Über eine Zeit, die so weit weg scheint und doch so nah war

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Einbuch Verlag Genesis
 

Lija ist noch ein Mädchen, als in einer nicht allzu fernen Zukunft sich bis dahin unbekannte Viren über die Erde verbreiten und zu einer tödlichen Pandemie führen, welche, trotz massivster Vorkehrungen zum Schutz, nur wenige Hunderttausend Menschen überleben, die noch dazu als Folge der Infektion meist zeugungsunfähig sind. Das Ende scheint nah. Eine überaus religiöse und alles kontrollierende und beherrschende Organisation namens Genesis macht es sich daher unter Einsatz aller Mittel zur Aufgabe, Gottes größte Geschöpfe zu retten.
So erwacht Lija, nun eine junge Frau, eines Morgens entführt, nackt und eingesperrt in einem künstlichen Garten Eden, zusammen mit einem ihr fremden und ebenfalls nackten Mann.
Der Fantasy-(Debüt)Roman der Tübinger Autorin Janina Kehrer, soeben erschienen im Leipziger EINBUCH Buch- und Literaturverlag, erinnert mit seinem Szenario einer ausufernden Pandemie an die wildesten Befürchtungen nicht weniger Menschen der noch nicht lange zurückliegenden Corona-Jahre. Und man fragt sich tatsächlich, ob hierzulande bei einem noch schlimmeren Verlauf von Covid19 Zustände, wie die im Buch beschriebenen, möglich gewesen wären, oder ob das ausschließlich in autokratisch geführten Gesellschaften und Diktaturen so kommen kann. Wahrscheinlich aber bricht jede Gesellschaft sogar schon viel früher und schneller auseinander, als sich die Autorin dieses Buches oder die Autoren und Autorinnen ähnlicher Fiktionen es vorstellen können, und vor allem wollen. Wahrscheinlich waren unsere Gesellschaften und damit die Grundlage unseres Lebens, so wie wir es zu leben gewohnt sind und uns überhaupt nur denken können, vor ein paar Jahren deutlich gefährdeter, als wir es wahrgenommen haben. Und das nicht in einer Weise, wie Verschwörungstheoretiker es uns und vor allem sich selbst einzureden versucht haben, sondern auf eine deutlich trivialere, beinahe banale Weise. Wahrscheinlich wäre es einfach zu einem Kollaps nicht nur des Gesundheitssystems, sondern das gesamten Wirtschafts- und Finanzsystems gekommen, ähnlich wie etwa vor einhundert Jahren am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts. Und wahrscheinlich sollten wir den Politikern und Politikerinnen, auf die wir so gerne schimpfen, wenigstens ein wenig dankbar dafür sein, uns vielleicht davor bewahrt zu haben. Trotz alledem, was dennoch schiefgelaufen ist.
Politiker allerdings, die gibt es in Kehrers Roman keine mehr. Es gibt eigentlich nur Überlebende, die als mehr oder weniger verelendete Menschen entweder auf sich gestellt durch die verwüsteten Lande ziehen, die von all dem zivilisatorischen Schrott unserer Zeit verunstaltet sind, oder aber sie arbeiten sklavenhaft für Genesis in tristen Fabriken, die Organisation der Menschen, die es scheinbar am schnellsten verstanden haben, die katastrophale Situation für sich und ihre Religion und natürlich ihr eigenes Vorankommen zu nutzen. Ob diese Religion dabei wahrhaft ist und auch von den Erfindern von Genesis gelebt wird, oder doch nur als Deckmantel dient, um auf dem Rücken aller anderen auch in schlechten Zeiten in Saus und Braus leben zu können, wird dabei nicht klar. Genesis bleibt hier eine graue, nicht zu fassende Masse, ohne Gesicht und Menschlichkeit, eine Organisation, die bei Nichtbefolgen ihrer Ideen und Befehle zu den Waffen greifen lässt. Was auch Lija und Hunter, die beiden Helden dieses Buches, mehr als einmal erfahren. Teils am eigenen Leib, vor allem an dem des Mannes, und zum anderen während einer tragischen Begebenheit, als Lija die versuchte äußerst blutige Flucht einer Mitgefangenen aus diesem Fortpflanzungsgefängnis mit ansehen muss.
Du auch wenn selbst hier natürlich Freundschaft möglich ist und sogar Liebe entsteht, fragt man sich, ob man sich vorstellen kann, in einer solchen Welt zu leben. Wahrscheinlich muss die Antwort „Nein“, lauten. Zu dunkel scheint eine Welt, in der fast alle Menschen bereits tot sind, eine Welt, in der es keine Familien und nur wenige Kinder unter Verschluss gibt.
Lija und Hunter jedenfalls finden, wie soll es auch anders sein, zumindest für eine gewisse Zeit eine kleine Nische in dieser Welt, in diesem Gefängnis, in einer Zeit, wie sie hoffentlich nicht so bald kommen wird.

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Honorarfreie Verwendung, Beleghinweis erbeten,
653 Wörter; 4421 Zeichen

Beitrag von auf 24. April 2024. Abgelegt unter Literatur. Nachricht folgen durch RSS 2.0. Nachricht hinterlassen oder Trackback

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