Samstag, 16. Januar 2021

Mack, Stephen: Es musste getan werden

 

Die Navajo Code Sprecher erinnern sich an den Zweiten Weltkrieg. Ihre Geschichten - Ihre Worte - Ihr Vermächtnis

* * *

Filmszene: Ein Corporal der US-Marines steht vor einem Major und erhält einen Befehl. Er soll einen Navajo Code Talker erstens beschützen und zweitens töten, wenn er in japanische Gefangenschaft geraten sollte. Diese wären ganz versessen auf den Code, der sich anhört als „sprächen die plötzlich unter Wasser“. [1]

WINDTALKER (2002) war kein sehr guter Kriegsfilm. Erstens weil es solche Befehle wohl nicht gab und zweitens, weil die Windtalker, abgeleitet von „die mit dem Wind sprechen“ vermutlich nicht mit einem Sergeant als Bewacher in vorderster Linie kämpften und eher den Befehlshabern der Platoons zugeteilt waren. Dreihundertfünfundneunzig Code Talkers nennt das vorliegende Buch. 

Warum ich den Film erwähne? Es war das erste Mal, dass ich von den Code-Sprechern hörte und der Bedeutung der „unverständlichen“ Navajo-Sprache, die kein Gegner entschlüsseln konnte.


Im Jahr 2020 verlegte der hier schon mehrfach erwähnte Traumfängerverlag ein Buch mit dem Titel ES MUSSTE GETAN WERDEN. In diesem Buch von Stephen Mack, Mitglied der Tohono O´odham Nation, erinnern sich die Navajo Code Sprecher an den zweiten Weltkrieg. Ich denke, es wurde Zeit, denn viele gibt es nicht mehr.

Das Volk der Diné war groß genug, dass es eine genügende Anzahl Männer stellen konnte, die diese Aufgabe erledigten. Außerdem, dass erzählen die Navajos nicht, ist der Grund für die Wahl dieser Sprache auch der, dass deutsche Forscher im Laufe der Jahrzehnte nicht zu ihnen vordrangen und daher tatsächlich keine Kenntnisse zu dieser, bisher nicht verschriftlichten Sprache, beim Gegner vorhanden waren. [2]

Acht Navajos erzählen zuerst von ihrer Kindheit in der Reservation und der Schulzeit. Sie leben in der Gegend des Monument Valley, in Arizona. Wie auch bei anderen indigenen Völkern war den Indianerkindern verboten, in der Sprache ihres Volkes zu sprechen. Es klingt schon seltsam, wenn nun, in einem Krieg der USA, in der man „den Indianer töten muss muss, um einen Amerikaner aus ihm zu machen“ [3] der Staat sich nun deren Sprache bedient. Die Navajos berichten weiter von der Rekrutierung und Ausbildung, vom Kampf, von Iwo Jima und dem Leben nach dem Krieg. 




Bis 1968 wurde der Code geheimgehalten, in diesem Buch ist er nun abgedruckt.

Die Berichte wirken anders, als bekannte Kriegsberichte. Man hat das Gefühl, dass die Menschen etwas anders denken. Wenn einer sagt, etwas bei den US-Marines wäre hart gewesen, dann scheint es gleichzeitig nicht so zu sein. Sie scheinen den Drill, vielleicht anders als weiße Soldaten,  als notwendig weggesteckt zu haben. Als ob die Krieger in ihnen neu erwachen.

„Die mit den Wind sprechen“ erklärten, dass sie ihr Land, die Reservation, die in den Vereinigten Staaten von Amerika liegt, verteidigen müssen. Sie sahen, sie sehen sich als Amerikaner unter Amerikanern und dass sie es den Weißen gleichtun können. Nach der Rückkehr aus dem Krieg merken sie, dass sie für alle Amerikaner gekämpft haben. (Samuel Tso)

Keith Little erklärt: „Deshalb musstes es getan werden, um unser Land zu schützen. In diesem Sinne waren wir alle Patrioten, und treu gegenüber unserem Land – unserem Heimatland gegenüber. Versteht ihr? Deshalb.Wir hinterfragen das nicht kritisch. Falls jemand das Land angreift, um die Vereinigten Staaten von Amerika zu erobern, können sie verdammt sicher sein, dass die Navajos zur Stelle sein werden.“ (Seite 105)

Jahrzehnte später werden sie ausgezeichnet. Die neunundzwanzig Navajos, die den Code entwickelten, erhalten die Goldmedaille des US-Kongresses, alle weiteren die in Silber. Dies veranlasste Präsident Bill Clinton im Jahr 2000, nachdem Ronald Reagen ihnen 1982 eine Anerkennungurkunde verlieh. Präsident George W. Bush vollendete die Übergabe an  die Code Talker. Auch vor Präsident Trump erschienen 2017 noch einige Überlebende. Ob der allerdings deren Taten zu würdigen wusste, ist fragwürdig, bezeichnete er doch alle Ureinwohner einmal als „Pocahontas“. Die Dinge erwähnt die Übersetzerin Ursula Maria Ewald in ihrer Einführung zum Buch.[4]

Wir lesen wieder einmal von einem Beispiel für das zerrissene Amerika, die USA. Bis in die fünfziger / sechziger Jahre galt in einigen Bundesstaaten die Rassentrennung in Bussen und Restaurants gegenüber den schwarzen Amerikanern. Die Indianer vieler Völker lebten lebten damals und auch heute oft in großer Armut auf den Reservationen. Die einen durften nicht auf weiße Schulen, die anderen auf den Indianerschulen ihre eigene Sprache nicht sprechen. In den Kriegen durften sie aber Gesundheit und Leben lassen. 

Zeigen Bilder, in denen zum Beispiel der Commandant des USMC und dessen schwarzer Sergeant.Major dem Windtalker Samuel T. Holiday während einer Gedenkveranstaltung auf Iwo Jima die Hand schütteln, oder wenn der japanische Militärattache eine Gruppe der Navajos aus Anlass des 65. Jahrestages dieser mörderischen Schlacht um diese Insel begrüßt, dass man Hoffnung haben darf, die oben angedeuteten Verhältnisse könnten sich verbessern?



Sachbücher über die indigenen Völker Nord- und Südamerikas bleiben notwendig, nicht nur, um deren Geschichte zu erzählen, sondern immer noch, um auf ihre Lebensumstände hinzuweisen.

Ein interessantes Buch, in dem es vordergründig nicht um militärische Planungen und Operationen, in denen die Verschlüsselung von Nachrichten einen nicht unerheblichen Anteil hatte,geht,  sondern um die Erlebnisse der Privats geht, die dies umsetzen mussten. Die Art und Weise, in der Keith Little, Samuel Tso, Kee Etsicitty, Jack Jones, Alfred Newman, Chester Nez, Alfred Peaches und Bill Toledo berichten, unterscheiden sich durchaus von Kriegsberichten weißer GI´s oder europäischer Soldaten. Sie sprechen von sich, ihrer Aufgabe, ohne den „Heroismus“, der in vielen amerikanischen Kriegsfilmen heraus gestellt wird. WINDTALKERS macht da keine Ausnahme. Die Szene, in der Nicolas Cage zu Adam Beach sagt, dass es absurd ist, dass die Militärs die Sprache benötigen, während sie in Schulen verboten wird, ist allerdings eine der Szenen, die deutlich machen, um was es ging.

Dieses Buch zeigt uns weniger bekannte Seiten US-amerikanischer Geschichte und indianischer Geschichte auf.

„Die späte Anerkennung haben diese Männer mit der gleichen Souveränität angenommen, wie sie zuvor die Nichtachtung  ertragen haben; sie mussten niemandem etwas beweisen, sie wussten, was sie  geleistet  hatten.“ (Dietmar Kuegler) [5]

Im Anhang des Buches befindet sich der gesamte Code mit den Begriffen für das Alphabet, verschiedene militärische Begriffe und Vokabular, sowie die Namenslisten aller Navajo Code Sprecher.


© Bücherjunge (24.07.2023)

  • [1] "als ob sie unter Wasser sprechen" ist eine Bemerkung eines japanischen Funkers gegenüber einem Vorgesetzten im genannten Film. https://de.wikipedia.org/wiki/Windtalkers
  • [2] vgl. Artikel Navajo Code in Wikipedia: https://https://de.wikipedia.org/wiki/Navajo-Code
  • [3] eine Auffassung über die "Assimilierung" der Indianer in den Industrial Border Schools seit der Einrichtung im 19. Jahrhundert. Vgl. dazu Rezension zu Der siebenstufige Berg (Welskopf-Henrich) und Roter Vogel erzählt (Zitkala-Ša)
  • [4] Die Übersetzerin hat für das Buch in Absprache mit dem Autor und der Navajo Code Talker Association eine extra Einführung für die deutschen Leser geschrieben.
  • [5] siehe Rezension zum Buch von Dietmar Kuegler im Traumfängerverlag
Abbildungen:

2 Kommentare:

  1. Antworten
    1. Das Buch weniger. Aber die Menschen, die darin erzählen. Im Übrigen ist der Text in den USA wohl im Selbstverlag herausgebracht wurden. Die Navajo Codetalker Ass. empfand es laut Verlag als eine Ehre, dass es richtig verlegt werden sollte.

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