Das Thema
Bereits im Dezember 2020 hatte das BMJV einen Referentenentwurf für eine Gesetzesänderung zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs vorgelegt („Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften“), mit dem die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten für alle Beteiligten ausgebaut werden soll. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs war die Einführung eines besonderen elektronischen Bürger- und Organisationenpostfachs („eBO“), welches kostenfrei etwa von Bürgerinnen und Bürger genutzt werden kann und den schriftformbasierten Versand elektronischer Dokumente an die Gerichte ersetzen soll.
Aus diesem Referentenentwurf ist nunmehr ein Regierungsentwurf geworden, der unter anderem eine kleine aber bedeutende Änderung im Zusammenhang mit den technischen Anforderungen an elektronisch bei Gericht eingereichte Dokumente enthält.
Was genau ist geplant?
Die Einreichung von Schriftsätzen in elektronischer Form durch Rechtsanwälte wird bei deutschen Gerichten immer mehr zum Standard, in der Arbeitsgerichtsbarkeit von Schleswig-Holstein und neuerdings auch der von Bremen ist eine elektronische Einreichung durch die Anwaltschaft sogar schon verpflichtend.
Welche technischen Anforderungen an die Dokumente gestellt werden regelt bundesweit die Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung („ERVV“). Eine entsprechende Ermächtigung findet sich für die Arbeitsgerichtsbarkeit seit dem 1.1.2018 in § 46c Abs. 2 ArbGG. Nach § 2 ERVV muss das Dokument „in druckbarer, kopierbarer und, soweit technisch möglich, durchsuchbarer Form“ bei den Gerichten eingereicht werden.
Der nunmehr seit dem 10.02.2021 vorliegende Regierungsentwurf sieht vor, dass genau diese Anforderung aus der ERVV ersatzlos gestrichen wird. Künftig soll es also ausreichend sein, wenn ein Schriftsatz lediglich im Format PDF dem Gericht übermittelt wird, ohne dass die Datei weitere Anforderungen erfüllen muss.
Darüber hinaus „soll“ das elektronische Dokument künftig nur noch den in § 5 ERVV und der Bekanntmachung hierzu (Elektronischer-Rechtsverkehr-Bekanntmachung 2019 – ERVB 2019) entsprechen. Das Gericht muss das eingereichte Dokument daher schon dann zulassen, wenn die tatsächliche Eignung zur Bearbeitung sichergestellt ist, auch wenn die weiteren technischen Standards nicht eingehalten sind.
Wie sind die Änderungen zu bewerten?
Der Gesetzgeber beabsichtigt zum einen, die derzeit sehr hohen technischen Anforderungen an elektronisch eingereichte Dokumente abzusenken. Dies ist im Prinzip zu begrüßen, denn warum eine Datei für ihre Wirksamkeit zwingend „durchsuchbar“ sein muss und darüber hinaus alle für die Darstellung des Dokuments notwendigen Inhalte in der Datei enthalten sein müssen („Einbettung von Schriftarten“), ist für viele Nutzer kaum nachvollziehbar und auch rechtlich durchaus diskutabel.
Sollte der Regierungsentwurf in dieser Form also verabschiedet werden, wird dies in der Praxis zu deutlich weniger Einreichungsfehler führen und damit hoffentlich auch zu einer höheren Akzeptanz des elektronischen Rechtsverkehrs unter allen Verfahrensbeteiligten führen. Ganz nebenbei werden hierdurch auch die Arbeitsgerichte entlastet, die derzeit noch manuell jeden elektronischen Eingang auf die Einhaltung der technischen Anforderungen überprüfen müssen.
Auch die im Regierungsentwurf geplante Klarstellung, dass die Vorschriften zum elektronischen Rechtsverkehr – selbstverständlich – auch für das arbeitsgerichtliche Berufungs-, Revisions- und Beschlussverfahren gelten, war überfällig und ist zu begrüßen. Andererseits besteht durch die Aufhebung der einheitlichen technischen Anforderungen die Gefahr, dass elektronische Dokumente künftig in jedem Verfahren mit unterschiedlichen technischen Standards eingereicht werden. Die Öffnung der Justiz für elektronische Eingänge ist zwar dringend erforderlich, sollte aber nicht auf Kosten (bundes-) einheitlicher Standards gehen.
Digitalisierung in der Justiz: Land in Sicht oder Fata Morgana?
Sollten die aktuellen Änderungen und Ergänzungen Bestand haben, wird künftig nicht nur der Nutzerkreis des elektronischen Rechtsverkehrs erheblich erweitert, sondern die technischen Anforderungen an die elektronischen Schriftsätze werden spürbar gesenkt.
Ob und mit welchen Änderungen der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der zunächst zur Stellungnahme an den Bundesrat geht, bevor er als Entwurf in den Bundestag eingebracht wird, aber verabschiedet wird, ist noch unklar. Erst in ein paar Wochen werden wir also mit Sicherheit wissen, ob tatsächlich Land in Sicht ist oder sich die erhofften Digitalisierungs-Fortschritte in der Justiz als Fata Morgana erweisen.