Weggesperrt und vergessen? – Der Maßregelvollzug, 23.11.2021

Weggesperrt und vergessen? – Der Maßregelvollzug, NDR-DOKU, 23.11.2021


Sabine Rückert (Stellvertretende Chefredakteurin der “Zeit”, ehemals Gerichtsreporterin): “Ich habe mich in meiner Arbeit häufig mit Psychiatern unterhalten,  die in Kliniken reinkamen als externe Gutachter. Die dann festgestellt haben, dass letztlich hier ein Willkürsystem herrscht. Das die Regeln nach denen sich jemand regeln muß jede Woche geändert werden. Dann zieht die Klinik eine neue Karte aus dem Ärmel: Jetzt gilt diese Regel und du hast schon dagegen verstoßen.
Je mehr man sich ansstrengt, umso weniger Glück hat man.
Das gilt nicht für alle Patienten und nicht für alle Kliniken. …Aber es gibt diese Kliniken und ich bin in solchen Kliniken auch schon gewesen. So stellt man sich die Hölle vor.”

Wir treffen uns mit einem Pfleger aus der Forensik. Er will anoym bleiben, aus Angst um seinen Job. Er findet, dass die Forensik ein gute Einrichtung sei aber es fehlen überprüfbare Standards. Dadurch hätte die Klinikleitung zu viel Macht.
NDR: “Heißt das dann der Klinkleiter ist der Allmächtige, der alles entscheiden kann und je nachdem wo ich hinkomme habe ich Glück oder Pech?”
Pfleger: “Das ist eine sehr zugespitzte Frage aber da steckt natürlich Wahrheit drin. Sie müssen wissen, die Patienten sind krank. Sie kennen nicht vollständig ihre Rechte. Ich glaube wenn die Patienten mehr Energie auf die Rechtswege geben könnten und würden: Da kämen dann krude Dinge zutage, die auch mit der Macht der Klinikleitung zu tun haben.”
NDR: “Was zum Beispiel?”
Pfleger:  “Anträge, die lange unüberprüft auf Schreibtischen liegen. Dieses starke Gefälle von denen, die behandeln und von denen die behandelt werden. Das ist nirgendwo stärker wie in der Forensik, glaube ich. Das hat Folgen.”
NDR: “Wir haben ganz oft von der Hoffnungslosigkeit von Patienten gehört.”
Pfleger: “Ja, im schlimmsten Fall werden die Patienten stiller. Ich bin kein Arzt. Ich würde sagen sie werden depressiver. Wenn Sie sich angestrengt haben und müssen mehrmals hintereinander erfahren, und dann sind die Zeiträume Jahre, dass das was sie als Anstrengung empfinden, woanders ganz anders bewertet wird. Dann ist klar wie doll das frustrieren kann. Das da jemand Hoffnung verliert ist Teil des Systems.
Ich weiß dafür keine Lösung, ich weiß die nicht.”

Patient: “In Straubing ich weiß keine genaue Zahl aber ich würde sagen in meinen acht Jahren dort, haben sich an die zehn Patienten umgebracht, wenn nicht noch mehr.”

Das bayerische Familienministerium bestätigt uns, dass sich in der Zeit zwölf Menschen das Leben genommen haben.

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