1419. Der Fluch des Pharao

Der Fluch des Pharao

Ali stand auf dem Gehweg und sah mit großen Augen zu den noch viel größeren goldenen Buchstaben hinauf, die über dem Eingang angebracht waren. MUSEUM. Dort konnte man, wie ihm Papa vorher erklärt hatte, die Geschichte der Menschheit betrachten, die berühren und alles über sie erfahren. Hier sollten viele tausend Jahre unter einem Dach zu entdecken sein.
»Ist das so etwas wie eine Zeitmaschine und wir reisen damit von einem Jahr ins Nächste?«
Papa sah auf seine Armbanduhr, rechnete kurz nach. »Wenn wir uns dort drin 62 Tage und 14 Stunden aufhalten, reisen wir wirklich ins nächste Jahr.«
Alis Augen weiteten sich noch mehr. Er sah ebenfalls auf die Uhr, legte die Stirn in Falten und begann kurz darauf müde zu lachen. »Schon verstanden. Dann ist nämlich Neujahr. Toller Witz, Papa.«
Sie betraten das Museum. Schon in der Eingangshalle waren sie überwältigt. Dort stand das Skelett eines riesigen Tyrannosaurus Rex dessen Maul mit den messerscharfen Zähnen auf sie gerichtet war.
»Und das ist erst der Anfang.« Papa geriet richtig ins Schwärmen. »Ich hab in meiner Kindheit sehr viel Zeit hier verbracht. Ich bin immer wieder hergekommen, habe Stunden in den verschiedenen Ausstellungen verbracht und wollte unbedingt selbst Archäologe werden. Vielleicht hätte ich sogar bedeutende Entdeckungen gemacht.«
Die Beiden gingen von Raum zu Raum. Sie sahen die ersten, noch stark an Affen erinnernden Urmenschen, sahen sich die verschiedenen Steinzeitrassen mit ihren Werkzeugen an. Es folgten die Kupfer-, Bronze- und Eisenzeit bis sie irgendwann inmitten der ägyptischen Ausstellung standen.
»Man sagt den Pharaonen, wie die damaligen Herrscher genannt wurden, besondere Fähigkeiten nach. Sie hielten sich selbst für Götter und wurden mit vielen wertvollen Grabbeigaben bestattet. Wer in die Pyramiden eindrang, um diese zu stellen oder etwas zu zerstören, wurde angeblich mit einem Fluch belegt. Es sollen auch Grabräuber und Forscher kurze Zeit später unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen sein.«
Ali hielt den Atem an. Das klang nicht nur wahnsinnig interessant und spannend, es war auch irgendwie ganz schön gruselig. »Können wir bitte weitergehen? Ich habe hier kein gutes Gefühl.« Er drehte sich von einem großen Sarkophag weg, in dem vor mehreren tausend Jahren ein Pharao gelegen hatte und stieß dabei gegen einen kleinen Aufsteller, auf dem etwas geschrieben stand. Der Aufsteller fiel zu Boden, seine Glasabdeckung zersprang in einem lauten Klirren.
Ali lief ein Schauer über den Rücken. »Das kann nichts Gutes bedeuten. Ich will hier weg.« Er hob den Aufsteller hoch. »Komm, wir bringen den zur Kasse. Wir bezahlen den Schaden und verschwinden dann schnell nach Hause.«
Papa nickte und ließ sich von Ali zurück zum Eingang ziehen. Sie beichteten den kleinen Unfall, bekamen aber keinen Ärger. »Das Ding fällt mindestens zwei Mal in der Woche um.« Der Wachmann lachte. »Der Direktor stellt es trotzdem immer wieder auf.«
Ali atmete erleichtert auf. Der Fluch des Pharao hatte ihn wohl doch nicht ereilt. »Trotzdem möchte ich lieber nach Hause fahren. Sicher ist sicher. Ich gehe nur noch eben zur Toilette.«
Ali verschwand durch eine Tür. Nur wenige Augenblicke später war ein Poltern und ein Schrei zu hören, gefolgt von der wütenden Stimme des Hausmeisters.
Ali kam wankend in die Eingangshalle zurück. Er war von oben bis unten in Toilettenpapier eingewickelt. »Lass uns sofort von hier verschwinden, Papa. Der Fluch des Pharao hat mich doch erwischt. Ich bin gerade in einen Berg Klorollen gelaufen und sehe jetzt aus wie eine Mumie.«

(c) 2022, Marco Wittler

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