Kündigung einer Assistenzärztin in der Weiterbildung

VonRA Moegelin

Kündigung einer Assistenzärztin in der Weiterbildung

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Bei der Kündigung einer Assistenzärztin in der Weiterbildung zur Fachärztin wegen Schließung der Klinik
ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, eine Änderungskündigung auf eine andere Stelle als Weiterbildungsassistenz auszusprechen, wenn es sich bei den Stellen als Weiterbildungsassistent nicht um einen anderen Arbeitsplatz iSd § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG handelt. Das ist der Fall, wenn die Zuweisung eines Arbeitsplatzes als Weiterbildungsassistent in einer anderen Fachrichtung nicht nur eine inhaltliche Zuweisung einer anderen Tätigkeit darstellt, sondern auch die Zuweisung eines anderen Qualifikationsweges. Denn das ist jedenfalls einseitig im Wege des Direktionsrechts nicht durchsetzbar.

Volltext des Urteils des Arbeitsgerichts Essen vom 21.11.2022 – 6 Ca 1494/22:

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III. Der Streitwert beträgt 11.894,37 €.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine fristgemäße Kündigung. Die Klägerin ist seit dem 00.00.0000 bei der Beklagten als Assistenzärztin in der Weiterbildung zur Fachärztin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ist befristet bis zum 30.11.2025. Die Klägerin wurde in der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV-Ärzte/VKA Anwendung. Die Klägerin war zuvor im Klinikum U. bereits als Assistenzärztin in der Inneren Medizin tätig.

Die Klägerin ist 00 Jahre alt und zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet. Ihr tarifliches Grundentgelt beträgt 3.964,79 €.

Die Beklagte entschloss sich im Mai 2022, die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe zu schließen. Am 09.06.2022 beantragte sie die Herausnahme der Betten aus dem Krankenhausplan (Bl. 86ff. d.A.) . Bereits ab dem 13.06.2022 wurden keine Patientinnen mehr aufgenommen. Ab dem 30.06.2022 wurde die Klinik nicht mehr betrieben, sondern nur noch Dokumentationsarbeiten durchgeführt, im Späteren wurden die Mitarbeiter freigestellt.

Mit Schreiben vom 16.08.2022, der Klägerin am 18.08.2022 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2022. Mit E-Mail vom 19.08.2022 (Bl. 31 d.A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass diverse Kliniken im Vorfeld angeboten hätten, Assistenzärzte unter Wahrung des sozialen Besitzstandes zu übernehmen. Die Kündigung sei zur Wahrung der Kündigungsfrist vorsorglich erfolgt, da ein Gesprächstermin vorher nicht habe realisiert werden können. In erster Linie sei ihr wichtig, der Klägerin eine Weiterbeschäftigung als Assistenzärztin in einer der internistischen Kliniken anzubieten. Zudem könne jede andere Ausbildung in einer anderen Fachrichtung im Haus ermöglicht werden. Sollte diese Option für die Klägerin in Betracht kommen, so könne kurzfristig eine Versetzung vorbereitet und aus der Kündigung keine Rechte mehr hergeleitet werden. Die Klägerin werde gebeten, sich nach Sichtung der Angebote zurückzumelden, welche Alternative für sie in Betracht komme.

Mit ihrer am 31.08.2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 06.09.2022 zugestellten Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung.

Sie rügt, dass die Beklagte keine behördliche Genehmigung für die Schließung der Klinik habe.

Zudem bestehe der Vorrang der Änderungskündigung.

Sie vertritt die Auffassung, die sechswöchige Kündigungsfrist sei unwirksam, es würde eine tarifliche Kündigungsfrist von vier Monaten gelten.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung vom 16.08.2022 beendet wurde.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, das Beschäftigungsbedürfnis für die Klägerin sei mit der Schließung der Klinik entfallen. Eine Sozialauswahl sei nicht vorzunehmen, da die Klägerin mit Weiterbildungsassistenten in anderen Bereichen nicht zu vergleichen sei.

Der Betriebsrat sei mit Schreiben vom 08.08.2022 (Bl. 89f. d.A.) gehört worden. Dieser habe mit Schreiben vom 09.08.2022 (Bl. 91ff. d.A.) seine abschließende Stellungnahme abgegeben.

Sie sei nicht verpflichtet gewesen, der Klägerin im Wege der Änderungskündigung eine Stelle als Weiterbildungsassistentin in einem anderen Fachbereich anzubieten, da es sich dabei um eine fachliche Qualifizierung und nicht (nur) um einen Arbeitsplatz iSd § 1 Abs. 2 KSchG handele. Darüber hinaus zeige das Verhalten der Klägerin, die trotz des Schreibens vom 19.08.2022 und einer gerichtlichen Anregung bis heute nicht erklärt habe, ob und wenn ja, welche Weiterbildungsstelle sie annehmen würde, dass sie gar kein Interesse daran habe, eine entsprechende Stelle anzunehmen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Kündigung gilt nicht als wirksam, die Klägerin hat die Klagefrist des § 4 KSchG eingehalten.

2. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt iSd § 1 Abs. 2 KSchG.

a) Das Beschäftigungsbedürfnis für die Klägerin auf ihrem bisherigen Arbeitsplatz ist mit der Schließung der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe entfallen. Unstreitig ist die Klinik als solche bereits seit dem 30.06.2022 geschlossen, im Nachgang fanden nur noch Dokumentationsarbeiten statt. Die Beklagte konnte die Prognose treffen, dass diese mit dem 30.09.2022 erledigt sein würden.

Der Beklagten ist es auch nicht verwehrt, sich auf die Schließung der Klinik zu berufen. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte mit der Schließung ohne vorherige Herausnahme aus dem Krankenhausplan ihrem öffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag nicht nachkommt. Dieses führt im zivilrechtlichen Innenverhältnis nicht dazu, dass keine unternehmerische Entscheidung umgesetzt wurde. Die unternehmerische Entscheidung setzt nicht voraus, dass sie wirksam ist bzw. sanktionslos umgesetzt werden kann. Es mag sein, dass die Beklagte aufgrund ihrer Entscheidung, ihrem Versorgungsauftrag nicht (mehr) nachzukommen, Bußgeld- oder anderen verwaltungsrechtlichen Sanktionen ausgesetzt wird. Dieses spielt aber für die Frage der unternehmerischen Entscheidung keine Rolle. Dieses unterliegt lediglich einer Willkürkontrolle. Diese Grenze ist aufgrund der vorgetragenen Geburtenzahlen kombiniert mit den Organisationsproblemen gerade im Hinblick auf die Hebammen nicht erreicht. Ihre Existenz und Umsetzung ist zwischen den Parteien nicht im Streit.

b) Die Beklagte war nicht verpflichtet, der Klägerin eine Änderungskündigung auf eine andere Stelle als Weiterbildungsassistenz auszusprechen. Es handelt sich bei den Stellen als Weiterbildungsassistent nicht um einen anderen Arbeitsplatz iSd § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG.

In Bezug auf die Weiterbildungsassistenz im ärztlichen Bereich ist zu berücksichtigen, dass diese der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Nordrhein unterliegt. Die Weiterbildung stellt daher eine Spezialisierung in einem Teil einer medizinischen Fachrichtung dar (vgl. § 2 Abs. 2 WeiterbildungsO AekNO), die sodann nach Beendigung der Weiterbildung und erfolgreicher Prüfung den Arzt berechtigen, die Zusatzbezeichnung Facharzt für das entsprechende Gebiet zu führen. Die Weiterbildung zielt daher nicht auf eine bestimmte Tätigkeit hin, sondern ist eine strukturierte Qualifikation, die entsprechende Kenntnisse vermitteln soll und sodann den Erwerb einer weiteren Qualifikation sichert. Damit stellt die Zuweisung eines Arbeitsplatzes als Weiterbildungsassistent in einer anderen Fachrichtung nicht nur eine inhaltliche Zuweisung einer anderen Tätigkeit dar, sondern auch die Zuweisung eines anderen Qualifikationsweges. Dieses ist jedenfalls einseitig im Wege des Direktionsrechts nicht durchsetzbar.

Die Zuweisung einer anderen Stelle als Weiterbildungsassistentin war auch nicht zu geänderten Bedingungen und damit im Wege der Änderungskündigung zumutbar. Die Weiterbildungen dauern in der Regel ca. 60 Monate, hierauf ist auch die Weiterbildung der Klägerin in der Gynäkologie angelegt. Die Klägerin müsste es daher zumutbar sein, in einem anderen Fachbereich, den sie nicht gewählt hat, eine mehrjährige Qualifikation zu durchlaufen, um in einem hochspezialisierten Beruf eine Qualifikation zu erwerben, die von ihr nicht gewünscht war. Es handelt sich insoweit nicht um eine zumutbare Maßnahme.

Dieses ändert sich auch nicht dadurch, dass die Beklagte im unmittelbaren Nachgang zu der Kündigung entsprechende Angebote unterbreitet hat. Insoweit handelt es sich um ein überobligatorisches Verhalten.

Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, ein entsprechendes Änderungsangebot auszusprechen, so ist es der Klägerin aus dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens verwehrt, sich auf dieses zu berufen. Die Beklagte hat der Klägerin am 19.08.2022 explizit angeboten, sie auf andere Weiterbildungsassistenzen zu versetzen und die Kündigung zurückzunehmen. Die Klägerin hat sich trotz dieses Angebots und des deutlichen Hinweises des Gerichts vom 26.09.2022 nicht geäußert, ob und welche Stelle für sie in Betracht kommt, sondern lediglich auf dem Primat der Änderungskündigung beharrt. Wenn die Klägerin aber sich jeglichem Angebot der Beklagten, das ihr die völlige Wahl gibt, in welchem Bereich sie die Weiterbildung aufnehmen möchte verschließt und sich auch im Kammertermin nicht dazu äußert, verschließt, so kann sie sich dann nicht darauf berufen, die Beklagte hätte das Angebot früher unterbreiten müssen.

3. Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt iSd § 1 Abs. 3 KSchG. Die Beklagte war nicht verpflichtet, eine Sozialauswahl über die Grenzen der Weiterbildungsassistentin in der Gynäkologie vorzunehmen. Sie wäre nicht berechtigt, die Klägerin aufgrund der spezifischen Inhalte der Ausbildung einseitig auf ein anderes Fachgebiet umzusetzen, so dass insoweit keine Austauschbarkeit besteht.

4. Die Beklagte hat den Betriebsrat ordnungsgemäß beteiligt iSd § 102 Abs. 1 BetrVG. Die abschließende Stellungnahme lag am 10.08.2022 und damit vor Zugang der Kündigung vor. Weitere konkrete Rügen hat die Klägerin nicht erhoben.

5. Die Kündigung wirkte auch zum 30.09.2022. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TV-Ärzte/VKA Anwendung. Da es sich um ein befristetes Arbeitsverhältnis handelt, findet § 31 Abs. 5 TV-Ärzte/VKA Anwendung. Bei einer Dauer des Arbeitsverhältnisses bei demselben Arbeitgeber zwischen einem und zwei Jahren beträgt die Kündigungsfrist sechs Wochen zum Schluss eines Kalendermonats. Eine Anrechnung anderer Betriebszugehörigkeiten ist in § 31 TV-Ärzte/VKA anders als in § 35 TV-Ärzte/VKA nicht vorgesehen. Die Klägerin hat allerdings auch nicht vorgetragen, dass ihr vorheriges Arbeitsverhältnis dem TVöD-VKA unterfiel.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

III. Die Streitwertentscheidung beruht auf § 3 ZPO.

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