet. Es gibt authentische Kriegserlebnisse und natürlich große Emotionen, die in einer unerfüllten Liebe gipfeln. Ich suche noch einen geeigneten Verlag, in den dieses Buch passen könnte.

Wie sieht dein perfekter Schreibtag aus?
Den gibt es nicht, weil ich nicht plane und meine Tage recht unterschiedlich verlaufen. So verbringen mein Mann Zaubi M. Saubert und ich fast die Hälfte des Jahres in unserem Wohnmobil, manchmal in Deutschland, meist aber im Ausland mit so spektakulären Reisezielen wie Georgien oder Marokko. Da denke ich manchmal nicht ans Schreiben oder es ist genau umgekehrt. Die tolle Umgebung, die neuesten Eindrücke triggern bei mir den Schreibfluss und die Kreativität an und ich schreibe dann mehrere Stunden.

Für welches Genre hast du noch nicht geschrieben und möchtest du das ändern?
Seichte Liebesgeschichten und Literatur ohne Ecken und Kanten liegen mir nicht. Ich lasse meine überbordende Fantasie schießen, dabei interessiert mich beim Schreiben nicht in welches Genre dies zuzuordnen wäre. Mein Roman „Jamila tanzt!“ (Magische Science-Fiction, AndroSF 174, p.machinery, 2023) kann sicher mehreren Genres zugeordnet werden. Ich bin ein Mensch, der sehr stark den eigenen Eingebungen folgt und wenn mir tatsächlich mal nach einer kitschigen Liebesgeschichte zu Mute sein sollte, dann schreibe ich sie unabhängig von dem, was ich zuvor geäußert habe. Allerdings könnten die beiden Protagonisten dann Parasiten sein, das wäre doch originell, ein heiß verliebtes Schmarotzerpärchen. Das käme meiner heiteren Wesensart entgegen.

Was erscheint als Nächstes von dir?
Vermutlich wird es „Der Krokus“ in der Anthologie C.R.E.D.O., herausgegeben von Rainer Schorm und Karl-Ulrich Burgdorf bei p.machinery sein. Dabei geht es um religiöse Themen in SF und Phantastik und bei mir um einen gläubigen Alien.
Im nächsten daedalos bin ich mit einer unheimlichen Geschichte vertreten, die durch meinen Besuch in Batumi inspiriert ist und im Moment schreibe ich an einer Story über KI für das Conbuch für den Elstercon im September 2024. Die anderen Projekte sind noch nicht spruchreif. Aber manchmal treibe ich mich auch ganz woanders herum, so wird „Einfach Nudeln“ in Margit Kruses Ruhrgebietskochbuch erscheinen. Das wird sicher ein originelles Buch, ich habe aber noch keine näheren Daten.


Nachdem ihr wisst, was Ellen schreibt, könnt ihr hier mehr über sie erfahren:
wikipedia.org/wiki/Ellen_Norten
facebook.com/ellen.norten

In diesem Sinne: Fröhliches Lesen und freut euch auf das nächste Interview.  

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