Resident Evil 4 (Remake) REVIEW

Als Resident Evil 4 vor mittlerweile über 18 Jahren erschienen ist, hat es nicht nur verschiedene Genres, sondern das Medium Videospiel insgesamt geprägt und einen nachhaltigen Fußabdruck hinterlassen. Nachdem Capcom 2019 angefangen hat, aufwendige Neuauflagen zu den Teilen 2 und 3 zu veröffentlichen, war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis auch Teil 4 dran ist. Aber wie nähert man sich einem Spiel, welches als zeitloser Klassiker gilt, mit dem derart viele Emotionen, Geschichten, mit deren Neuauflage derart viele Hoffnungen und Wünsche verbunden sind?

Bei Capcom dürfte man es sich nicht einfach gemacht haben und ich kann mir vorstellen, dass es viele Meetings gab, bei denen man sich den Kopf zerbrochen hat, wie man das Projekt anpackt. Nachdem das fertige Spiel nun erschienen ist und ich es durchgespielt habe, kann ich sagen: Resident Evil 4 (2023) ist nicht nur eine Modernisierung des Originals, welches den schwierigen Spagat schafft, sowohl der Vorlage gerecht zu werden, als auch als Remake mit Neuerungen eine Daseinsberechtigung zu haben. Es ist eines der besten Videospiele, die ich je gespielt habe.

Bingo!


Der geneigte Leser oder die geneigte Leserin mag nun sehr berechtigt fragen: Hast du nicht das Original gespielt, welches gemeinhin als eines der besten Spiele aller Zeiten gilt? Klar habe ich. Mehrfach sogar und ich mochte es auch immer, aber ich habe es nie geliebt. Diese große Zuneigung war immer mehr den ersten beiden Teilen der 1996 gestarteten Serie vorbehalten. Jetzt reiht sich eben auch Resident Evil 4 in diese Liste ein. Capcom brilliert in nahezu allen Etappen, verbindet moderne Technik mit zeitlos gutem Gamedesign, bleibt der Tonalität des Originals treu und schafft dennoch ein Spiel, welches noch einmal ganz neu funktioniert. Immer wieder habe ich beim Spielen gedacht, wie verdammt gut das alles ist.

Vor allem freut mich die Art und Weise, wie man die Geschichte diesmal verpackt. Der Plot ist prinzipiell identisch. Leon S. Kennedy arbeitet nach den Ereignissen von Raccoon City mittlerweile für die US-Regierung und wird als Ein-Mann-Armee in ein kleines spanisches Dorf entsandt, um die Entführung der Tochter des US-Präsidenten zu untersuchen. In dem von der Außenwelt ziemlich abgeschnittenen Ort stößt Leon auf eine mysteriöse Sekte, die eine tödliche Infektion verbreitet hat und ihre Opfer in abscheuliche Kreaturen verwandelt. Die Eckpfeiler der bekannten Story werden erneut erzählt, aber jede Figur und alle Szenen werden mit sehr viel mehr Kontext als zuvor ausgestattet. Man bleibt hier der Linie der vorherigen Remakes treu und versucht vor allem die Hauptfiguren nicht mehr als Actionheld-Abziehbilder zu inszenieren. Leon etwa ist sichtlich gezeichnet von seinen Erlebnissen in Resident Evil 2, hat seit jeher – so wird nahe gelegt – seine Existenz als Privatperson quasi aufgegeben, sich in ein knüppelhartes Special-Forces-Training begeben und lebt nur noch zur Erfüllung seiner Pflicht.

Capcom erzählt hier kein tiefgehendes Drama, legt die Hauptfigur aber mehr als je zuvor innerhalb der Reihe als glaubwürdigen Menschen an. Das gleiche gilt übrigens für so ziemlich jede einigermaßen wichtige Figur des Spiels, auch Ashley und Luis, selbst Bösewichte wie Ramon Salazar bekommen mehr Kontext und – mehr oder weniger – nachvollziehbare Intentionen. Das alles tut der Geschichte unwahrscheinlich gut, gleichzeitig bleibt das Remake seinen campy Wurzeln treu und lässt den unverkennbaren Humor des Originals immer wieder einfließen. Und ja, der Bingo-Spruch (und viele andere) sind auch hier noch enthalten.

Same same but different


In puncto Gamedesign bleibt Capcom der Vorlage treuer, als es die Remakes von 2 und 3 waren. Für Letztere wechselte Capcom unter anderem die Perspektive von fixen Kameras zu einer Third-Person-Ansicht, das Gameplay zwischen den Originalen und Neuauflagen dieser Teile ist also komplett ausgetauscht. Dadurch waren die Neuauflagen im Vergleich zu ihren Originalen quasi komplett neue Spiele, Remakes und Neuinterpretationen in einem. Resident Evil 4 (2023) verhält sich zum Original wesentlich näher am Ausgangswerk, besitzt aber trotzdem derart viele Neuerungen im Detail, das man auch hier von einer Neuinterpretation sprechen kann.

Ich könnte dies an unzählig vielen Dingen belegen, möchte mich aber mit dem Kampfsystem und der Spielwelt auf zwei meiner Meinung nach zentralen Elementen beschränken. So gut die Steuerung von Leon im Original für seine Zeit war, so sehr muss man sich mit seinen für heutige Spielgewohnheiten anders gelösten Mechaniken auseinandersetzen. Beispielsweise kann Leon im Original nicht gleichzeitig zielen und schießen und sich dabei von der Stelle bewegen, im Remake nun aber schon. Resident Evil 4 (2023) spielt sich sehr viel mehr wie ein moderner Third-Person-Shooter, während die Vorlage zwar das seinerzeit noch frische Third-Person-Konzept umsetzte, aber gleichzeitig noch Altlasten aus den vorherigen Spielen übernommen hat, in denen man sich ebenfalls während der Benutzung von Waffen nicht fortbewegen konnte.

Schießen, messern, suplexen


Allein diese kleine Neuerung bringt wesentlich mehr Dynamik in die Bewegung und somit auch in die Kämpfe. Man ist nun agiler, kann besser auf Angriffe reagieren. Dazu trägt eine weitere Neuerung bei, nämlich der Ausbau des Messers als Werkzeug. Nun kann man nämlich nahezu alle gegnerischen Angriffe parieren, egal ob Pfeil, geworfene Axt, selbst Kettensägen kann man mit dem Messer nun abwehren. Pariert man kurz vor dem Auftreffen der gegnerische Attacke, lässt man den Gegner taumeln und kann einen Nahkampfangriff ausführen – und ja, auch den Suplex gibt es noch! Ein derart mächtiges Werkzeug birgt natürlich die Gefahr, dass man als Spieler/Spielerin schnell übermächtig wird. Damit das nicht der Fall ist, ist das Messer ein Verbrauchsgegenstand. Nach ein paar Einsätzen ist es futsch. Leon´s eigenes Messer lässt sich allerdings beim Händler (ja, auch der ist wieder da) reparieren und wie jede andere Waffe auch aufwerten.

Der vollgepackte Freund und Helfer


Das man den Händler – diesen seltsamen, stets vermummten Zeitgenossen mit seiner übervollen Taschen- zurückgeholt hat, zeigt natürlich ebenfalls, wie sehr die Entwickler wissen, welche Elemente das Urspiel ausgemacht haben. Selbst die im Kontext der Geschichte komplett alberne Schießbude ist wieder am Start und erlaubt es auf Highscorejagd zu gehen. Als Gewinn locken Jetons, die man an einem Gacha-Automaten einlösen kann. Aus diesen wiederum zieht man Amulette, von denen man insgesamt drei an dem als Inventar dienenden Koffer anbringen kann. Und diese gewähren teilweise ziemlich nützliche Statusboni, wie etwa 10%mehr Heilung mit grünen Kräutern oder eine höhere Dropwahrscheinlichkeit für bestimmte Items wie Munition.

Und als wäre das noch nicht genug, bietet der Händler noch eine neue Tauschfunktion an. Gegen eingetauschte Spinelli kann man ein paar Bonuswaffen freischalten, gelbe Kräuter und Crafting-Ressourcen für das Erstellen von Munition bekommen und sogar den ikonischen Laserpointer des Originals erhalten. Das dieser allerdings nur als Bonus versteckt und auch nur für zwei Handfeuerwaffen zur Verfügung steht…das ist die vielleicht einzige Fehlentscheidung, die Capcom gegenüber Fans des Originals getroffen hat. Ich brauche den Laserpointer nicht, aber muss doch anerkennen, es hat mehr Alleinstellungsmerkmal als das öde Fadenkreuz.

Mehr Horror


Nun gut, ich bin ganz schön weit abgeschweift. Daher will ich auf den zweiten großen Punkt kommen, den dieses Remake/Neuinterpretation so gut macht: Der Aufbau der Spielwelt. Auch hier orientieren sich die Entwickler nah an der Vorlage und bleiben dieser erstaunlich treu. Nahezu alle Areale wurden aber ausgebaut und um neue Bereiche erweitert, gleichzeitig sorgt man für eine sich wesentlich organischer anfühlende Umgebung, die miteinander verzahnt ist. Bei der Inszenierung wird außerdem wesentlich stärker auf Horror gesetzt als noch im Original.

Resident Evil 4 von 2005 legte den Grundstein für die Neuausrichtung der Reihe. Horror war nun nicht mehr das vorherrschende Element, sondern Action. Nach Teil 4 waren Monster und Zombies nur noch Versatzstücke, bei vielen Fans kam das bekanntermaßen nicht mehr gut an, obwohl die vor allem die Teile 5 und 6 große Verkaufserfolge waren. Mit der erneuten Kalibrierung im Zuge von 7 und 8, dem Erfolg der Remakes von 2 und 3 spielte Horror wieder eine größere Rolle und nun eben auch im Remake von 4. Schon das Anfangsareal, der erweiterte Weg Richtung Dorf, setzt die Tonalität voll lauf Grusel. Und vor allem das zweite große Areal des Spiels, die Burg, profitiert von der Neuausrichtung. Bisher war für mich stets das Dorf und sein Umland der stärkste Abschnitt, nun bin ich mir da nicht mehr so sicher. Hier liegt sogar wieder ein bisschen Spancer Mansion Atmosphäre in der Luft, auch wenn die Burg von Salazar auf andere Art und Weise seine Stimmung ausspielt.

Grandiose Momente, von Anfang bis Ende


Auch die Insel, der dritte große Abschnitt des Spiels, profitiert vom neu arrangierten Design der Spielwelt. Ich bin zwar nach wie vor der Meinung, die Insel fällt im Gegensatz zum ersten 2/3 des Spiels ab, aber nicht mehr so stark wie zuvor. Auch weil sich der aus Industrieanlagen und Laboren zusammensetzende Inselbereich jetzt kompakter anfühlt und die Encounter mit den Gegnern nicht mehr ganz so nervtötend sind wie im Original. Im Gegenteil, gerade eben auch dank des bis zum Ende hin spaßigen Gameplay-Loops rutscht die Insel gut durch, es fehlen aber abgesehen vom finalen Boss die großen Aha-Momente.

Von diesen hat nämlich auch das Remake einige, auch wenn sie allesamt mal mehr, mal weniger von dem Original übernommen wurden. Schon der Spieleinstieg mit dem Kampf auf dem Dorfplatz ist ein Highlight, welches andere Spiele in dieser Intensität auf voller Länge betrachtet nicht erreichen. Und obwohl ich den Einstieg schon so oft gespielt habe und neulich auch dank der Demo bereits in der neuen Variante: Das Aufeinandertreffen von Leon und den Dorfbewohnern ist noch immer unfassbar intensiv und lässt den Puls nach oben schellen, auch weil der höchste der drei Schwierigkeitsgrade, die man zu Beginn zur Verfügung hat, das Survival in den Horror steckt. Man muss sich zu Beginn natürlich nicht gleich so schwer machen und stellenweise ist das Balancing im auf „Veteran“ ganz schön unberechenbar. Aber mir als großen Enthusiasten der Reihe und des Genres des Survival-Horrors gibt diese Herausforderung einfach etwas. Das ist mal Frust, mal Wut, vor allem aber Spaß und Nervenkitzel. Mein aktueller zweiter Durchlauf auf Standard ist dank der Übernahme von erspielten Waffen im New Game Plus hingegen eine nicht mehr ganz so intensive Action-Schießbude, die aber auf ihre Art auch gut funktioniert.

Schwerfälliger Leon


Und das, obwohl sich Leon weitaus schwerfälliger steuert als im Original und gerade mit Controller die Steuerung ein bisschen fummelig ist. Das ist nichts Neues bei den Serienteilen, die auf Capcom´s hauseigener RE Engine fußen und ich weiß bis heute nicht, was genau der Gedanke hier ist und ob ich das mag. Mittlerweile besitzen die Spielfiguren der Reihe ein gewisses „Gewicht“. Ihre Bewegungen sind nicht allzu schnell, das Zielen gestaltet sich schwammig. Das macht bei Ethan Winters aus 7 und 8 Sinn, es macht auch bei dem Polizei-Rookie Leon und Claire aus Remake 2 Sinn. Aber Leon in Remake 4, der mehrere Jahre Training beider Armee und Spezialeinheiten durchlaufen ist? Eigentlich mag ich es, dass ich ein Gefühl für die Spielfigur erhalte und sie nicht wild durch das Bild huschen lassen kann und letztlich bewährt sich der alte Spruch von der Übung und dem Meister, zumal man bei Bedarf die Kamerageschwindigkeit hochstellen und auch eine Zielhilfe aktivieren kann.

Übrigens: Die Accessibility-Optionen sind klasse! Bei der Steuerung, der visuellen Darstellung und beim Sound kann man viele unterschiedliche Hilfseinstellungen aktivieren, die das Spielen für Menschen mit Beeinträchtigungen erleichtern. Capcom zeigt auch hier eine große Lernbereitschaft und macht das Spiel damit noch mehr Menschen zugänglich.

Pro & Kontra

thumbs-up-icon

Pros
  • grandiose Neuinterpretation der einstigen Vision mit viel Selbstständigkeit
  • Figuren und Story wurden neu interpretiert
  • famoser Gameplay-Loop aus viel Action, ein bisschen Rätseln und dichter Atmosphäre
  • spannend erweitertes Kampfsystem
  • mehr Horror als im Original
  • technsich aufwendig, mit vielen Assets, überarbeiteten Kulissen und mehr

thumbs-up-icon

Cons
  • warum kein Laserpointer mehr Capcom?!
  • aber ernsthaft: der Mercenaries-Modus wäre zum Launch schon schön gewesen

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Spiel Bewertung
Singleplayer
92
92
Super
-
Multiplayer

FAZIT

Anders als bei den Remakes zu 2 und 3, war ich im Vorfeld weitaus weniger nervös, was die Neuauflage von Resident Evil 4 angeht. Zum einen, da mir das Urspiel eben emotional nicht ganz so viel bedeutet wie die erste Trilogie und zum anderen, da Capcom vor allem mit Remake 2 bewiesen hat, wie gut sie den Dreh mit ihren Neuauflagen raushaben. Umso begeisterter hat mich die 2023er Variante. In nahezu allen Punkten ist das Remake seinem Original ebenbürtig, für mich ist es ihm in vielen Dingen sogar voraus. Das sind mal ganz offensichtliche Dinge, wie bei der Grafik und der Steuerung, dann aber auch die vielen Details, wie das Messer als neues, wichtiges Spielelement, der größere Dynamik in den Kämpfen, die neu interpretierten Figuren und das wesentlich besser ausgearbeitete Writing. Ich bin kein Freund von Diskussionen, welche Version nun die bessere, die ultimative ist. Stattdessen freue ich mich zwei absolut tolle Versionen dieser der Vision Resident Evil 4 spielen zu können, die sich zwar ähneln, aber doch beide unterschiedlich sind. Und vor allem freue ich mich, dass die Neuinterpretation dessen, was Serienschöpfer Shinji Mikami und sein Team 2005 veröffentlicht haben, so unverschämt gut geworden ist. Ich liebe dieses Spiel so sehr und habe mittlerweile so ein großes Vertrauen in das Talent von Capcom´s Division 1...von mir aus...ja..ja, ich sage es: Macht von mir aus Remakes von 5 und 6. Interpretiert auch diese neu, von mir aus mit größeren inhaltlichen Änderungen. Aber genauso gerne nehme ich auch Remakes von Code Veronica und Resident Evil. Das hat zwar schon eine tolle Neuauflage bekommen, aber wie schön wäre es, wenn am Ende der Remakes noch einmal das Herrenhaus und die Anfänge dieser Reihe auf diesem hohen Niveau kommen würden? Ich bin auf jeden Fall dabei!

- Von  Adrian

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