Microsoft vs. Linux in der Verwaltung: Andere Länder, andere Schritte

„April, April – der macht, was er will.“ – Gegensätzliche Wetterkapriolen sind wir im Frühling ja gewohnt. So gegensätzliche Pressemitteilungen innerhalb weniger Wochen erlebt man dagegen echt selten. In diesem Blog-Artikel fasse ich die Neuigkeiten aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein rund um Microsoft-Software in der öffentlichen Verwaltung für Dich zusammen.

Schleswig-Holstein setzt auf Open Source

Die erste Meldung stammt von Anfang April. Das Land Schleswig-Holstein hat öffentlich angekündigt, die IT-Arbeitsplätze seiner Verwaltung auf Open-Source-Lösungen umzustellen.

  • Statt Windows soll Linux als Betriebssystem zum Einsatz kommen.
  • Statt mit Microsoft Office sollen die Mitarbeitenden mit LibreOffice arbeiten.
  • Aus Outlook wird Thunderbird, aus OneDrive wird Nextcloud, usw.

Von dieser Entscheidung erhofft man sich im Norden die „Sicherstellung der digitalen Souveränität“. Befürworter und Gegner werden wohl gleichermaßen gespannt beobachten, wie erfolgreich der Schritt in die Unabhängigkeit klappen wird.

Erwartungsgemäß fallen die Kommentare aus: Die einen feiern diesen konsequenten Vorstoß als Punktsieg gegen die Übermacht der datenhungrigen US-Konzerne. Die anderen befürchten mit Blick auf die tatsächliche Anwendung im Arbeitsalltag einen unzureichenden Funktionsumfang, unzufriedene Mitarbeiter*innen sowie hohe Kosten für Einrichtung, Support und Schulungen.

Die Skepsis ist jedenfalls nicht unbegründet, denn es gibt bereits Erfahrungen mit Linux in der Verwaltung: 2003 hatte die Stadt München beschlossen, auf das quelloffene Betriebssystem umzusteigen. LiMux hieß das damalige Vorzeigeprojekt. Auch LibreOffice kam in Bayern zum Einsatz.

Doch nach 10 Jahren Entwicklung und 3 Jahren in der Praxis hat man die Rolle rückwärts beschlossen, also eine Rückkehr zur Software-Welt von Microsoft: Projekt gescheitert. Viel Arbeit, Zeit und Geld verschwendet. Ob das Experiment in Schleswig-Holstein anders laufen wird, bleibt abzuwarten.


Niedersachsen setzt auf Microsoft Teams plus Cloud

Die aktuelle Pressemitteilung aus Niedersachsen hat mich noch mehr überrascht. Dort will man jetzt in der öffentlichen Verwaltung offensiv auf Microsoft Teams setzen. Die weltweit beliebte Kommunikationsplattform ist Teil der Cloud-Software-Sammlung Microsoft 365. Schon in diesem Quartal startet die Pilotphase.

Ähnlich wie in Schleswig-Holstein schwärmt man von einer „Modernisierung des IT-Arbeitsplatzes“. Dabei setze man in Niedersachsen bewusst auf einen großen kommerziellen Anbieter. Leistungen wie Cloud-Software, Sicherheits-Tools und KI-Anwendungen bei Microsoft einzukaufen sei unterm Strich günstiger, als die technische Infrastruktur selbst zu betreiben. Zudem könnten sich Mitarbeitende so auf fachliche Aufgaben konzentrieren.

Datenschutz geregelt! Wirklich!

Das ist aus meiner Sicht die noch bedeutsamere Nachricht innerhalb der Pressemitteilung: Die Niedersächsische Landesregierung und Microsoft konnten offenbar eine Vereinbarung zum Thema Datenschutz treffen, und zwar in Abstimmung mit dem Datenschutzbeauftragten des Landes. Dazu habe auch beigetragen, dass Microsoft mittlerweile zusichert, alle Daten in Europa zu speichern und verarbeiten.

Hat Niedersachsen damit den „Gordischen Knoten“ gelöst? Lässt sich die Software selbst in der Verwaltung datenschutzkonform betreiben? Das Innenministerium jedenfalls sieht die Vereinbarung als „Blaupause“ für andere Länder und prophezeit eine „Signalwirkung auf den gesamten öffentlichen Sektor in Deutschland“.

Fakt ist: Die Datenschutzkonferenz (DSK) drückt sich seit Monaten vor einer Neubewertung von Microsoft 365. Der US-Konzern hat nach eigener Aussage zahlreiche Beanstandungen ausgeräumt. Die Vereinbarung in Niedersachsen zeigt, was man selbst in der öffentlichen Verwaltung möglich machen kann – vorausgesetzt, dass der politische Wille vorhanden ist.

Föderaler Fleckenteppich – aber immerhin in Bewegung

Zwei Bundesländer, zwei Landesverwaltungen, zwei komplett gegensätzliche IT-Strategien: Sowohl Schleswig-Holstein als auch Niedersachsen liefern nachvollziehbare Gründe für ihre Entscheidungen. Beide Stoßrichtungen werden Fans und Kritiker auf den Plan rufen.

Einmal mehr wird aber deutlich, dass der Föderalismus in Deutschland einen Flickenteppich befördert. Das kennen wir ja schon aus dem Bereich Schule und Bildung: Ob Lehrer*innen in ihrem Bundesland mit Microsoft 365 Education arbeiten dürfen, hängt nicht von Gesetzen und Gerichtsurteilen ab, sondern mehr denn je von politischen Entscheidungen und Vorlieben der Verantwortlichen.

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Ich finde jedenfalls gut, dass endlich wieder Bewegung in das Thema kommt. Nach einer Phase des Stillstands und der allgemeinen Verunsicherung wagen sich Einrichtungen endlich vor, wägen ab und treffen Entscheidungen. Ein prominentes Beispiel ist sicher das Bundesarbeitsministerium, das zu Jahresbeginn ebenfalls Microsoft Teams eingeführt hat.

Mit Spannung beobachte ich zudem, was sich gerade in Nordrhein-Westfalen tut. Dort wird Microsoft ja mehrere Milliarden Euro investieren, u. a. in neue Rechenzentren. Das Projekt ist Chefsache: NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst war in dieser Woche sogar in den USA, um dem Konzern einen Besuch abzustatten.

Über die Gespräche im Hintergrund ist bislang nicht viel bekannt. Für mich ist allerdings kaum vorstellbar, dass man sich in Zukunft noch so offensiv von Microsoft-Software distanzieren wird, wie es manche andere Bundesländer aktuell noch tun.

Kreuzweise Partei ergreifen

Eine interessante Randnotiz möchte ich hier noch ergänzen:

  • Hendrik Wüst gehört der CDU an – so wie sein Amtskollege Daniel Günther in Schleswig-Holstein, der jetzt wie beschrieben auf freie Software setzen will.
  • Niedersachsen wiederum hat aktuell eine rot-grüne Landesregierung, die nun den Einsatz von Microsoft Teams voranbringt. Das ist deshalb bemerkenswert, weil das damals in München gescheiterte Linux-Experiment (s. o.) ebenfalls von SPD und Grünen initiiert wurde.

Trotz anderslautender Gerüchte: Von der politischen Ausrichtung ist also offenbar nicht abhängig, für welche IT-Strategie jemand Partei ergreift.

Über den Autor

Ich bin Stefan Malter aus Dortmund. Hier im Blog zeige ich Dir, wie Du mit Microsoft 365 viel Zeit und Arbeit sparst. Dafür wurde ich mehrfach als Microsoft MVP und als Microsoft Innovative Education Expert ausgezeichnet.

Stefan Malter, Autor und Medientrainer aus Dortmund

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