Tosca

So ein bisschen hatte ich ja nach dem „Sommernachtstraum“ Angst vor dem neuen Stück im Programm des Stadttheaters Gießen. Diesmal war es Tosca, eine Oper von Giacomo Puccini aus dem Jahre 1900. Die Einführung heute hat Christian Förnzler für uns gemacht. Irgendwie hatte ich heute das Gefühl, dass er entweder doch leicht nervös war und sich deswegen gelegentlich etwas verhaspelt hatte oder er den Text nicht selbst geschrieben hatte. Meine Begleitung hatte ihn schon mal bei einer Einführung erlebt, aber sie meinte, da war er etwas lockerer und wir haben beide etwas darüber gesprochen, warum es wohl diesmal so war.

Toll waren aber wie immer die Informationen, also worauf man geachtet hat, ein wenig über die Oper im Allgemeinen, wie Puccini sie aufgebaut hat, und dass man versucht hat, die Oper aus dem Jahr 1800, in dem sie bei Puccini spielte, in das Jahr 2023 zu bringen.

Bei dieser Ankündigung hatte ich dann doch etwas Angst, denn bis jetzt waren solche Aussagen für mich immer etwas beunruhigend. Da war mal ein Erlebnis mit Goethes Faust und mit einer Oper, ich glaube es war Martha, bin mir aber nicht hundertprozentig sicher, denn ich habe es sehr verdrängt, da war diese Übertragung in die Neuzeit leider nicht gelungen. Damit Theaterstücke oder Opern in das hier und jetzt zu bringen, da tue ich mir im Allgemeinen immer schwer und meiner Begleitung des heutigen Abends auch.

Das unser Orchestergraben nicht für 70 Musiker geeignet ist, die aber heute Abend alle gebraucht wurden und somit das Komplette Orchester auf der Bühne war, machte mir zusätzlich doch etwas Angst. Wo sollte da noch Platz für schauspielerische Darstellung, oder gar Bühnenbild, sein?

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Soviel zu der Einführung also schnell danach auf die Plätze und los ging es. Heute wurde viel mit Videoeinspielern gemacht und die wurden sehr gut integriert. Wir erleben also die Flucht des Gefangenen Angelotti, einem Politischen Gefangenen des diktatorischen Systems in dem das alles spielt. Angelotti wird von Clarke Ruth gespielt. Er flüchtet sich in eine Kirche und versteckt sich dort.

Dort befindet sich auch Tomi Wendt als Küster und es kommt zu meinem ersten inneren Brüller, als dieser Küster die Pinsel mit dem Weihwasser der Kirche ausspült und für den Maler, Mario Cavaradossi gespielt von Michael Ha, vorbereitet.

Besagter Cavaradossi findet dann auch den Flüchtling und man merkt schnell, dass sich die beiden kannten. Auf einmal klopft Floria Tosca an die Kirchentür und Cavaradossi versteckt den Flüchtling Angelotti.

Nun ist Tosca stark bis extrem eifersüchtig. Sie ist sogar auf die Madonna, die ihr Geliebter in der Kirche malt, eifersüchtig und möchte, dass er die Augen nicht blau malt, sondern wie ihre schwarz.

Die Flucht von Angelotti aus dem Gefängnis wird entdeckt und sehr schnell schlägt Scarpia mit seinen Häschern in der Kirche auf. Cavaradossi kann gerade noch Angelotti verstecken, nachdem Tosca, die von Margarita Vilsone gespielt wird, beruhigt wurde und gegangen ist. Leider haben die beiden aber einen Fächer vergessen, der zu der Verkleidung von Angelotti gehört. Und so spielt Scarpia, der von Grga Peros gespielt wird, mit der Eifersucht von Tosca.

Und dann ist auf einmal Pause und mein erster Gedanke war, habe ich mich nicht gerade erst hingesetzt? Mein Gedanke in der Pause war, was sind denn das für phantastische Stimmen? Also Tosca, Cavaradossi, Scarpia, Angelotti oder der Küster, egal wer, man wird einfach im positivsten Sinne von der Stimmgewalt erschlagen. Es sind Stimmen, die einfach zu den Figuren passen. Ich war in der Pause schon vollkommen hin und weg und da habe ich mich noch nicht mal darüber ausgelassen, dass dieses Orchester irgendwie immer besser wird. Man könnte fast denken, es passe da einfach nicht hin. Es sei zu gut um wahr zu sein. Das ganze Werk wird dadurch noch runder im Klang, dadurch, dass es einfach da ist. Nicht dass ich das nun immer haben möchte, aber schon in der Pause war klar, dieses Stück gewinnt durch die Verschmelzung mit dem Orchester auf der Bühne und der Unterstützung durch die Videoeinspieler.

Auch war da schon klar, dass die Transformation in das Jahr 2023 geglückt ist. Es ist modern, aber nicht zu modern. Man wird ein wenig an George Orwell mit 1984 oder das dritte Reich oder andere Diktaturen erinnert. Auch ein gewisser Vladimir Putin erscheint im Stück.

Über den zweiten Teil möchte ich nicht viel sagen, nur so viel, es wird nicht schwächer, sondern es wird dramatisch. Es wird auf der Bühne gefoltert, vergewaltigt, gestorben und betrogen. Und nein es ist nicht übertrieben, oder abstoßend. Man kann dem ganzen nicht mehr entfliehen, man saugt es einfach auf.

Scarpia ist wirklich ein Typ Mensch, den ich in der Realität nicht erleben möchte. Es gibt eine Szene, die ist mir immer noch sehr präsent. Er sitzt an seinem Tisch, und isst Kuchen und man merkt, er genießt es. Neben ihm sieht Tosca zu, wie ihr Freund gefoltert wird und man hört ihn auch noch schreien. Tosca ist vollkommen aufgelöst und weint und fleht Scarpia an und der isst einfach weiter, so als wäre gerade Weihnachten und die Familie sitzt zusammen und ich sitze da unten und will eigentlich am liebsten Tosca trösten. Ja, ich weiß, es ist Schauspiel, aber irgendwie war diese Situation, eines sich auch noch den Teller von Tosca nehmenden Scarpia, für mich schwierig auszuhalten.

Ganz groß war in meinen Augen aber auch das Hirtenkind auf die Bühne kam. Sie hat dem ganzen noch mal eine ganz eigene Note gegeben. Ja, Kinder auf der Bühne und das auch noch so spät, könnte man nun so und so sehen, aber ich finde es toll, dass dieses Mädchen den Mut hat und ich denke in naher Zukunft hat sie auch das Lampenfieber noch besser unter Kontrolle.

Ein Instrument möchte ich noch mal besonders erwähnen, die Solo-Klarinette gespielt von Manaka Taniguchi. Wirklich richtig toll, wie sie sich auf der Bühne bewegte und es war so ein besonderes Spiel und eine besondere Wärme in dem kurzen Stück, die ich so nicht erwartet habe.

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Ich fasse es nun einfach mal so zusammen, es war ein gelungener Abend mit tollen Musikern und Opernsängern. Die Kostüme waren diesmal wirklich auf den Punkt und man hat es wirklich gut geschafft diese Oper in das hier und jetzt zu bringen.

Es gibt viel auf der Bühne zu entdecken, Anspielungen in jeder Situation. Es wurde wieder auf das Detail geachtet, auf die Kleinigkeiten. Dieses Zusammenspiel zwischen, Videotechnik, Licht, Kostüm, diese Stimmen und die Musik haben mich wieder komplett abgeholt.

Für mich ist es einfach so: mit Caterina Cornaro kann man Menschen das erste Mal mit Opernmusik und Schauspiel einfangen, mit Tosca kann man das Ganze noch etwas vertiefen und einem den letzten Schubs geben, damit man Oper liebt und fühlt. Für mich ist es momentan großes Theater, was dort in unserem Stadttheater abläuft. Ich weiß nur, dass ich von dieser Spielzeit, was Opern betrifft, noch lange dran zehren werde. Was Ann Christine Mecke und Christian Förnzler von der Dramaturgie dort abliefern ist ganz groß und braucht sich sicherlich nicht vor anderen Bühnen zu verstecken.

Natürlich wird es auch mal das ein oder andere Stück geben, was man vielleicht nicht so mag, aber bitte geht euren Weg weiter zusammen mit dem Philharmonischen Orchester, dem Opernchor oder auch dem Kinder- und Jugendchor und mit den anderen Menschen, die da so wichtig sind. Geht diesen Weg zusammen, hört aufeinander und ich habe heute auch einige lachende Menschen auf der Bühne gesehen, als da ein überraschender Aufzug kam. Behaltet diesen Spaß an der Kunst und alles wird gut, denn sehr gute Stimmen und Musiker habt ihr schon und liebe Hessen, wagt es einfach mal. Fahrt nach Gießen! Geht mal in die Tosca und ich verspreche, ihr werdet mich verstehen, warum ich so begeistert bin. Oder wollt ihr eine bedingungslos liebende Frau wie Tosca als euer Feind haben?

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