Das Thema
Darf der Arbeitgeber Corona-Tests anordnen? Und was passiert, wenn der Arbeitnehmer sich diesen verweigert? Kann der Arbeitnehmer mit Verweis auf einen bestehenden Impfschutz einen Schnelltest verweigern?
Bei den Symptome Husten, Fieber, Schnupfen, Atembeschwerden oder Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns darf der Arbeitgeber einen Corona-Test anordnen. Verweigert der Arbeitnehmer den Test, muss der Arbeitgeber die Arbeitsleistung nicht annehmen und keine Vergütung zahlen. Auch zu einer Entgeltfortzahlung „auf Verdacht“ ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet.
Per se ist der Arbeitgeber hingegen nicht zur Durchführung von Schnelltests berechtigt. Ausnahmen gelten für Arbeitsplätze mit engem Personenkontakt, insbesondere ärztliche und pflegerische Aufgaben, aber auch – sobald wieder zulässig – Massage- oder Friseurdienstleistungen.
Solange nicht geklärt ist, ob geimpfte Personen das Virus übertragen können, kann der Arbeitnehmer seinen Impfschutz dem berechtigten Verlangen des Arbeitgebers nach einem Schnelltest nicht entgegenhalten.
Schnelltests bei Erkältungssymptomen
Hat der Arbeitnehmer coronatypische Erkältungssymptome (Husten, Fieber, Schnupfen, Atembeschwerden oder Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns, vgl. RKI-Homepage), kann der Arbeitgeber über sein Weisungsrecht (§ 106 GewO) die Durchführung eines Schnelltests anordnen. Das gilt jedenfalls dann, wenn eine Beschäftigung des Arbeitnehmers ohne Kontakt zu Dritten – etwa im Homeoffice – ausscheidet. (Zur Frage des Fiebermessens hier.)
Dagegen spricht nicht das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, denn die Interessen des Arbeitgebers (Schutz der Belegschaft vor Infektion, Verhinderung von behördlicher Betriebsschließung) überwiegen dieses. Das Interesse des Arbeitnehmers, nicht durch einen ca. 30-sekündigen ggf. körperlich unangenehmen Test eingeschränkt zu werden, muss zurücktreten. Datenschutzrechtliche Bedenken bestehen nicht, denn Gesundheitsdaten dürfen – soweit erforderlich – im Arbeitsverhältnis verarbeitet werden (§ 26 Abs. 3 BDSG).
Das BAG (Urteil vom 12. August 1999, 2 AZR 55/99) erkennt an, dass Arbeitgeber Alkohol- und Drogentest am Arbeitsplatz einseitig anordnen dürfen, wenn begründete (konkrete) Zweifel an der gesundheitlichen Tauglichkeit des Arbeitnehmers bestehen. Angesichts des hohen Infektionsrisikos und der schwerwiegenden Folgen eines betrieblichen Infektionsgeschehens reichen für die Durchführung von Corona-Schnelltests die einschlägigen Symptome als begründende Zweifel. Solche Schnelltests sind darüber hinaus mit einem geringeren Eingriff in die körperliche Unversehrtheit verbunden, als Bluttest und eine Erkrankung ist – anders als bei Erkrankungen durch Alkohol- und vor allem Drogenkonsum – nicht gesellschaftlich stigmatisiert.
Was passiert bei einer Weigerung des Arbeitnehmers?
Der Arbeitnehmer, der trotz Erkältungssymptomen die Durchführung eines Schnelltests verweigert, verstößt gegen eine rechtmäßige Arbeitgeberweisung. Er bietet seine Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß an. Der Arbeitgeber muss die Arbeitsleistung nicht annehmen und daher keine Vergütung, auch nicht in Form eines Annahmeverzugslohns, zahlen.
Das BMAS gibt im SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard vom 16. April 2020 unter Nr. II.13 noch die Empfehlung ab, bei Symptomen „von einer Arbeitsunfähigkeit des Beschäftigen auszugehen“, bis „eine ärztliche Abklärung des Verdachts erfolgt ist“. Diese Einschätzung war schon im April 2020 zweifelhaft, denn eine „Arbeitsunfähigkeit auf/bei Verdacht“ kennt das Entgeltfortzahlungsgesetz nicht.
Auch besteht kein Grund, dem Arbeitgeber das wirtschaftliche Risiko der Prüfung zuzuweisen, ob der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist oder nicht. Spätestens mit der flächendeckenden Verfügbarkeit von Schnelltests hat sich die Einschätzung des BMAS jedenfalls überholt. Krankheitssymptome allein begründen noch keine Arbeitsunfähigkeit und führen daher auch nicht automatisch zur Entgeltfortzahlung.
Erkältungssymptome am Arbeitsplatz
Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel enthalten Bestimmungen, wie mit Erkältungssymptomen von Arbeitnehmern umzugehen ist. Nach Nr. 4.2.11 haben Arbeitnehmer mit Verdacht einer Infektion der Arbeitsstätte fernzubleiben. Etwas unscharf heißt es dort, ein solcher Verdacht könne sich „insbesondere durch Fieber, Husten und Atemnot“ ergeben. „Leichte Erkältungssymptome“ hält der zuständige Gruppenleiter der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin in einer gemeinsamen Publikation mit einem Vertreter des BMAS für ausreichend (vgl. Jäckel/Köchling, Pandemie und betrieblicher Arbeitsschutz – Eine Zwischenbilanz, in: ARP 2020, 197, 198).
Bei der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel handelt es sich – wie auch beim SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard – um technische Regelungen des Arbeitsschutzes. Sie verpflichten, anders als Gesetze und Rechtsverordnungen, den Arbeitgeber nicht unmittelbar. Vielmehr dienen sie als Hilfestellung und Empfehlung, wie er seine gesetzlichen Schutzpflichten nach dem Arbeitsschutzgesetz erfüllen kann.
Mit der Durchführung von Corona-Schnelltests bei Erkältungssymptomen steht dem Arbeitgeber eine alternative Möglichkeit offen, den Anforderungen des Arbeitsschutzes zu genügen. Ohne vorherigen negativen Test, sollte der Arbeitgeber Arbeitnehmer mit Erkältungssymptomen grundsätzlich nicht außerhalb der häuslichen Arbeitsstätte beschäftigen. Entscheidet er sich dennoch dafür, den Arbeitnehmer tätig werden zu lassen, muss der Arbeitgeber nicht nur sicherstellen, dass kein unmittelbarer Kontakt mit Dritten besteht. Auch eine Infektion durch mittelbaren Kontakt (ungelüftete Räume, gemeinsam genutzte Werkzeuge oder Flächen) sollte der Arbeitgeber ausschließen können.
Anlasslose Schnelltests
Anlasslos darf der Arbeitgeber einen Schnelltest nur ausnahmsweise verlangen.
Ausnahmen gelten bei Tätigkeiten, bei denen für Dritte ein hohes Infektionsrisiko besteht, das durch Hygienekonzepte nicht signifikant reduziert werden kann. Das betrifft Tätigkeiten mit engem Personenkontakt, wie z.B. ärztliche oder pflegerische Aufgaben, Massage- oder Friseurdienstleistungen.
Gegen verdachtsunabhängige Corona-Tests bei besonderen Arbeitnehmergruppen spricht auch nicht die Rechtsprechung des BAG, wonach der Arbeitgeber keine routinemäßigen, sondern nur anlassbezogene Blutuntersuchungen zur Klärung von Alkohol- und Drogenabhängigkeit durchführen darf (Urteil vom 12. August 1999, 2 AZR 55/99). Angesichts der erheblichen Infektionsgefahr bei körpernahen Tätigkeiten und des grassierenden Infektionsgeschehens, überwiegt auch in solchen Fällen das Testinteresse des Arbeitgebers.
Schnelltest nach erfolgter Impfung?
Derzeit ist noch ungeklärt, ob bzw. in welchem Maße geimpfte Personen das Virus übertragen können (Quelle: Homepage des RKI). Daher können Arbeitnehmer gegen ein zulässiges Verlangen des Arbeitgebers, einen Schnelltest durchzuführen, nicht einwenden, sie seien bereits gegen das Virus geimpft.
Sobald feststeht, dass eine Impfung die Übertragung des Virus verhindert, kann der Arbeitgeber die Annahme der Arbeitstätigkeit alternativ von einem Impfnachweis abhängig machen, wenn er berechtigt wäre, einen Schnelltest durchzuführen. Solange das Mantra „Es darf keinen Impfzwang geben“ gilt, bedeutet das andererseits aber auch, dass der Arbeitgeber einen Impfnachweis nicht anlasslos verlangen darf.
Mitbestimmung des Betriebsrats
Vor der Durchführung von kollektiven Schnelltests – seien sie freiwillig oder verpflichtend – muss der Arbeitgeber den Betriebsrat beteiligen. Schnelltests betreffen sowohl die Fragen der Ordnung des Betriebs, als auch den betrieblichen Gesundheitsschutz (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 BetrVG) und begründen daher Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats.
Der Arbeitgeber sollte mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarungen zu Corona-Schnelltests abschließen, die die notwendigen Details (Durchführungsbestimmungen, Umgang mit Daten, Beschwerdemöglichkeiten etc.) regelt.
*Mit freundlicher Unterstützung von Severin Pretzel, Rechtsreferendar bei Hogan Lovells International LLP.