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Im Jahre 1956 fuhr die letzte Bahn durchs Morsbachtal

Eine Karte und ein Erbpachtvertrag aus dem Jahr 1369 belegt, dass unser Ur--Remscheid zu dieser Zeit noch "Der Hohewald" benannt wurde. Dieser "Hohewald" hatte seine natürlichen Grenzen zwischen Unterburg und Müngsten diesseits der Wupper, dann diesseits des Morsbaches von Müngsten bis Haddenbach, weiter diesseits des Mückenbachs über Menninghausen quer runter zum Eschbach in Höhe Wellershaus-Preyersmühle, um dann entlang des Eschbachs in Unterburg den Grenzkreis zu schließen. Der Hohewald läßt sich eindeutig erkennen zwischen Küppelstein über Morsbach zum Büchel und entlang des Eschbachs.

Karl der Große veranlaßte schließlich die Bildung der steuerrechtlichen Honschaften, zu denen auch Remscheid im 14. Jhdt. gehörte, nach folgendem Schema: Die Erkunder fuhren auf den Hauptflüssen zu den Nebenläufen, um dann, wenn es nicht mehr weiterging, zu Fuß bis zu den entlegensten Quellen zu gelangen. Sie verständigten sich durch Zurufe und Hornsignale miteinander und an den Grenzpunkten, welche die Quellen darstellten, wurden Markierungen gemacht. So wurde von Quell zu Quell verfahren und man bahnte sich mühselig den Weg durch das Dickicht. Mit ihren Äxten und Waldhämmern schlugen sie Zeichen in sogenannte "Laakbäume". Diese Bäume waren nun wichtige Grenzmale und standen unter Königsschutz.

Da es in dieser Zeit noch nicht diesen Holzraubbau zum Erschmelzen von Roheisen gab, geschweige denn viel Holzkohle zum Schmieden gebraucht wurde, kann man davon ausgehen, dass der "Hohewald" gewissermaßen ein Urwald war, der ohne Wege schwer zugänglich erschien. Die Hofschaft Morsbach ist zweifellos älter als 630 Jahre, aber der erste Nachweis ist der genannte Erbpachtvertrag von 1369. (Im Remscheider Lagerbuch von 1675 sind die alten Grenzen nachzuweisen. Das Gebiet rechts des Mückenbachs war der Honschaft Hohenhagen zugeteilt und ist übrigens erst 1893 mit Remscheid vereinigt worden, man lese und staune.)

Der Remscheider "Hohewald" diente den bergischen Landesherren stets als Jagdrevier, so dass die Besiedelung des Remscheider Kegels und der waldreichen Außengebiete verhältnismäßig spät erfolgte. Natürlich tat die industrielle Entwicklung ihr Übriges hinzu. Urkunden aus dem 16. und 17. Jahrhundert belegen, dass die bergischen Herzöge, auch nachdem sie ihren Wohnsitz von Schloß Burg nach Düsseldorf verlegt hatten, nur zögernd weiteren Rodungen ihre Zustimmung gaben. Diese Rodungen waren aber im Laufe der industriellen Entwicklung nicht mehr aufzuhalten, denn der Morsbacher Schmied (und seine Kollegen...) benötigte nun mal Holzkohle zum Schmieden.

Inzwischen war aber die Erzgewinnung im Schimmmelbusch und Reinshagener Busch durch besseres Erz aus dem Siegerland ersetzt worden. Außerdem bekam man aus dem Siegerland fertige Eisenluppen geliefert, die man nur noch ausschmieden brauchte. Über die bergische Eisenstraße, die aus dem Siegerland über Engelsburg zu den Hämmern führte, ist aus dem Jahre 1791 eine Denkschrift Remscheider Kaufleute erhalten, die besagt, dass der Verbrauch für 94 Reckhämmer bei 7.385 Karren (davon ein Sechstel Eisen und fünf Sechstel Stahl) lag und 3.265 Karren Osemundeisen für 37 Breithämmer herbeigeschafft wurden. Das macht in jenem Jahr 12.150 Karren á 1.000 Pfund Eisen oder Stahl, die zur Weiterverarbeitung nach Remscheid gekarrt wurden; hinzu kamen die Kohlenkarren.

In der Kaufmannsdenkschrift ist aber auch die Menge der verbrauchten Kohlen aufgeführt, die von der Remscheider Industrie im gleichen Zeitraum gebraucht wurde: Für die 94 Remscheider Reckhämmer benötigte man 103.400 Eimer, für 37 Breithämmer 45.713 Eimer und für sechs Amboßschmieden wurden noch mal 9.000 Eimer benötigt. Die Remscheider Werkzeugfabriken und Kleinschmieden brauchten weitere 130.000 Eimer. So kamen also 288.113 Steinkohlen als zusammen. Sie wurde weitestgehend aus dem Märkischen Raum angeliefert.

Die Morsbacher bekamen fast alle Kohlen über die Barmer Kohlenstraße angeliefert, die über Halbach, Ronsdorf, Langerfeld, Haßlinghausen, Hiddinghausen führte. So entstanden die tief eingefahrenen Hohlwege, die rund um Remscheid in allen Wäldern noch gut zu erkennen sind. Bereits 1816 berieten die Kreiskommissare die Straßenplanungen rund um Remscheid. Hierbei wurde erstmalig festgelegt, dass "durch das mit den wichtigsten Gewerken angefüllte Mors-bachtal" eine Kohlenstraße von Clarenbach über Gerstau nach Müngsten und weiter nach Solingen gebaut werden müsse. Die Schwierigkeiten des Straßenbaues zogen sich im Bereich des Morsbacher Hofes bis in die 1950-er Jahre hin.

Die Morsbacher hatten ja ab 1900 eine wesentliche Erleichterung in der Ronsdorf-Müngstener-Eisenbahn bekommen, welche den Transport der Kohlen und der Ware fast komplett übernommen hatte. (…) Die Ronsdorf-Müngstener-Eisenbahn nahm den Betrieb 1891 im Morsbachtal auf. Aus der Chronik der R-M-E- ist zu sehen, daß das Ziel Müngsten schnell zu einem Renner wurde. Bis 1903 wurde noch mit romantischem Dampf gefahren. Als jedoch die Barmer Bergbahn die R-M-E schluckte, begann sie auch gleich mit der Elektrifizierung der Morsbachtalstrecke. Um diese Zeit wurde auch der Kirschbaumskotten an der Wupper abgerissen und ein Elektrizitätswerk errichtet, um das Tal und auch die Eisenbahn mit Strom zu versorgen. Heute zeugt noch eine alte metallene Bogenbrücke über die Wupper davon, daß der Betrieb der Barmer Bergbahn bis nach Solingen existierte. Die alte Trasse ist auch noch im Jahre 2000 deutlich erkennbar.

Die Solinger Verbindung stellte nur eine relativ kurze Episode dar. Sie ging sie ab 1908 über Grunenburg/Wupper, Eulswag zur Krahenhöhe über die besagte Trasse. Selbst das Elektrizitätswerk hatte einen eigenen Anschluß bekommen. 1917 wurde diese Strecke allerdings wegen Unrentabilität wieder geschlossen und die Schienen wurden wieder abgebaut. Da der Personenverkehr infolge Kriegswirren auch drastisch abnahm, wurde er ebenfalls 1917 bedingt eingestellt. Es ging nur noch sonn- und feiertags ein Personenzug im Abstand von 80 Minuten, ansonsten nur der Güterzug (der „Müter“).  Die im Volksmund auch "das Bügeleisen" genannte E-Lok zog mehrere Güterwagen und beförderte die Güter der an der Morsbachtalstraße gelegenen Firmen zum Ronsdorfer Bahnhof. Diese Bahnlinie endete praktisch im Hof der Firma F.A. Schmidt, denn dort befand sich eine Wendeanlage.

Da die Strecke Morsbach - Müngsten im Krieg stark beschädigt wurde, legte man diese Strecke unterhalb der Ortschaft Morsbach still. Der Abbau ging 1953 weiter, indem die Strecke Gründerhammer - Morsbach geschlossen wurde. 1956 war dann der Rest dran: Nachdem die letzte Straßenbahn blumengeschmückt durch das Morsbachtal nach Müngsten gefahren war, kehrte eine bedrückende Ruhe in das idyllische Tal ein. (Aus „Die Morsbach, Hämmer- und Kottenforschung in Remscheid“ von Günther Schmidt, einem 1999 erschienenen Bildband zum 630-jährigen Bestehen einer der ältesten Remscheider Hofschaften, und Band II. )

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Kommentare

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Christel vom Hoff am :

Diese Güterbahn habe ich noch hautnah erlebt, da ich im Jahre 1951 meine Lehre in der Hasteraue begann.

Klaus Schmidt am :

Auch ich habe diese Güterbahn sehr gut gekannt, denn ich habe von 1944 bis 1958 in der Clarenbach gewohnt. Nun noch eine, von heute aus betrachtet, lustige Geschichte. Es war so etwa 1946-47, ich war also so 11-12 Jahre alt. Da stellte die Straßenbahn von Ronsdorf zur Schönen Aussicht vielfach ihre Anhänger in der Clarenbach am Güterbahnhof ab, um der lästigen Rangiererei an der Schönen Aussicht zu entgehen. Dabei hatte ich entdeckt, dass die Anhänger nur durch die Handbremse gesichert wurden. Heute unvorstellbar. Ich bin also auf den Anhänger gestiegen und habe die Handbremse gelöst. Bei dem leichten Gefälle der Strecke setzte sich der Anhänger langsam in Bewegung. Die natürlichste Sache wäre gewesen, die Handbremse wieder anzuziehen. Auf diese Idee bin ich nicht gekommen, sondern ich bin von dem Anhänger heruntergesprungen und habe ihn seinem Schicksal überlassen. Der Anhänger ist also führerlos weiter bis zur Gerstau gefahren, wo der leichte Anstieg der Strecke ihn abgebremst hat. Ich und meine Eltern haben glücklicherweise nie etwas von den Folgen gehört, aber andererseits sagt dies auch etwas über den praktisch nicht existierenden Verkehr zu dieser Zeit aus. Aber was hätte nicht alles passieren können. Jugendlicher Leichtsinn!

Andreas Zell am :

Die alte Bogenbrücke über die Wupper ist mittlerweile eingestürzt und entfernt worden. http://blog.tetti.de/de/category/nodetags/rme

Klaus Walter Schönbeck am :

In dem Artikel ist vom Kirschbaumskotten an der Wupper die Rede. Nach meinen Unterlagen müsste es sich aber um den Kirschbergerkotten handeln. Es hat einen Kirschbaumskotten am Bertramsmühler Bach und einen anderen am Weinsberger Bach (der umbenannt wurde) gegeben.

Michael Tettinger am :

Kirschbaumskotten an der Wupper ist falsch; wie Herr Schönbeck schon angemerkt hat, Kirschberger Kotten wäre korrekt. http://www.tetti.de/SOLINGEN/KIRSCHBERGERKOTTEN/index.html

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