Freitag, 2. Dezember 2022

Wir müssen über den Querpass-Toni reden.

Nebenbei... war ich gestern bei der wunderbaren Catt, die ungelogen auf die Bühne ging, als der Kicker-Ticker die 86. Minute angezeigt hat. Mehr Konzerte statt Katar geht gar nicht... Aber zum eigentlichen.

 Klar, Toni Kroos ist jetzt nicht das Erste, woran man denkt. Aber es ist halt schon so, dass man daran die grundlegenden Probleme festmachen kann. Wir sollten vielleicht mal darüber nachdenken, ob wir unsere Legionäre endlich mal ordentlich wertschätzen. Und damit meine ich wirklich das "wir", weil ich da auch über Journalisten und Experten reden. 

Es wurde jetzt halt, wie Joshua Kimmich richtig anmerkt, das dritte Turnier in Folge in den Sand gesetzt. Und ganz realistisch gibt es bei diesen 3 Turnieren 2 Konstanten: Manuel Neuer und natürlich Thomas Müller. Die standen halt in jedem Spiel dieser Desaster auf dem Platz. Und wir haben uns alle eingeredet, dass die ja Weltklasse sein müssen, weil... ähm... die mit den Bayern die sonst eher durchschnittliche Bundesliga dominieren? Ja, genau.

International haben sie aber nur im Pandemiejahr etwas gerissen. Also als sie gegen 2 französische Mannschaften antreten durften, die jeweils seit Monaten kein Pflichtspiel absolvieren konnten. Und ein Barca im Selbstzerstörungsmodus. Man hatte einen extremen Wettbewerbsvorteil, weil die Bundesliga halt der Vorreiter in der Wiederaufnahme des Leistungssports war. Aber ganz sachlich gesehen muss dieser Titel mit einem Sternchen versehen werden.

Ansonsten verliefen die internationalen Vergleiche mit den ganz Großen eher enttäuschend. Also ja, es reicht immer noch, um Barca zu dominieren, aber was gibt den Bayern denn wirklich Hoffnung, dass man sich in diesem Frühjahr gegen Paris weiterkommen? Was macht diese Mannschaft jetzt besser als letzte Saison?

Gleichzeitig hätten wir zumindest in der Offensive alternativen. Bei Neuer ist es ein bisschen komplizierter, weil Marc Andre ter Stegens Leistungsnachweis auf der internationalen Bühne auch nicht besser ist. Aber vor der EM 2021 war İlkay Gündoğan im zentralen Mittelfeld besser als Müller. 2022 war Kai Havertz besser als Angreifer. Immerhin haben wir mittlerweile eine dieser beiden Wahrheiten begriffen. 

Aber anstatt darüber zu reden, wie wir um diese beiden eine Offensive aufbauen und da konstant und bei jeder Gelegenheit hinarbeiten... fragen wir uns, ob Niclas Füllkrug vielleicht die bessere Alternative ist. Weil der in der Bundesliga einen Lauf hat!!! 

Hey, hier mal ein kurzes Update aus dieser Realität: Havertz ist Stammspieler bei Chelsea London. Einer Spitzenmannschaft der Premiere League. Gündoğan kann bei Manchester City dasselbe von sich behaupten. Die beiden standen sich in einem Champions League Finale gegenüber und Havertz hat dieses Spiel entschieden. Der hat also nachgewiesen, dass er es auf allerhöchstem Niveau kann.

Und was machen wir mit diesen beiden? Nun ja, wir wechseln den einen in der 69. Minute aus und den anderen in der 70. Minute ein. Während der Nations League ist das 2 Mal passiert. Wirklich gemeinsam stand man vor der WM nur gegen England auf dem Platz. Und 65. Minuten lang gegen den Oman. Und das war es. Das waren die gesamten Minuten, die die beiden besten Spieler dieser Mannschaft zum Einspielen bekommen haben. Effektiver kann man die rare Zeit doch gar nicht nutzen. Und dann wundern wir uns, dass die beiden gegen Japan keine Synergie entwickeln. 

Nachdem der Havertz dann ein mal ein schlechtes Länderspiel gemacht hat, vergraben wir ihn direkt für 178 Minuten (ohne Nachspielzeit) auf der Bank. Nur damit er das letzte Spiel dann doch noch dreht.

Aber das grundlegende Problem ist ja, dass wir alle ignorieren, wie gut Havertz ist. Dass wir lieber auf einen "eingespielten Bayern Block" setzen, auch wenn Havertz in einer Mannschaft spielt, in der Müller mittlerweile nicht mal mittrainieren dürfte. 

Das würde komplett anders aussehen, wäre Havertz zu den Bayern gegangen. Auch wenn er dann wahrscheinlich wegen der chronischen Unterforderung im Alltag ein schlechterer Fußballer wäre. Havertz hat genau das gemacht, was wir von unseren Stars immer fordern: Er ist den mutigen Schritt in die beste Liga der Welt gegangen und hat sich da (im Gegensatz zu einem Timo Werner) auch komplett durchgesetzt. Aber dass er dies geschafft hat, ignorieren wir einfach.

Und das ist ja, deswegen die Toni Kroos Referenz in der Überschrift, keine neue Entwicklung, sondern unser ganz normale Umgang mit den Legionären. Denn das, was ein Kroos bei Real Madrid geschafft hat, wurde hier auch nie wirklich anerkennt. Genau so erging es natürlich Mesut Özil. Das Ganze wurde hier schonmal von mir angerissen.

Es wurde jetzt das dritte Turnier in Folge vergeigt, weil die besten Spieler der Mannschaft für einen überalterten und im Nationalmannschaftstrikot seit 8 Jahren nur enttäuschenden Müller weichen mussten. Genau darauf lässt es sich am Ende herunterbrechen. Und so "wichtig" Müller als erster Verteidiger war: Am Ende hat man effektiv zu 10. angegriffen. Man kann es sich halt nicht leisten, mit einem derartigen Nullfaktor im Angriff zu spielen.

An der Stelle ist aber wieder das eigentliche Grundproblem, dass Sportjournalisten am Ende Verkäufer und keine Berichterstatter sind. Und sie verkaufen uns ihre eigene Relevanz. Deswegen können sie vorher nicht darauf hinweisen, dass Müller genaugenommen "nur" in der Bundesliga gut ist. Denn dann könnte man ja zu dem Schluss kommen, dass die Bundesliga gar nicht soo gut ist. Und damit würde man sich dann eingestehen, dass die eigene Arbeit gar nicht soo relevant ist. Da hält man lieber die Illusion aufrecht, dass Müller das schon richten wird, weil der ja so gut ist.

Und wenn Müller vielleicht doch auf die Bank muss, dann nur für Niclas Füllkrug, einen anderen Bundesligaspieler, der international noch gar keine Leistungsnachweise in der Vita hat. Den auf die Bank zu setzen, um einen Premiere League Profi zu bringen... auf diese Idee kommt keiner.

Ich habe in den Vorberichten vorgestern echt den Satz gehört, dass Müller ja nur ein Mal treffen muss, dann wird der Knoten schon platzen. Dass wir bei Turnieren seit dem Halbfinale 2014 darauf warten, dass dieser Knoten platzt. Also seit 17 Spielen. SIEBZEHN. Oder um es anders auszurücken: Müller stand seit dem 1:0 gegen Brasilien bei Turnieren 1473 Minuten (ohne Nachspielzeit) auf dem Platz, ohne ein Tor zu erzielen. Und ja, natürlich ist es ein wenig unfair die Minuten vom 7:1 und die 120 Minuten vom WM Finale mit einzurechnen, denn da war er ja noch ohne Zweifel Weltklasse und wichtig. Aber auch ohne diese beiden Spiele wären es immer noch deutlich über 1000 Minuten. Und nur der Vollständigkeit halber: Er kommt in dieser Zeit auf 2 Torvorlagen. Es durfte noch nie jemand über einen so langen Zeitraum einen derartigen Scheißdreck im Nationalmannschaftstrikot spielen... und er wird dafür noch nicht mal kritisiert.

An derselben Stelle wurde nebenbei gefragt, ob das Ausscheiden vor 4 Jahren vielleicht doch gut war, weil man daraus ja lernen konnte und Costa Rica nicht auf die leichte Schulter nimmt. Das waren die Dinge, die diskutiert worden sind. Nicht die Frage, warum Müllers Bilanz in den Turnieren so grausam ist.

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