Rezension

Die Himmelskugel | Olli Jalonen

15. April 2021
Die Himmelskugel

Inhalt

1679: Der achtjährige Angus von der Totholzebene lebt auf der Insel St. Helena, die mitten im Atlantik liegt. Dort übernimmt er kleine Aufgaben für den Sternenforscher Edmond Halley. Er möchte selbst einmal Wissenschaftler werden und so nimmt er seinen Auftrag, täglich Vögel zu zählen und nachts die Position der Sterne zu markieren, mit großem Eifer wahr. Auch noch, als Halley längst wieder nach London heimgekehrt ist. Doch die Zeiten ändern sich unter dem tyrannischen Gouverneur, es kommt zu Ausschreitungen und schweren Bestrafungen, Bespitzelungen liegen an der Tagesordnung. Es bleibt nur ein Ausweg, um die Missstände publik werden zu lassen: Angus wird als blinder Passagier an Bord eines Schiffes nach London zu Mr. Halley geschickt, um ihm zu berichten und um Hilfe zu ersuchen.

Erster Satz

Ich, Angus von der Totholzebene, sitze fast regungslos in einer Astgabel der Araukarie und sehe nach oben zu den Kohlbaumbergen hinauf und nach unten über die Rupertschlucht hinweg auf die zerklüfteten Uferfelsen und den Kragen der im Nirgendwo endenden offenen See.

Eigene Meinung

Dieser außergewöhnliche Roman wird aus der Sicht von Angus erzählt, einem intelligenten, wissbegierigen, aufgeweckten und liebenswerten Jungen. Die Geschichte wird getragen von Angus, man taucht ein in seine Welt, in seine Gedanken, seine Zielstrebigkeit, man spürt seine absolute Aufrichtigkeit, seinen Eifer und erlebt alles hautnah mit. Zu Beginn ist er etwa acht Jahre alt und berichtet ohne Wertung, was um ihn herum geschieht. In seinem kindlichen Verständnis ereignen sich die Dinge einfach, es ist so wie es ist. Mit zunehmendem Alter wandelt sich diese Sichtweise, er hinterfragt mehr und zieht eigene Schlüsse. Gerade diese Weiterentwicklung fand ich großartig geschildert. Durch die Art des Schreibens aus der Sicht eines Kindes kommen die gesellschaftlichen Unterschiede und Ungerechtigkeiten noch eindringlicher zur Geltung, es wird zum Teil nur angedeutet und so kann man sich den Rest selbst vorstellen. Genau das wirkt viel bedrückender und eindringlicher, als das Geschehen direkt zu benennen.

Gerade durch den klaren, ruhigen, pointierten und bildgewaltigen Schreibstil ist man von Beginn an auf der Insel dabei, man beobachtet etwa mit Angus hoch oben zwischen den Zweigen des Araukariebaumes die verschiedenen vorüberziehenden Vogelarten und nachts den funkelnden Sternenhimmel, später begleitet man ihn dann nach London. Der Alltag und das Leben auf St. Helena, auf dem Schiff sowie in London erschließen sich von Seite zu Seite immer deutlicher. Dabei sind die einzelnen Figuren so genau und plastisch skizziert, alles wirkte lebendig und authentisch.

Die Lebensbedingungen im 17. Jahrhundert, der meilenweite Graben zwischen Arm und Reich, werden detailliert geschildert. Ehrlich und ohne etwas zu beschönigen oder im Nachhinein zu glorifizieren. Es ist eine Zeit des Umbruchs, die Wissenschaft gewinnt immer mehr an Einfluss. So erfährt man sehr ausführlich über den Beginn der wissenschaftlichen Forschungen und ihrer Experimente. Hier benötigt man schon eine ruhige Leseecke, um ungestört diese Passagen wirken zu lassen.

Der Roman ist wirklich lesenswert und insgesamt so fesselnd, dass man auch über einige Längen, gerade im zweiten Teil während sich Angus in London befindet, hinwegsehen kann. Es hat mir große Freude bereitet, Angus ein Stück seines Lebensweges zu begleiten, eines Weges, der zeigt, dass Träume wahr werden können, wenn man den Mut behält.


DIE HIMMELSKUGEL

Autor: Olli Jalonen
Originaltitel: Taivaanpallo
Übersetzung: Stefan Moster
Seitenzahl: 544
Erschienen: 16.02.2021
Verlag: mare
ISBN: 978-3-86648-609-6
Preis: 26,00 €


Herzlichen Dank an den mare Verlag für die freundliche Bereitstellung des Rezensionsexemplars!

Zwerghuhn

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