Tocqueville Paradox

Ein interessantes Phänomen ist das Tocqueville Paradox:

Als Tocqueville-Paradoxon bezeichnet man in der Soziologie das Phänomen, „dass sich mit dem Abbau sozialer Ungerechtigkeiten gleichzeitig die Sensibilität gegenüber verbleibenden Ungleichheiten erhöht

Dazu auch aus der englischen Wikipedia (Übersetzt)

Dieser Effekt beruht auf den Beobachtungen von Alexis de Tocqueville über die Französische Revolution und die späteren Reformen in Europa und den Vereinigten Staaten. Eine andere Art, den Effekt zu beschreiben, ist der Aphorismus „der Appetit wächst mit dem, was er isst“[4]. So kann es sein, dass nach der Erreichung größerer sozialer Gerechtigkeit der Widerstand gegen noch kleinere soziale Ungerechtigkeiten stärker ist als zuvor.

Der Effekt deutet auf einen Zusammenhang zwischen sozialer Gleichheit oder Zugeständnissen des Regimes und unbeabsichtigten Folgen hin, da soziale Reformen Erwartungen wecken können, die nicht erfüllt werden können.[5] Nach dem Tocqueville-Effekt ist eine Revolution nach einer Verbesserung der sozialen Bedingungen wahrscheinlich, im Gegensatz zu der Marx’schen Theorie der Revolution als Ergebnis einer fortschreitenden Verelendung des Proletariats (Verschlechterung der Bedingungen).[6]

1949 führte Harlan Cleveland das Konzept der Revolution der steigenden Erwartungen ein, das er in seinem Kontext des Kalten Krieges als besonders relevant für die Dritte Welt ansah. In diesem Zusammenhang hat der Politikwissenschaftler James Chowning Davies eine J-Kurve von Revolutionen vorgeschlagen, die besagt, dass auf Zeiten des Wohlstands und des Aufstiegs Zeiten der Verschlechterung der Bedingungen folgen, die zu einer Revolution führen. Ted Robert Gurr verwendete ebenfalls den Begriff der relativen Deprivation, um darzulegen, dass Revolutionen dann stattfinden, wenn die Erwartung einer Verbesserung besteht und eine harte Realität dem gegenübersteht[7].

Wir leben in einer Zeit sehr hoher Möglichkeiten für alle, aber gleichzeitig auch in der Zeit in der die intersektionalen Theorien die größte Ungleichheitsbewegung jemals ausgerufen haben, die überall und in jedem Bereich eine Ungleichbehandlung bestimmter Gruppen unterstellt und anderen Gruppen die Schuld daran zuweist.

Es sind jede Menge Untergruppen dazu gekommen, die alle unterdrückt werden können bzw aus der Sicht der Aktivisten auch werden. Es wurde der Begriff der Mikroaggression entwickelt und es besteht eine Art Null Toleranz Politik, bei der aus der Sicht anderer kleine Vorfälle schon nicht hinnehmbar sind.

Ich frage mich, ob dieser Effekt hier vielleicht hineinspielen könnte.

44 Gedanken zu “Tocqueville Paradox

  1. Wenn ich jetzt dazu was schreibe, bin ich wieder der Böse 🙂

    Also lassen wir es laufen, bis der Knall kommt. Ich überlege, mir einen guten Weinvorrat anzulegen, denn meine Wehrüberwachung läuft bald aus. So lange darf es noch halten.

  2. Ja, der Effekt spielt definitiv da hinein, aber er wird durch zahlreiche ungünstige Bedingungen verstärkt, etwa eine Ideologie, die betont, dass alle Menschen gleich wären (was erkennbar nicht stimmt).

    Durch eine Ideologie, die gar nicht mehr darauf aus ist, soziale Schieflagen auf konstruktive Weise zu beheben, sondern die eingebildete Ungleichbehandlung durch Umerziehung der Restgesellschaft bewirken will (was bei der Menge der Minderheiten von vornherein zum Scheitern verurteilt ist).

    Durch die Gleichschaltung und Ballung per sozialen Medien, die einiges an Durchschlagskraft schaffen usw.

    Es ist auch fatal (dafür sind definitiv Linke und Grüne verantwortlich), dass man statt Benachteiligte zu ertüchtigen, ihnen lieber leistungsfrei Posten per Quote und Opferpyramide zuschanzt, ein Irrsinn, der zeigt, dass es mit denen, die das praktizieren, auch schon nicht weit her ist.

    Ich wünschte ich könnte über die Gegenseite besseres sagen, aber das was man in den 90igern als „Neoliberalismus“ bezeichnet hat, ist mindestens genauso unterkomplex und vollkommen unfähig, gesellschaftliche Probleme adäquat anzugehen. Der „Markt“ kann Dinge durchaus manchmal besser regeln, aber ob er das auch tut, hängt dann von zahlreichen Nebenfaktoren ab, die selten optimal eingestellt sind.

    Meines Erachtens krankt die Parteiendemokratie an grassierender Dummheit, mangelndem Einfühlungsvermögen und Oberflächlichkeit, was bei den Akteuren, Strukturen und Anreizen auch kein Wunder ist.

    Was hingegen vollkommen fehlt, sind Feedback-Mechanismen jenseits von Wahlen alle 4 Jahre. Der Bevölkerungsdurchschnitt ist normalerweise recht konservativ, aber trotzdem in der Lage, Modernisierungen, die plausibel vermittelt werden, zu akzeptieren. Aber die Bevölkerung wird nicht gefragt, sondern medial gegeneinander gehetzt und bekommt lediglich vermittelt, welchen Vormund sie hinzunehmen hat und welcher „böse“ ist. Es ist wie ein riesiger Kindergarten. Oder besser: wie eine Schafherde, bei der Geistesgestörte zur Schur bzw. Schlachtung treiben, in dem sie rufen „der Wolf! der Wolf“ oder „Feuer, Feuer“… wer geschoren wird und wer geschlachtet, machen die Gestörten unter sich aus. Die Weide wird hingegen niemals aufgefettet oder der Stall repariert, höchstens mal ein Brett vor die größte Lücke genagelt, wenn mal wieder ein Tier verendet ist.

    DAS ist meine Wahrnehmung von Deutschland und eigentlich von der ganzen Welt. Manche Herden haben temporär einen besseren Hirten, als andere, aber im Großen und Ganzen nimmt sich das alles nicht viel und „Demokratie“ unterscheidet sich in erster Linie durch die Anzahl und das Geplärre und Gestreite der Hirten.

    • die Gleichschaltung und Ballung per sozialen Medien
      krankt die Parteiendemokratie an grassierender Dummheit, mangelndem Einfühlungsvermögen und Oberflächlichkeit
      Aber die Bevölkerung wird nicht gefragt, sondern medial gegeneinander gehetzt
      Es ist wie ein riesiger Kindergarten. Oder besser: wie eine Schafherde, bei der Geistesgestörte zur Schur bzw. Schlachtung treiben

      Schönes Beispiele für das Tocqueville Paradoxon.

      Je transparenter und je freier eine Gesellschaft, desto mangelhafter erscheint sie. Intransparente Gesellschaften ohne Kontrolle fühlen sich geordneter und gerechter an (manche sind ja tatsächlich der Meinung, es gäbe wenig Unterschied zwischen einem Leben in D/USA und einem Leben in Russland, bzw. meinen sogar in Russland wäre es besser) .

      Das ganze wirkt auch auf einer temporalen Ebene: Über die Zeit nimmt die Wahrnehmung von Ungerechtigkeit und Zwang zu, wenn sich Gesellschaften verbessern und demokratischer werden.
      Der Unterschied liegt dann oft nur mehr darin, wer für die gefühlten angeblichen Ungerechtigkeiten verantwortlich gemacht wird.

      Lunatic woke left: Die patriarchale Gesellschaft ist Schuld! Wir brauchen staatliche Gegenmaßnahmen, am besten gleich einen kompletten Umbau der bisherigen Strukturen!

      Lunatic woke right: Der unterdrückerische Staat ist Schuld! Wir brauchen gesellschaftliche Gegenmaßnahmen, am besten eine Revolution und einen Umsturz der gynozentrisch-massenmedialen Strukturen!

      Ein Trauerspiel.

      • „Je transparenter und je freier eine Gesellschaft, desto mangelhafter erscheint sie.“

        Nein, sie erscheint mangelhaft, weil sie mangelhaft ist. Die krisenhaften Fehlentscheidungen des letzten Jahrzehnts (mit fatalen Auswirkungen) sind alles, aber nicht transparent oder auch nur ansatzweise aufgearbeitet. Die meisten glauben immer noch den Mainstreamlügen und haben gar nicht wahrgenommen, was wirklich gelaufen ist, sonst würde längst die Hütte brennen.

        Intransparente Gesellschaften ohne Kontrolle fühlen sich geordneter und gerechter an

        Pingpongscher Rabulismus in Reinkultur. Natürlich fühlen sie sich geordneter an, weil sie geordneter sind, aber „Odnung“ ist eben nur eine Dimension im Leben der Menschen, die DDR war auch schön „geordnet“ und schön „gleich“ und trotzdem wurde sie von der eigenen Bevölkerung gestürzt, warum glaubst du wohl?

        Auf den Rest meiner Aussagen gehst du, wie gewohnt, nicht ein. Hauptsache ein bisschen herumrabulisiert und meine Aussagen damit scheinbar torpediert und relativiert…

        • Immer wieder beeindrucken die Sicherheit mit der du davon ausgehst, dass du alles durchschaust während die meisten anderen sich täuschen und austricksen lassen.

          • @El_Mocho: Regenschein kommentiert doch nur pingpongs Kommentar. Aka gibt doch nur seine Meinung wieder. Ich lese nirgends eine Lehre ex cathedra, wie Du sie da hinein interpretierst.

        • Ich weiß nicht genau, auf was du dich beziehst. In D oder wo?

          Grundsätzlich: Werden die Kinder dazu gezwungen oder ermutigt? Haben sie und die Eltern ein Mitspracherecht bei dieser Sache?

          Ich meine: Sollte es in einer freien Demokratie die Möglichkeit geben, Pubertätsblocker zu nehmen? Ja.
          Sollte der Zugang zu Pubertätsblockern ohne ordentliche checks & balances sein? Nein.

      • @pingpong

        Ich denke, das passende Stichwort dazu ist Hinterfotzigkeit (bzw. engl. Soft-Power).

        So habe ich bei mir gemerkt, dass meine Ablehnung in dem Maße zunimmt, in dem Soft-Power zur Lenkung von Verhalten angewandt wird, also vordergründig so getan wird, als gäbe es Mitspracherecht, Freiheit, und was auch immer, im Hintergrund aber extrem dagegen gearbeitet wird oder das Gegenteil verfolgt wird.

        Zwei Beispiele aus der letzten Zeit:

        Erstes Beispiel: Unter dem Stichwort „Forum gegen Fakes“ läuft gerade ein „Bürgerbeteiligungsprozess“, bei dem man seinen Senf zum Thema „Desinformation“ abgeben kann. In einer ersten Runde konnte man Beiträge schreiben und Beiträge anderer bewerten, und es kristallisierte sich heraus, dass von den Menschen vor allem Eigenverantwortung und Zensurfreiheit gefordert wurde, was man sehr gut an den „Top-Vote-Beiträgen“ festmachen konnte (die man einsehen konnte).

        Nun geht es in die zweite Runde, bei der man zu fünf ausgewählten Vorschlägen Feedback geben kann. Und wie sehen diese Vorschläge aus Erziehungskampagnen, Zensurfilter, Meldestellen (vgl. https://dialogue-make.org/de/forum-gegen-fakes-de). Diese Vorschläge widersprechen erheblich den Ergebnissen der ersten Runde! Faktisch wurde die gesamte Beteiligung also verworfen, um doch das gewünschte Ergebnis zu erreichen.

        Zweites Beispiel: Seit Wochen bombardiert der gebührenfinanzierte „Bayerische Rundfunk“ uns mit Meldungen, wie schlimm die AfD ist, passend zur Europa-Wahl. Augenscheinlich „funktioniert“ damit die mediale Kontrolle. Gleichzeitig schmeißt jedoch die Chef-Ermittlerin im Cum-Ex-Skandal ihren Job, weil sie dank Weisungsgebundenheit nicht ermitteln darf, und was die mediale Kontrolle der Pfizer-SMS angeht? Nun, von der Leyen geht in die nächste Runde, trotz Riesen-Skandal. Wir haben damit schlicht Kampagnenjournalismus, der zum gewünschten Wahlergebnis führen soll.

        Daraus folgt: Augenscheinlich findet hier Demokratie statt, aber eben nur zur Machtsicherung bestimmter Teilbereiche des politischen Spektrums. Augenscheinlich wird diskutiert, aber im BR-Forum wird entsprechend gesperrt. Augenscheinlich ist man beteiligt, aber eben doch nicht. Und augenscheinlich trifft man Wahlentscheidungen, aber auf einer Informationsbasis, auf der man im sonstigen Leben keine Entscheidung gründen möchte.

        Ich denke dass Menschen – mich eingeschlossen – rein psychologisch besser mit einem „Das darfst du nicht, weil ich bin stärker“ umgehen können als mit einem „Alles ist super schön, du darfst frei leben und mitentscheiden“, nur um dann doch rausgekickt zu werden. Im ersten Fall sind die Fronten klar, und du kannst deine Energie anderweitig gewinnbringend existieren (im Ex-Sowjetraum heißt das vor allem Familie und Freunde). Im zweiten Fall bist du aber mental extrem involviert, nur um dann doch täglich mit der Sinnlosigkeit jeder Beteiligung konfrontiert zu werden.

        Und ich glaube, dass das der eigentliche Unterschied ist:

        1. Wie die politische Realität im Spektrum Freiheit – Unterdrückung aussieht, ist eher nicht relevant.
        2. Je näher die politische Realität an dem vermittelten Eindruck ihrer selbst ist, desto zufriedener ist man.
        3. Je weiter sich beides voneinander entfernt, desto unglücklicher ist man.

        Dementsprechend würde ich dem Paradoxon oben widersprechen, denn es lenkt vom eigentlichen Problem ab.

        • Dass du diese Beispiele bringst und über alle diese Vorgänge Bescheid weißt, zwigt doch vor zuerst einmal dass unsere Gesellschaft frei und transparent ist -> Tocqueville Paradoxon.

          Wie die politische Realität im Spektrum Freiheit – Unterdrückung aussieht, ist eher nicht relevant.

          Ich finde wie die politische Realität im Spektrum Freiheit – Unterdrückung aussieht ist sogar ziemlich relevant. Denn wenn die politischen Realitäten keine Rolle spielen, dann bleiben nur noch „gefühlte Realitäten“ -> Tocqueville Paradoxon.

          • Dass du diese Beispiele bringst und über alle diese Vorgänge Bescheid weißt, zwigt doch vor zuerst einmal dass unsere Gesellschaft frei und transparent ist -> Tocqueville Paradoxon.

            pingpong

            Nein. Erstens kommst du überall an entsprechende Informationen, auch unter größter Unfreiheit [1]. Und zweitens ist Freiheit != Transparenz. Beispiel dafür sind die Verwaltungsregierungen der Kolonialzeit. Es war völlig öffentlich, wie diese arbeiteten, trotzdem gab es keine Freiheiten, umgesetzt wurden deren Vorgaben. Das Gegenteil wären die USA, in denen du lange Zeit vieles machen konntest was du willst, Geheimhaltung staatlicher Allüren aber besonders wichtig war.

            dann bleiben nur noch „gefühlte Realitäten“

            pingpong

            Das ist doch genau das, worauf ich hinauswill, Pingpong. „Gefühlte Realität“ steht in meinem Beitrag für die Selbstbild-Realität, die schulisch oder medial vermittelt wird, so wie du es in voller Schönheit gerne bei der Bundeszentrale für politische Bildung nachlesen kann. Und Selbstbild-Realität ist in Deutschland erheblich abweichend von erlebter Realität. Im Gegensatz zu Russland, da ist die Übereinstimmung größter.

            Ich finde wie die politische Realität im Spektrum Freiheit – Unterdrückung aussieht ist sogar ziemlich relevant.

            pingpong

            Natürlich ist es relevant, aber anders als das Paradoxon vermuten lässt (auf das meine Aussage bezogen war). Im Grunde ist Freiheit als Synonym zur Verantwortung zu sehen, die du selbst übernehmen und halten kannst, sie ist nichts anderes, und damit ist sie selbstverständlich relevant. Nur eben nicht im Sinne des Paradoxons, weil es eben nicht berücksichtigt, wie frei eine Gesellschaft in der Realität ist, sondern nur wie frei ihr Selbstbild ist, und das „beschweren“ gerade von großen Unterschieden zwischen den beiden kommt!

            [1] Wenn man aktiv sucht oder selbst erlebst. Beispiel 1 findest du z.B. nicht einfach durch Suchen in alternativen Medien. Ich weiß ausschließlich davon, weil ich selbst teilgenommen hatte. Phase 1 ist nämlich inzwischen unsichtbar.

          • Was sind deine konkreten Kriterien für Freiheit, Transparenz usw?

            Du schreibst:
            „Im Grunde ist Freiheit als Synonym zur Verantwortung zu sehen, die du selbst übernehmen und halten kannst, sie ist nichts anderes, und damit ist sie selbstverständlich relevant.“

            Wirst du daran gehindert, Verantwortung zu übernehmen? Von wem/was, und in welcher Form?

            „Nur eben nicht im Sinne des Paradoxons, weil es eben nicht berücksichtigt, wie frei eine Gesellschaft in der Realität ist, sondern nur wie frei ihr Selbstbild ist, und das „beschweren“ gerade von großen Unterschieden zwischen den beiden kommt!“

            S. oben, was sind die konkreten Kriterien um zu bewerten wie frei eine Gesellschaft in der Realität ist?

            Du kennst bestimmt das Gender Equality Paradoxon. In besonders egalitären und freien Gesellschaften wird am meisten darüber gejammert, wie ungleich und unfrei das Leben der Geschlechter, ähm ich meine, der Frauen ist. Die gefühlte Realität weicht in diesen Gesellschaften erheblich von der erlebten Realität ab – und das ist der Grund, warum man sich so sehr über die Gender Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten beschwert. Genau wie du sagst, es ergibt alles Sinn 😉

        • Je näher die politische Realität an dem vermittelten Eindruck ihrer selbst ist, desto zufriedener ist man.

          Je weiter sich beides voneinander entfernt, desto unglücklicher ist man.“

          Interessante Idee. Da könnte eine Menge dran sein.

          Übrigens weißt Du bei Deinen Beispielen nichts über die Entscheidungsfindung, also, warum und von wem die Ergebnisse des Forums manipuliert wurden, noch, wer wieso über die AfD herzieht, wer sich um Ehrlichkeit bemüht und wer bewusst hinterfotzig agiert. Diese Entscheidungsfindungen könnten genauso gut im obersten Sowjet stattfinden. So sieht plingsplumps Lieblingsdogma, alles sei schön transparent, in der Wirklichkeit aus.

          • In der Politik ist häufig ein blinder und unbedingter Wille am Werk, dem irgendeine Realität herzlich egal ist. Anzunehmen, dass solche Politikertypen daher besonders unglücklich seien scheint mir echt gewagt….

  3. Das betrifft aber nicht alle, sondern ist abhängig vom politischen Standpunkt. Es sind ja nicht alle woke oder links-grün. Liberale und Konservative sind nicht gegen soziale Ungleichheit.

  4. Phillip Hübl hat dazu auch gerade ein Buch geschrieben. „Moralspektakel“ Da geht’s allgemein um die aktuelle Hypermoral. Er hat in dem Buch allerdings einen größeren Rundumschlag. Deckt viele Themen ab die hier auch behandelt werden. Sehr spannend.

  5. Tocquevilles Beobachtung empfinde ich gar nicht als paradox. Sie wirkt nur paradox, wenn man davon ausgeht, dass Menschen primär rational gesteuert sind.

    Wie wir aber gerade wieder lernen – und offenbar lernt das jede Generation von Neuem – ist der zentrale Motor für gesellschaftliche Entwicklungen und Exzesse die kollektivierte Angst. Angst bewegt sich weitgehend jenseits der Rationalität. Wenn wir in Angst versetzt werden, agieren wir nicht nur rational, sondern sehr stark hormonell und gefühlsorientiert.

    Ist einmal eine entsprechende Angstkulisse aufgebaut, wie zum Beispiel eine patriarchale Rape-Culture, kann die nicht einfach durch rationale Erkenntnis ausgelöscht werden. Sondern sie wird von vielen als real gefühlt – und sie möchten sich schützen. Diese Konzentration auf ein vorgebliches Grundproblem trägt dann immer weitere Blüten, bis plötzlich auch der männliche Blick in der U-Bahn als sexualisierte Gewalt interpretiert wird. Das ist nicht paradox, sondern irrational.

    Anderes Beispiel ist die sog. Jahrhundertpandemie, die in 2020 eine Untersterblichkeit nach sich zog und zu einem bis heute veränderten Gesundheits- und Sozialverhalten geführt hat. Noch vor einigen Jahren hat man bei den Liebsten selbstverständlich einen Krankenbesuch gemacht, wenn die Fieber und Husten hatten. Heute macht man das nicht mehr. Die Angst wirkt nach.

    Oder Klima. Während wir gegen den April-Frost anzittern, bekommen wir den bevorstehenden Tod angedroht durch teilweise groteske Modellierungen (heißester April ever). Die so geschürten Ängste werden durch jeden fruchtbaren Starkregen, jede wohlige Sommerhitze weiter angefacht und auch noch medial verstärkt. Also gehen die Menschen in ihrer Angst auf immer unwichtigere Aspekte los und ereifern sich plötzlich über die Klimatödlichkeit von Osterfeuern.

    Das allgemeine Mimosentum, neudeutsch Vulnerabilität, in fast allen Lebensbereichen ist meiner Meinung nach jeweils der Ausläufer kollektivierter Angst. Und empfundene Ungerechtigkeit ist letztlich auch ein Ausdruck von Angst vor Benachteiligung.

    All die vielen kollektivierten Ängste kann man heutzutage nur durch einen permanenten individuellen Realitätsabgleich in den Griff bekommen. Wie viele Leichensäcke wurden 2020 aus den Wohnungen um mich herum getragen? Wie viele kenne ich, die selbst im dunklen Park vergewaltigt wurde? Gab es in den letzten Jahren Schnee? Folgen auf einige trockene Jahre auch wieder feuchtere? Wird die Borkenkäferplage im nächsten Jahr von einem Heer von Buntspechten beendet? Wie schlimm erkältet war ich in den letzten fünf Jahren? Welchen Schaden habe ich erlitten, weil ich gestern misgendert wurde? War wirklich das fehlende Warnschild verantwortlich, dass ich gestern in ein Loch gefallen bin – oder war ich nur zu unvorsichtig?

    Wenn man die angstbedingten Fühlis in den Kopf holt, muss man diesen nicht selten kräftig schütteln.

  6. Wir leben in einer Zeit sehr hoher Möglichkeiten für alle

    Sehe ich ganz anders. Wir leben in einer Zeit wo Illiberalität und soziale Ungleichheit zunehmen; viele Leute haben eben nicht (mehr) alle Möglichkeiten sich zu entfalten. Das wird nur nicht thematisiert sondern hingenommen und auch bewusst betrieben.

    aber gleichzeitig auch in der Zeit in der die intersektionalen Theorien die größte Ungleichheitsbewegung jemals ausgerufen haben

    Das soll vielleicht nur von den viel wichtigeren Ungerechtigkeiten ablenken. Teile und herrsche.

    • viele Leute haben eben nicht (mehr) alle Möglichkeiten sich zu entfalten.

      Wie konkret werden die Menschen daran gehindert, sich zu entfalten?

      Das wird nur nicht thematisiert sondern hingenommen

      Immer diese Leute, die einfach alles hinnehmen und die wichtigen Dinge(tm) nicht thematisieren. Viele Menschen wissen eben nicht, was gut für sie wäre. Vielleicht müsste man sie ein bisschen in die richtige Richtung nudgen? 😉

      • Wie konkret werden die Menschen daran gehindert, sich zu entfalten?

        Indem ihnen die materiellen Mittel genommen werden, zB in Form von Soziakürzungen und Lohndumping. Außerdem werden sie in Form dirigistischer Politik zu verschiedenen Dingen genötigt, zB „Lockdown“ oder „Klimaschutz“.

        Vielleicht müsste man sie ein bisschen in die richtige Richtung nudgen?

        Man müsste ihnen mehr Geld zahlen, je nach Situation als Sozialleistung oder Arbeitslohn. Und man müsste die Ideologien abschaffen die scharf drauf sind Menschen rumzuschubsen.

        • Ich meine mich zu erinnern hier gelesen zu haben das Problem bestünde eher darin, dass zu viele Leute zu viel Geld fürs Nichtstun bekommen. Dass es für zu viele besser sei nicht arbeiten zu gehen, weil man von den Sozialleistungen ebenso gut leben kann.

          Also wie jetzt?

          zu verschiedenen Dingen genötigt

          Wie genau sieht diese Nötigung aus?

          Man müsste ihnen mehr Geld zahlen, je nach Situation als Sozialleistung oder Arbeitslohn.

          Und dann entfalten sich die Menschen?

          Und man müsste die Ideologien abschaffen

          Gut dass es immer genug Menschen gibt, die wissen was gemacht und thematisiert werden müsste. Notfalls sogar dann, wenn die Leute das eigentlich nicht thematisieren wollen und es hinnehmen. Die wissen halt vielleicht einfach nicht, was gut für sie ist. 😉

        • Ich meine mich zu erinnern hier gelesen zu haben das Problem bestünde eher darin, dass zu viele Leute zu viel Geld fürs Nichtstun bekommen. Dass es für zu viele besser sei nicht arbeiten zu gehen, weil man von den Sozialleistungen ebenso gut leben kann.

          Aber nicht von mir. Wer so denkt sagt ja eigentlich, der Staat solle Menschen durch zu niedrige Sozialleistungen nötigen, zu Hungerlöhnen zu arbeiten. Ich finde das empörend.

          Meine Meinung ist das genaue Gegenteil: Der Staat soll durch großzügige Sozialleistungen die Arbeitgeber nötigen, hohe Löhne zu zahlen

          • Natürlich nicht von dir. Das war lediglich ein Hinweis, dass auch hier im Forum die gegenteilige Meinung vertreten wird. Wie stellst du dir denn das im großen vor, wenn es schon hier im Forum komplett gegensätzliche Ansichten gibt?

            Der Staat soll durch großzügige Sozialleistungen die Arbeitgeber nötigen, hohe Löhne zu zahlen

            Geld ist halt eventuell nicht das Problem – und daher auch nicht die Lösung. Wir hatten das letztens doch schon.

            „Die Wirtschaft“ in Form der Arbeitgeber hält von deiner vorgeschlagenen Nötigung übrigens ziemlich wenig. Auch Libertäre und Freiheitliche hätten glaube ich das eine oder andere gegen deine staatlichen Nötigungsvorschläge einzuwenden.

          • Wie stellst du dir denn das im großen vor, wenn es schon hier im Forum komplett gegensätzliche Ansichten gibt?

            In einer Demokratie gibt es verschiedene Meinungen? Potzblitz damit konnte ja keiner rechnen. Da müssen wir dann natürlich jede Politik einstellen.

            Geld ist halt eventuell nicht das Problem – und daher auch nicht die Lösung. Wir hatten das letztens doch schon.

            Offensichtlich meine ich nicht Gelddrucken, sondern staatliche Umverteilung von oben nach unten. Einkommensteuer rauf, Sozialleistungen rauf.

            „Die Wirtschaft“ in Form der Arbeitgeber hält von deiner vorgeschlagenen Nötigung übrigens ziemlich wenig.

            Ja es muss natürlich gegen deren Willen gemacht werden. Man nennt das sozialdemokratische Politik. Hatten wir in diesem Land schonmal, ich glaube Österreich auch. „Geht nicht weil es Widerstände gibt“ ist also kein zulässiges Argument.

          • @anorak

            „Offensichtlich meine ich nicht Gelddrucken, sondern staatliche Umverteilung von oben nach unten. Einkommensteuer rauf, Sozialleistungen rauf.“

            Man könnte mit dem Gelddrucken viel besser nach unten umverteilen. Wenn man zB das Geld für die Renten, aber auch für alles andere Soziale, aus der Druckerpresse kommen lässt. Dann kann man sogar die Steuern senken.

            Ok, der Aussenwert der Währung sinkt dann. Und für die Anleihen sind höhere Zinsen fällig. Aber verzögert, der Inflationär ist klar im Vorteil.

            Bin mal gespannt, wann die Linke zur D-Mark zurück will …..

          • Lern lesen.

            Die Frage war, WIE du dir vorstellst dass deine Vorschläge in einer meinungspluralen Demokratie umgesetzt werden.

            „Es müsste eben einfach gemacht werden was ich sage – notfalls auch gegen Widerstand“ ist keine Antwort auf diese Frage.

            Eine Umverteilung von Geld löst wenig, wenn Geld grundsätzlich nicht das Problem ist.

          • WIE du dir vorstellst dass deine Vorschläge in einer meinungspluralen Demokratie umgesetzt werden.

            Das hab ich beantwortet, mit dem Hinweis wir hatten das schonmal. Wenn du wissen willst wie genau, guck nach wie das damals lief: Eine Partei schreibt sich diese Politik auf die Fahnen, wirbt für Stimmen, erhält mit etwas Glück eine Parlamentsmehrheit, und kann diese Politik durchführen. HINT: Man braucht für die Durchführung einer bestimmten Politik keinen Konsens, sondern nur 51% des Volkes bzw. des Parlaments.

            Eine Umverteilung von Geld löst wenig, wenn Geld grundsätzlich nicht das Problem ist.

            Umverteilung von Geld als Umverteilung von Ressourcen. Stell dich nicht rammdösiger als du bist – sofern nicht die Geldmenge erhöht wird. Muss man alle Selbstverständlichkeiten immer miterwähnen, damit du keine sinnlosen Widerworte gibst? Wenn du das nochmal machst, antworte ich nicht mehr.

          • Oops Edit-Unfall. Der letzte Absatz nochmal ins Reine:

            Umverteilung von Geld wirkt als Umverteilung von Ressourcen – sofern nicht die Geldmenge erhöht wird. Stell dich nicht rammdösiger als du bist. Muss man alle Selbstverständlichkeiten immer miterwähnen, damit du keine sinnlosen Widerworte gibst? Wenn du das nochmal machst, antworte ich nicht mehr.

          • Man könnte mit dem Gelddrucken viel besser nach unten umverteilen.

            Falsch. Gelddrucken wirkt als Umverteilung von Gläubigern zu Schuldnern.

          • Dummerweise erhält deine vorgeschlagene Politik seit vielen Jahren nicht die nötigen Stimmen und kann daher nicht umgesetzt werden. Nennt sich Demokratie 😉

            In so einem Fall gibt es zwei grundsätzlich unterschiedliche Reaktionen wie man reagieren kann:

            1. Unsere Politik basiert auf den BESTEN WIRTSCHAFTSTHEORIEN und die Leute sind einfach zu doof um zu verstehen dass damit alle unsere Probleme gelöst würden.
            2. Wenn die Leute nicht und nicht so handeln wie es die besten Wirtschaftstheorien wollen, dann sind eventuell die Theorien falsch.
          • Dummerweise erhält deine vorgeschlagene Politik seit vielen Jahren nicht die nötigen Stimmen und kann daher nicht umgesetzt werden.

            Heißt das man soll nicht für eine andere Politik werben? Warum erwähnst du das überhaupt?

            BESTEN WIRTSCHAFTSTHEORIEN und die Leute sind einfach zu doof

            Es gibt keine „besten Wirtschaftstheorien“. Es gibt keine „objektiv richtige“ Politik, die irgendwelche weisen Gelehrten vorgeben könnten, und wer anderer Meinung ist ist nicht doof. Es geht in der Politik um Interessen, und da ist keine Seite „doof“. Klima- und Coronajünger übertragen ihre technokratische Denke anscheinend auch auf andere Themen.

          • Du hast doch damit angefangen:

            Eine Partei schreibt sich diese Politik auf die Fahnen, wirbt für Stimmen, erhält mit etwas Glück eine Parlamentsmehrheit, und kann diese Politik durchführen. 

            Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass deine vorgeschlagene Politik seit langer Zeit nicht die nötigen Wählerstimmen erhält.

            Es gibt keine „besten Wirtschaftstheorien“. Es gibt keine „objektiv richtige“ Politik, die irgendwelche weisen Gelehrten vorgeben könnten, und wer anderer Meinung ist ist nicht doof. Es geht in der Politik um Interessen, und da ist keine Seite „doof“.

            Sehr schön gesagt! Freut mich, dass wir da einer Meinung sind.

  7. Ganz allgemein, wenn man in einem Land mit Rassentrennung lebt, ist es albern, sich über rassistische Witze zu beschweren, insofern ist das erstmal kein Paradox, sondern man bekämpft erstmal die schlimmsten Probleme und dann die weniger schlimmen.

    Wenn dann allerdings einfach die „Bagatellgrenze“, wie Mikro etwas sein darf, um trotzdem noch als „Aggression“ zu gelten, immer weiter gesenkt wird, um was zu finden, nutzt sich der Sinn dahinter schnell ab.

  8. Morgen bitte dann den Tocqueville-Effekt:

    „Es geht darum, dass Revolutionen nicht dann ausbrechen, wenn die Repression am schärfsten ist, sondern wenn das Regime sich bereits gemildert hat und zu Reformen bereit ist, die Unzufriedenheit sich also risikoloser äußern kann

    (…)

    „Die Regierung, welche durch eine Revolution vernichtet wird, ist fast stets besser als ihre unmittelbare Vorgängerin. Die Erfahrung lehrt, dass der gefährlichste Augenblick für eine schlechte Regierung gewöhnlich derjenige ist, in dem sie sich zu reformieren beginnt.““

    https://de.wikipedia.org/wiki/Alexis_de_Tocqueville#Tocqueville-Effekt

    Da die aktuellen Strippenzieher das wissen, ist sogar eine kommende demokratische Wahl zweifelhaft.

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