Neues aus Wissenschaft und Naturschutz

23.04.2024, Veterinärmedizinische Universität Wien
Community-Projekt StadtWildTiere erlaubt unbekannte Einblicke in die Welt von städtischen Wildtieren
Beginnend in Zürich (Schweiz) wurde das Projekt StadtWildTiere seither auf insgesamt 13 Städte in – einschließlich Wien und Berlin – Österreich, Deutschland und der Schweiz ausgeweitet. Auf einer gemeinsamen Online-Plattform werden Beobachtungen zufälliger Begegnungen mit Wildtieren in städtischer Nachbarschaft gesammelt. In Österreich kann über die Website stadtwildtiere.at gemeldet werden. Eine soeben veröffentlichte internationale Studie unter Beteiligung der Veterinärmedizinischen Universität Wien untersuchte nun den Nutzen dieser länderübergreifenden Initiative.
StadtWildTiere sammelt Sichtungen von Wildtieren in Städten, um das Bewusstsein der Einwohner:innen für die biologische Vielfalt in städtischen Gebieten in ganz Mitteleuropa zu schärfen. Zudem dient die Sammlung von Daten als Grundlage für wissenschaftliche Analysen. Weiters sollen mit Hilfe des durch die Bürger:innen gesammelten Wissens die Natur und Biodiversität in städtischen Gebieten gefördert werden.
Klimawandel, Wechselwirkungen: Community-Projekt deckt Verborgenes erstmals auf
Die Stadtökologie ist noch ein junges Feld und städtische Wildtierpopulationen standen bisher nicht im Fokus von Studien. „StadtWildTiere ermöglicht es uns, bisher verborgene Muster und zeitliche Trends zu erkennen, z. B. im Rahmen der städtischen Verdichtung und des Wärmeinseleffekts, insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel. Damit kann die Initiative auch als Sensor für die zukünftigen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Wildtieren dienen“, erklärt Studien-Coautorin Theresa Walter vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni.
Wichtige Grundlagen für Entscheidungen auf politischer Ebene
Langfristig schlagen die Wissenschafter:innen vor, dass Projekte wie StadtWildTiere eine Basis für ein vergleichendes, internationales Monitoring schaffen sollten, um die bestehenden Wissenslücken über städtische Wildtierpopulationen zu schließen. Die daraus gewonnenen Daten weisen laut Studien-Coautor Richard Zink vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Vetmeduni weit über die Wissenschaft hinaus: „Dieses Wissen ist auch für politische Entscheidungsträger:innen und Wildtiermanager:innen von entscheidender Bedeutung, um die richtigen Strategien und Maßnahmen zu etablieren. Insbesondere betrifft das auch die Frage, wie sich die biologische Vielfalt in Städten wirksam verbessern lässt.“
Originalpublikation:
Der Artikel „StadtWildTiere – added value and impact of transnational urban wildlife community science projects“ von Madeleine Geiger, Anouk Lisa Taucher, Sandra Gloor, Mirco Lauper, Sarah Kiefer, Sophia E. Kimmig, Janette Siebert, Theresa Walter, Richard Zink, Fabio Bontadina und Daniel Hegglin wurden in „Frontiers in Ecology and Evolution“ veröffentlicht.
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fevo.2024.1363073/full#:~:text=The%20project%20StadtWildTiere%20enables%20us,wildlife%20interactions%20for%20the%20future.

24.04.2024, Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg
Wie die Evolution den Magnetsensor der Vögel optimiert hat
Der Magnetsinn der Zugvögel beruht wahrscheinlich auf dem Protein Cryptochrom 4 – diese Theorie wird nun durch eine genetische Untersuchung weiter gestützt. Ein Forschungsteam der Universität Oldenburg und des Instituts für Vogelforschung in Wilhelmshaven hat die Genome von mehreren hundert Vogelarten verglichen und festgestellt, dass sich die Gensequenz für Cryptochrom 4 im Verlauf der Evolution stark verändert hat. Die Art der Selektion deute auf eine Anpassung an unterschiedliche Umweltbedingungen hin und sei gut damit zu erklären, dass Cryptochrom 4 als Sensor-Protein dient. Die Studie ist in der Zeitschrift Proceedings B der britischen Royal Society erschienen.
Zugvögel können bei ihren Wanderungen erstaunlich genau navigieren und nutzen dabei unter anderem einen magnetischen Kompass. Ein Team um die Biologinnen Dr. Corinna Langebrake und Prof. Dr. Miriam Liedvogel von der Universität Oldenburg und vom Institut für Vogelforschung „Vogelwarte Helgoland“ in Wilhelmshaven hat nun die Genome von mehreren hundert Vogelarten verglichen und dabei weitere Indizien dafür gefunden, dass ein bestimmtes Protein im Auge der Vögel der gesuchte Magnetsensor sein könnte. Die Forschenden stellten fest, dass sich das Gen für das Protein Cryptochrom 4 im Verlauf der Evolution stark verändert hat und bei bestimmten Gruppen von Vögeln verloren ging. Das deute auf eine Anpassung an unterschiedliche Umweltbedingungen hin und stütze die Theorie, dass Cryptochrom 4 als Sensor-Protein dient, schrieb das Team kürzlich in der Zeitschrift Proceedings B der britischen Royal Society.
Auslöser für die Studie waren Untersuchungen an den Universitäten Oldenburg und Oxford (Großbritannien), die zeigten, dass die Magnetwahrnehmung auf einem komplizierten quantenphysikalischen Prozess in bestimmten Zellen der Netzhaut von Zugvögeln beruht. 2021 veröffentlichte das deutsch-britische Team im Fachblatt Nature ihre Ergebnisse, denen zufolge das Protein Cryptochrom 4 höchstwahrscheinlich der gesuchte Magnetsensor ist: Zum einen lässt es sich in der Netzhaut von Vögeln nachweisen, zum anderen belegten sowohl Experimente mit bakteriell hergestellten Proteinen als auch Modellrechnungen, dass Cryptochrom 4 den vermuteten Quanteneffekt als Reaktion auf Magnetfelder zeigt. Interessanterweise stellte sich zudem heraus, dass diese Proteine bei Rotkehlchen, die zu den Zugvögeln zählen, deutlich empfindlicher für Magnetfelder sind als jene der sesshaften Hühner und Tauben. „Die Ursache dafür, dass Cryptochrom 4 beim Rotkehlchen empfindlicher ist als bei Huhn und Taube, muss folglich in der DNA-Sequenz des Proteins zu finden sein“, sagt Hauptautorin Langebrake. Wahrscheinlich sei die Sequenz bei dem nachtaktiven Zugvogel durch evolutionäre Prozesse optimiert worden.
In der aktuellen Studie untersuchte das Team um Langebrake und Liedvogel den Magnetsinn daher erstmals aus einer evolutionären Perspektive. Die Forschenden analysierten dafür die Cryptochrom-4-Gene von 363 Vogelarten vom Zwergkiwi bis zur Singammer. Sie verglichen zunächst deren Evolutionsrate mit der von zwei anderen, verwandten Cryptochromen. Ergebnis ist, dass sich die Gensequenzen der zum Vergleich herangezogenen Cryptochrome bei allen Vogelarten stark ähneln: Sie haben sich offenbar im Verlauf der Evolution kaum verändert. Der Grund dafür dürfte darin liegen, dass sie eine wichtige Rolle bei der Regelung der inneren Uhr spielen – einer Funktion, die für alle Vögeln essenziell ist und bei der Modifikationen stark negative Auswirkungen hätten.
Cryptochrom 4 hingegen erwies sich als sehr variabel. „Das deutet darauf hin, dass das Protein für die Anpassung an spezifische Umweltbedingungen wichtig ist“, erläutert Liedvogel, Professorin für Ornithologie an der Universität Oldenburg und Direktorin des Instituts für Vogelforschung. Diese Spezialisierung könnte der Magnetsinn sein: Ein ähnliches Muster habe man auch bei anderen Sinnesproteinen beobachtet, etwa bei lichtempfindlichen Pigmenten im Auge.
Anschließend warf das Forschungsteam einen genaueren Blick darauf, wie sich die Gensequenz für Chryptochrom 4 im Stammbaum der Vögel entwickelt hat. Aus den Ergebnissen schließen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass insbesondere bei Zugvögeln aus der Gruppe der Sperlingsvögel (Passeriformes) eine Optimierung des Proteins stattgefunden hat. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass sich Cryptochrom 4 durch evolutionäre Prozesse bei den Singvögeln als Magnetorezeptor spezialisiert haben könnte“, so Langebrake.
Eine weitere interessante Erkenntnis: Bei drei Gruppen tropischer Vögel – Papageien, Kolibris und südamerikanischen Schreivögeln, auch Tyrannen genannt – ging die Information für Cryptochrom 4 im Verlauf der Evolution verloren, die Vögel können das Protein also nicht herstellen. Dies deutet darauf hin, dass es keine lebenswichtige Rolle spielt. Doch während Papageien und Kolibris sesshaft sind, handelt es sich bei den Tyrannen um Langstreckenzieher, die ganz ähnlich wie kleine europäische Singvögel sowohl tagsüber als auch nachts unterwegs sind. „Dass sie im Gegensatz zu Rotkehlchen nicht über Cryptochrom 4 verfügen, macht sie zu einem idealen System, um verschiedene Hypothesen zum Magnetsinn zu untersuchen“, sagt Langebrake.
Interessante Fragen sind beispielsweise: Haben die Tyrannen einen Magnetsinn entwickelt, der unabhängig von Cryptochrom 4 funktioniert? Oder sind sie in der Lage, sich ohne Magnetsinn zu orientieren? Eine weitere Möglichkeit ist, dass ihr Magnetsinn die gleichen Charakteristika zeigt wie der von Rotkehlchen, der beispielsweise lichtabhängig ist und durch Radiowellen gestört wird. „Die ersten beiden Fälle würden die Cryptochrom-4-Hypothese enorm unterstützen, während der dritte Fall ein Problem für die Theorie darstellen würde“, betont die Biologin.
Als nächsten Schritt plant das Forschungsteam daher, die magnetische Orientierung bei Tyrannen zu untersuchen und zu klären, ob sie einen Magnetsinn besitzen oder nicht. „Die Gruppe der Schreivögel bietet uns somit ein natürliches Werkzeug, um die Funktion von Cryptochrom 4 und die Bedeutung der Magnetwahrnehmung bei Zugvögeln zu verstehen“, skizziert Liedvogel einen Anknüpfungspunkt für weitere Forschung.
Die genetische Studie ist ein Ergebnis des Sonderforschungsbereichs „Magnetrezeption und Navigation in Vertebraten: von der Biophysik zu Gehirn und Verhalten“, das der Biologe Prof. Dr. Henrik Mouritsen von der Universität Oldenburg leitet und an dem auch das Institut für Vogelforschung beteiligt ist. An der aktuellen Studie wirkten außerdem Forschende des Max-Planck-Instituts für Evolutionsbiologie in Plön mit.
Originalpublikation:
Corinna Langebrake et al: „Adaptive evolution and loss of a putative magnetoreceptor in passerines” Proceedings of the Royal Society B. http://doi.org/10.1098/rspb.2023.2308

24.04.2024, Ludwig-Maximilians-Universität München
Geobiologie: Neuer Lebensraum für Scheibentiere entdeckt
DNA-Spuren im Magen räuberischer Schnecken ermöglichen einem Team um den LMU-Geobiologen Gert Wörheide neue Einblicke in die Ökologie der Scheibentiere.
Scheibentiere (Placozoen) sind die einfachsten vielzelligen Tiere und kommen weltweit in küstennahen Meeresgebieten vor. Bisher ging man davon aus, dass die nur wenige Millimeter großen Tiere entweder auf harten Oberflächen – etwa Steine, Korallen und Mangrovenwurzeln – leben oder in Form sogenannter Schwärmerstadien durch das küstennahe Freiwasser schweben. Durch die Analyse von DNA-Spuren im Magen räuberischer Meeresschnecken konnte ein Team um den LMU-Geobiologen Professor Gert Wörheide nun zeigen: Die Tiere besiedeln auch das Sediment und erschließen sich damit einen weiteren Lebensraum. Zudem sind sie genetisch noch vielfältiger als bisher bekannt, wie die Forschenden im Fachmagazin Ecology and Evolution berichten.
Alle Scheibentiere weltweit sehen mit ihrem linsenartig abgeflachten Körper völlig identisch aus. Dennoch konnte Wörheide mit seinem Team bereits in früheren Studien nachweisen, dass es riesige genetische Unterschiede gibt. „Diese Unterschiede sind vergleichbar mit denen zwischen Mensch und Maus“, betont der Geobiologe.
Aufgrund ihrer geringen Größe und ihrer Unauffälligkeit sind Scheibentiere in der freien Natur nur schwer zu untersuchen. Um einen besseren Einblick in die Ökologie der Tiere zu bekommen, machten sich die Forschenden deshalb nun zunutze, dass kleine schalenlose Meeresschnecken aus der Familie der Rhodopidae sich von Scheibentieren ernähren.
Entdeckt durch Gefressen-Werden
„Wir hofften, dass sich im Mageninhalt der Schnecken noch unverdaute Reste von Scheibentieren finden lassen, die molekular untersucht werden könnten“, erzählt Dr. Michael Eitel, Erstautor der Studie. „Um dem nachzugehen, haben wir daher öffentlich zugängliche genetische Daten der Schnecken bioinformatisch auf Spuren von Placozoen-DNA untersucht.“
Zur Überraschung der Forschenden identifizierten sie dabei DNA von Scheibentieren auch im Magen von Schnecken, die ausschließlich im Meeresboden-Sediment leben – ein Lebensraum, der bisher von allen Experten für die sehr fragilen Scheibentiere ausgeschlossen wurde. „Offensichtlich ist jedoch ihr Vorkommen im Sediment eine normale Erscheinung und könnte sogar für ihre Biologie, insbesondere bei der bisher nur ansatzweise verstandenen sexuellen Vermehrung, eine zentrale Rolle spielen“, sagt Eitel.
Zudem entdeckten die Wissenschaftler eine unerwartet große genetische Vielfalt: Im Mageninhalt von nur zwei Schnecken fanden sie fünf genetisch verschiedene Linien, von denen drei bislang noch nie beschrieben wurden. Dies deutet nach Ansicht der Forschenden darauf hin, dass die Diversität der Scheibentiere noch deutlich höher ist als angenommen. „Unsere Ergebnisse werden große Auswirkungen auf unser Bild der Entwicklungsgeschichte eines der ältesten Tierstämme der Erde haben“, sagt Wörheide. „gleichzeitig fügt die starke Erweiterung ihres Lebensraumes der Ökologie der Scheibentiere buchstäblich eine weitere Dimension hinzu.“
Originalpublikation:
Michael Eitel, Hans-Jürgen Osigus, Bastian Brenzinger, Gert Wörheide: Beauty in the beast – Placozoan biodiversity explored through molluscan predator genomics. Ecology and Evolution 2024
https://doi.org/10.1002/ece3.11220

25.04.2024, Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV) e. V.
Weckruf der Artenvielfalt: Jetzt wieder Vogelstimmen für das Projekt „Dawn Chorus“ aufnehmen
Hauptsammelzeitraum ab 1. Mai – Automatische Vogelstimmenerkennung durch KI erstmals integriert
Am 1. Mai beginnt erneut der Hauptsammelzeitraum des Citizen-Science-Projekts „Dawn Chorus“. Gemeinsam laden das Naturkundemuseum Bayern/BIOTOPIA Lab und der bayerische Naturschutzverband LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) Menschen auf der ganzen Welt ein, einen Moment innezuhalten, den morgendlichen Vogelchor vor der eigenen Haustür zu erleben, aufzunehmen und zu teilen. Zum ersten Mal können Teilnehmende in diesem Jahr auch eine automatische Vogelstimmenerkennung in der Dawn Chorus App verwenden. Diese soll es ermöglichen, Vogelstimmen leichter zu erkennen und so mehr über die vorkommenden Arten in der eigenen Umgebung zu lernen. Die im Projekt gesammelten Aufnahmen bilden eine wertvolle, wachsende Datenbank für die Biodiversitätsforschung. Gleichzeitig bietet Dawn Chorus verschiedene Möglichkeiten, kreativ zu werden und stellt somit eine einmalige Symbiose aus Kunst und Wissenschaft dar.
Der für das Projekt namensgebende Dawn Chorus ist ein faszinierendes Phänomen, das seinen Höhepunkt in Europa jetzt im Mai findet. „Etwa eine Stunde vor der Morgendämmerung beginnt es überall zu zwitschern, zu pfeifen und zu trillern. Der Gesang der erwachenden Vogelwelt ist nun bis etwa eine Stunde nach der Morgendämmerung am intensivsten. Das macht den Dawn Chorus besonders interessant für die Wissenschaft: Veränderungen in der Artenvielfalt – etwa durch den Klimawandel oder Veränderung der Lebensräume – lassen sich hier erkennen.Im Rahmen des Citizen-Science-Projekts haben alle Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, einen Beitrag zur Forschung zu leisten“, erklärt der LBV-Vorsitzende Dr. Norbert Schäffer. Mit der gleichnamigen, kostenlosen App ist es ohne Vorkenntnisse möglich, hochwertige, wissenschaftlich standardisierte Tonaufnahmen zu machen und hochzuladen.
In diesem Jahr gibt es zum ersten Mal die Möglichkeit, eine in die App integrierte Vogelstimmenerkennung zu nutzen. Diese soll den Teilnehmenden dabei helfen zu erfahren, welche Arten auf ihren Aufnahmen zu hören sind. Auch die wissenschaftliche Auswertung der Daten soll so in Zukunft leichter werden. „Die automatische Vogelstimmenerkennung kann Menschen zukünftig dabei helfen, nicht nur zuzuhören, sondern sich gleichzeitig weiterzubilden und mehr über die Vögel, ihren Lebensraum und ihre Gesänge zu lernen. Selbst immer mehr Arten am Gesang erkennen zu können, übt eine große Faszination aus und eröffnet deshalb eine neue Dimension des Dawn Chorus Projekts“, erklärt Dr. Auguste von Bayern, Vorstandvorsitzende des Förderkreises BIOTOPIA Naturkundemuseum Bayern e.V., Forscherin am Max-Planck-Institut für Biologische Intelligenz und Mitinitiatorin von Dawn Chorus. Grundlage für die automatische Vogelstimmenerkennung von Dawn Chorus ist der Algorithmus der bekannten Vogelstimmen-App „BirdNET“, die von einem Forschungsteam um Dr. Stefan Kahl der TU Chemnitz und dem renommierten Cornell Ornithology Lab entwickelt wurde.
Die große Vielfalt des morgendlichen Konzerts ist für die automatische Vogelstimmenerkennung momentan noch eine Herausforderung und muss weiter entwickelt werden. Damit künftig alle Stimmen zuverlässig identifiziert werden können, ist die Mithilfe der Teilnehmenden gefragt. Wer sich mit Vogelstimmen auskennt und die Identifizierung der App für fehler- oder lückenhaft hält, hat die Möglichkeit sich in der App dazu zu äußern und somit zur Optimierung der Vogelstimmenerkennung beizutragen. Zudem helfen ehrenamtliche Vogelstimmen-Expert*innen dabei, die Künstliche Intelligenz immer weiter zu verbessern.
Stadt vs. Land Challenge am 19. Mai
Der wissenschaftliche Hauptsammelzeitraum findet auch in diesem Jahr vom 1. bis 31. Mai statt. Zur beliebten „Stadt versus Land Challenge“ ruft das Projektteam am 19. Mai auf. Ziel ist es, an diesem Tag so viele Aufnahmen wie möglich zu sammeln, egal ob aus dem urbanen oder dem ländlichen Raum. Mehr Informationen zur Teilnahme und weiteren Aktionen im Zusammenhang mit Dawn Chorus sind zu finden unter www.dawn-chorus.org. Aufnahmen von Vogelstimmen sind auch außerhalb des Hauptsammelzeitraums willkommen.

25.04.2024, Ludwig-Maximilians-Universität München
Farbvarianten beim Kuckuck: Die Vorteile der Seltenheit
Rötlich oder grau: LMU-Evolutionsbiologen zeigen, dass die Farbvarianten weiblicher Kuckucke auf uralten Mutationen beruhen – und die jeweils seltenere Variante hat einen Vorteil.
Jeder Kuckuck ist ein Adoptivkind – aufgezogen von Pflegeeltern, denen die Kuckucksmutter ihr Ei ins Nest geschmuggelt hat. Dabei hilft ihr Greifvogel-ähnliches Aussehen, von dem es bei weiblichen Kuckucken sogar zwei Varianten gibt: Eine graue, die dem Sperber ähnelt, und eine rötliche. Männliche Kuckucke kommen nur in der grauen Variante vor.
„Mit dieser Mimikry ahmt der Vogel gefährliche Fressfeinde der Wirtsvögel nach, sodass diese Abstand halten, statt zu attackieren“, sagt Professor Jochen Wolf von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Der Evolutionsbiologe hat gemeinsam mit Forschenden am CIBIO (Centro de Investigação em Biodiversidade e Recursos Genéticos, Portugal) die genetischen Grundlagen der auf Weibchen beschränkten unterschiedlichen Färbung untersucht, die im Lauf des langen evolutionären Wettrüstens zwischen Wirt und Kuckuck entstanden ist.
Hypothesen aus der Verhaltensforschung legen nahe, dass immer die seltenere Farbvariante einen Vorteil hat, denn mit der Zeit lernen die Wirtsvögel dazu: Gibt es beispielsweise viele sperberähnliche Kuckucke oder viele Sperber, können die Wirtsvögel mit der Zeit unterscheiden, ob sie einen Sperber vor sich haben oder einen Kuckuck. „Dann kommt der Vorteil der rötlichen Variante zum Tragen, die weniger häufig ist und nicht gelernt wurde“, sagt Wolf. Welche Variante gelernt wird, hängt dabei sowohl von der Häufigkeit der Kuckucke als auch von der der Greifvögel ab.
Nur die weibliche Linie zählt
Bei Kuckucken sind nur Weibchen, die am engsten mit den Wirten interagieren, von den Farbvarianten betroffen. „Es wäre daher zu erwarten, dass diese Farbvarianten – sogenannte Polymorphismen – irgendwo im weiblichen Genom fixiert sind“, sagt Wolf. Während beim Menschen Männer mit dem Y-Chromosom ein geschlechtsspezifisches Chromosom tragen, sind es bei Vögeln die Weibchen, die ein Geschlechtschromosom besitzen, das als W-Chromosom bezeichnet wird. Mit seinem Team konnte Wolf nun nachweisen, dass die Mutationen für die Farbvarianten tatsächlich entweder auf dem W-Chromosom liegen oder auf den Mitochondrien, die ebenfalls nur in der weiblichen Linie vererbt werden.
Auch eine Schwesterart des Kuckucks, der Hopfkuckuck, besitzt dieselben Farbvarianten und Mutationen, wie die Forschenden zeigen konnten. „Die Mutationen waren also bereits in einem gemeinsamen Vorfahren vorhanden und sind demnach älter als die Artaufspaltung“, sagt Wolf. Dies ist nach Ansicht des Evolutionsbiologen ein starker Hinweis darauf, dass tatsächlich immer die seltenere Variante einen Vorteil hat: Normalerweise setzt sich von zwei Varianten die bessere durch. Wenn aber stets die seltenere von zwei Varianten einen Vorteil hat, oszilliert das System und pendelt sich auf einer gewissen Frequenz ein. „Dies führt dazu, dass diese genetische Variation lange aufrechterhalten wird“, sagt Wolf. „Unsere Ergebnisse lassen die faszinierende Möglichkeit zu, dass zahlreiche andere geschlechtsspezifische, aber schwerer zu untersuchende Merkmale eine ähnliche genetische Verankerung auf dem weiblichen Genom wie der Farbpolymorphismus der weiblichen Kuckucke aufweisen.“
Originalpublikation:
J. Merondun et al.: Evolution and genetic architecture of sex-limited polymorphism in cuckoos. Science Advances 2024

26.04.2024, Universitätsklinikum Freiburg
Influenza: Erreger in Fledermäusen umgeht menschlichen Abwehrmechanismus
Forscher*innen des Universitätsklinikums Freiburg entschlüsseln Eigenschaften eines tierischen Influenza-Virustyps, die auf hohes Übertragungspotenzial auf den Menschen schließen lassen / Publikation in Nature Communications
Obwohl Fledermäuse schon lange als Reservoir für eine Vielzahl von Viren bekannt sind, wurde erst kürzlich entdeckt, dass sie auch Influenza-A-Viren (IAV) beherbergen, zu denen auch die Grippe-Erreger gehören. Diese Viren sind bekannt dafür, sich schnell zu verändern. Forscher*innen des Universitätsklinikums Freiburg und des Friedrich-Loeffler Instituts zeigten nun, dass ein in ägyptischen Fruchtfledermäusen gefundener Subtyp dieser Viren in der Lage ist, das Immunsystem von Säugetieren zu überwinden. Darum gehen die Forscher*innen davon aus, dass der neu entdeckte Virustyp ein relativ hohes Risiko für eine Übertragung auf den Menschen birgt. Die Ergebnisse der Studie wurden am 25. April 2024 in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Hohe Vermehrungs- und Übertragungsfähigkeit
„Das Virus schafft es, einen wichtigen Abwehrmechanismus unseres angeborenen Immunsystems teilweise zu umgehen. Dadurch hat es ein höheres pandemisches Potential als andere Viren“, sagt Forschungsgruppenleiter Prof. Dr. Martin Schwemmle vom Institut für Virologie am Universitätsklinikum Freiburg. Dem Influenza-A-Subtypen H9N2 gelingt es insbesondere, die antivirale Aktivität des sogenannten Myxovirus-Resistenzproteins A (MxA) zu unterdrücken. MxA ist ein menschliches Protein, das vor allem gegen RNA-Viren wie Influenzaviren eine entscheidende Rolle in der Abwehr spielt, indem es die Viren erkennt, bindet und deren Vermehrung stört.
Im Tiermodell zeigte der Virustyp eine hohe Vermehrungs- und Übertragungsfähigkeit. Zusätzlich konnte der Erreger menschliche Lungenzellen erfolgreich infizieren. Die aktuellen Studienergebnisse zeigen außerdem, dass das Fledermaus-H9N2-Virus nur eine geringe antigene Ähnlichkeit zu den Bestandteilen menschlicher Grippeviren aufweist. „Das bedeutet, dass – bei einer potentiellen Übertragung auf den Menschen – in der Bevölkerung eine geringe Immunität gegen das Virus vorliegen würde und bestehende Grippeimpfstoffe möglicherweise nicht wirksam gegen eine neue H9N2-basierte Influenza wären“, sagt Studienleiter Dr. Kevin Ciminski vom Institut für Virologie des Universitätsklinikums Freiburg. Die Erkenntnisse bilden eine wichtige Grundlage für weitere Untersuchungen und präventive Maßnahmen wie umfassende Überwachungsprogramme in Wildtierpopulationen.
Originalpublikation:
Originaltitel der Studie: “Bat-borne H9N2 influenza virus evades MxA restriction and exhibits efficient replication and transmission in ferrets”
DOI: 10.1038/s41467-024-47455-6
Link zur Studie: https://www.nature.com/articles/s41467-024-47455-6

25.04.2024, Universität Basel
Neugier fördert Artenreichtum
Buntbarsche zeigen unterschiedlich stark ausgeprägte Neugierde. Die Ursache dafür liegt in den Genen der Fische, wie Forschende der Universität Basel im Fachmagazin Science berichten. Diese Eigenschaft beeinflusst ihre Anpassungsfähigkeit an neue Lebensräume.
Das Neugierverhalten gehört zu den grundlegenden Persönlichkeitseigenschaften von Tieren und diese beeinflussen unter anderem ihre Überlebenswahrscheinlichkeit. Beispielsweise können neugierige Individuen andere Bereiche in ihren Lebensräumen besiedeln als vorsichtigere Artgenossen. Gleichzeitig setzen sie sich jedoch vermehrt der Gefahr aus, entdeckt und dann gefressen zu werden.
Neugierverhalten als Evolutionsfaktor
Die Buntbarsche im afrikanischen Tanganjikasee zeigen eine ausserordentliche Vielfalt an Gestalt, Ernährungsweisen, Lebensraum und Färbung. Diese ermöglicht es ihnen, verschiedene ökologische Nischen zu besiedeln und sich auf diese Weise gegenseitig weniger Konkurrenz zu machen. Schon lange vermuteten Forschende, dass auch Neugierde die Bildung von neuen Arten und somit biologischer Vielfalt begünstigt. Ein Forschungsteam um Prof. Dr. Walter Salzburger von der Universität Basel hat nun am Beispiel der äusserst artenreichen Buntbarsche im Tanganjikasee untersucht, welche Rolle Verhaltensunterschiede bei der Anpassung an unterschiedliche ökologische Nischen spielen.
Während insgesamt neun Monaten erfasste Erstautorin Dr. Carolin Sommer-Trembo am Südufer des Tanganjikasees in Sambia das sogenannte Explorationsverhalten von 57 verschiedenen Buntbarscharten. Dafür zeichnete die Zoologin per Video auf, wie sich die rund 700 im See gefangenen Buntbarsche in einer für sie neuen Umgebung in Form von grossen Versuchsbecken verhielten. Danach entliess sie die Tiere wieder in die freie Wildbahn.
Zurück in Basel, bestimmte Sommer-Trembo auf Basis dieser Videos, welche Bereiche des Versuchsbeckens jeder Fisch innerhalb von 15 Minuten erkundete. «Insgesamt zeigten sich grosse Unterschiede im Neugierverhalten zwischen den einzelnen Buntbarscharten, die sich auch unter Laborbedingungen bestätigten», sagt sie. Eine genaue Analyse der Daten ergab einen starken Zusammenhang zwischen dem Neugierverhalten und dem Lebensraum sowie der Körperform der jeweiligen Buntbarschart. So sind beispielsweise ufernah-lebende Arten mit gedrungener Körperform neugieriger als längliche Arten, die sich im offenen Wasser aufhalten. «Damit rückt tierisches Verhalten als treibende Kraft hinter wichtigen evolutionären Prozessen in den Fokus», so die Evolutionsbiologin weiter.
Gezielte Mutationen machen die Fische neugieriger
Um die genetische Basis der beobachteten Verhaltensunterschiede bei Buntbarschen zu untersuchen, entwickelten das Forschungsteam in Zusammenarbeit mit Dr. Milan Malinsky von der Universität Bern ein neues Verfahren zur Analyse der vorhandenen Genome, um die Daten von verschiedenen Arten miteinander vergleichen zu können.
Mit der neuen Methode konnten die Forschenden eine genetische Variation im Genom der Buntbarsche identifizieren, die eine nahezu perfekte Korrelation mit dem Neugierverhalten zeigt: Arten mit einem «T» an einer bestimmten Stelle der DNA sind neugierig, während Arten mit einem «C» wenig explorativ sind.
Nahmen sich die Forschenden die entsprechende Region im Genom mittels der Genschere CRISPR/Cas9 vor und bewirkten damit gezielte Mutationen, änderte sich das Explorationsverhalten der Fische – sie wurden neugieriger. Ausserdem konnte das Team mithilfe von künstlicher Intelligenz sowie mit Informationen zur genetischen Variation, zum Körperbau und zum Lebensraum das Explorationsverhalten von vorher nicht getesteten Buntbarscharten vorhersagen.
Hinweise auf menschliche Eigenheiten?
Die von den Forschenden identifizierte Genvariation befindet sich in unmittelbarer Nähe des im Gehirn aktiven Gens cacng5b. Dieses ist die «fischige» Version eines Gens, das auch in anderen Wirbeltieren vorkommt. Die menschliche Variante wird beispielsweise mit psychiatrischen Krankheiten wie Schizophrenie und bipolaren Störungen in Zusammenhang gebracht, die wiederum mit Persönlichkeitsstörungen korreliert sein können.
«Wir interessieren uns zwar dafür, wie sich Persönlichkeitsmerkmale im Tierreich auf Mechanismen der Biodiversität auswirken können», so Carolin Sommer-Trembo. «Doch wer weiss: Vielleicht lernen wir am Ende auch etwas über die Grundlagen unserer eigenen Persönlichkeit.»
Originalpublikation:
Carolin Sommer-Trembo et al.
The genetics of niche-specific behavioral tendencies in an adaptive radiation of cichlid fishes
Science (2024)
doi: 10.1126/science.adj9228

25.04.2024, Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Der Klimawandel könnte Hauptgrund für den Rückgang biologischer Vielfalt werden
Die globale biologische Vielfalt ist im 20. Jahrhundert allein durch veränderte Landnutzung um 2 bis 11 % zurückgegangen, so das Ergebnis einer in der Zeitschrift Science veröffentlichten Studie. Die Modellberechnungen zeigen auch, dass der Klimawandel bis Mitte des 21. Jahrhunderts zum Hauptgrund für den Rückgang biologischer Vielfalt werden könnte.
Die Arbeit wurde vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) geleitet und ist die bisher umfangreichste Modellierungsstudie ihrer Art. Die Forscherinnen und Forscher verglichen dreizehn Modelle; diese berechneten die Auswirkungen von Landnutzungs- und Klimawandel auf vier verschiedene Messgrößen biologischer Vielfalt sowie auf neun verschiedene Ökosystemleistungen.
DIE GLOBALE BIOLOGISCHE VIELFALT KÖNNTE ALLEIN DURCH LANDNUTZUNGSWANDEL UM 2 BIS 11 % ZURÜCKGEGANGEN SEIN
Laut Weltbiodiversitätsrat IPBES gilt Landnutzungswandel (zum Beispiel die Umwandlung von Wald in Weide) als der wichtigste Faktor für den Wandel der biologischen Vielfalt. Die Wissenschaft ist sich jedoch uneins, wie sehr sich die biologische Vielfalt verändert hat. Um diese Frage besser zu beantworten, modellierte das Forschungsteam die Auswirkungen des Landnutzungswandels auf die biologische Vielfalt im 20. Jahrhundert. Die Berechnungen zeigten, dass die weltweite biologische Vielfalt allein aufgrund des Landnutzungswandels um 2 % bis 11 % zurückgegangen sein könnte. Diese Spanne deckt vier Messgrößen biologischer Vielfalt ab (globale Artenzahl, mittlere lokale Artenzahl, mittlere Lebensraumgröße, mittlere Unversehrtheit der Artengemeinschaft), berechnet mit sieben verschiedenen Modellen.
„Indem wir alle Erdregionen in unser Modell einbezogen haben, konnten wir viele blinde Flecken füllen. Wir konnten auch die Kritik an anderen Berechnungsansätzen angehen, die fragmentierte und möglicherweise nicht repräsentative Daten nutzen“, sagt Erstautor Prof. Henrique Pereira, Forschungsgruppenleiter bei iDiv und an der MLU. „Jeder Ansatz hat seine Vor- und Nachteile. Wir denken, dass unser Modellierungsansatz die bisher umfassendste Berechnung des weltweiten Biodiversitätswandels liefert.“
UNEINHEITLICHE TRENDS FÜR ÖKOSYSTEMLEISTUNGEN
Mit fünf verschiedenen Modellen berechneten die Forscherinnen und Forscher auch die Auswirkungen des Landnutzungswandels auf sogenannte Ökosystemleistungen, d. h. den Nutzen der Natur für uns Menschen. Sie stellten fest, dass sich im 20. Jahrhundert versorgende Ökosystemleistungen, wie zum Beispiel die Produktion von Nahrungsmitteln und Holz, vervielfacht haben. Dagegen sind regulierende Ökosystemleistungen, wie zum Beispiel Bestäubung durch Insekten oder die Bindung klimarelevanten Kohlenstoffs, leicht zurückgegangen.
KLIMA- UND LANDNUTZUNGSWANDEL ZUSAMMEN KÖNNTEN ZU EINEM RÜCKGANG BIOLOGISCHER VIELFALT IN ALLEN ERDTEILEN FÜHREN
Die Forscherinnen und Forscher untersuchten auch, wie sich biologische Vielfalt und Ökosystemleistungen in Zukunft entwickeln könnten. Für diese Berechnungen fügten sie den Klimawandel als weiteren Faktor für den Wandel biologischer Vielfalt in ihre Modelle ein.
Den Berechnungen zufolge wird der Klimawandel sowohl die biologische Vielfalt als auch die Ökosystemleistungen zusätzlich beeinträchtigen. Während der Landnutzungswandel weiterhin eine wichtige Rolle spielt, könnte der Klimawandel bis Mitte des 21. Jahrhunderts zum Hauptgrund für den Rückgang biologischer Vielfalt werden. Das Forschungsteam bewertete drei oft verwendete Szenarien – von einem Szenario nachhaltiger Entwicklung bis zu einem Szenario hoher Klimagas-Emissionen.
In allen Szenarien führen Landnutzungs- und Klimawandel zusammen zu einem Rückgang biologischer Vielfalt in allen Weltregionen. Im Detail zeigen sich erhebliche Unterschiede in den verschiedenen Weltregionen, Modellen und Szenarien.
MODELLIERUNGEN SIND KEINE VORHERSAGEN
„Der Zweck langfristiger Szenarien besteht nicht darin, vorherzusagen, was passieren wird“, sagt Mitautorin Dr. Inês Martins von der Universität York. „Vielmehr geht es darum, die Alternativen zu verstehen – um solche Entwicklungen verfolgen zu können, die besonders wünschenswert scheinen. Diese Entwicklungen hängen von unseren Entscheidungen ab, die wir tagtäglich treffen.“ Martins hat die Modellberechnungen mit geleitet; sie ist Alumna von iDiv und MLU.
Das Autorenteam weist auch darauf hin, dass selbst im Szenario „nachhaltiger Entwicklung“ nicht alle Maßnahmen zum Schutz biologischer Vielfalt berücksichtigt werden. So kann beispielsweise der Anbau von Bioenergie-Pflanzen, ein zentraler Baustein des Nachhaltigkeitsszenarios, den Klimawandel abmildern, gleichzeitig aber auch wichtige Lebensräume gefährden. Im Gegensatz dazu sind effektivere Schutzgebiete und Renaturierungs-Maßnahmen in keinem der üblichen Szenarien enthalten.
MODELLE HELFEN BEI DER WAHL WIRKSAMER MAßNAHMEN
Die Auswirkungen verschiedener Schutzmaßnahmen abzuschätzen, kann dabei helfen, die wirksamsten auszuwählen. „Natürlich gibt es Unsicherheiten bei der Modellierung“, fügt Pereira hinzu. „Dennoch zeigen unsere Ergebnisse klar, dass die derzeitigen politischen Maßnahmen nicht ausreichen, um die internationalen Ziele für biologische Vielfalt zu erreichen. Wir müssen mehr tun, um eines der größten globalen Probleme zu lösen: den vom Menschen verursachten Wandel der biologischen Vielfalt.“
Diese Forschungsarbeit wurde u. a. gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG; FZT-118).
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1126/science.adn3441

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