Vom Trost der Gesetzblätter

Was ist eigentlich eine „Bundesversammlung“?

Politik triff Glamour – so könnte man die Titelfrage kurz beantworten. Dennoch schätze ich den Anteil derer, die sich auskennen für geringer als bei sonstigen Themen des Verfassungsrechts. Was ein Bundestag oder ein Bundesminister ist, wissen wir schließlich alle, wozu der Bundesrat dient und wie er sich zusammensetzt können zumindest diejenigen erklären, die bis hier noch mitlesen, und dass der zweithöchste Mann im Staat der Bundeskanzler ist – geschenkt … oder ist es vielleicht doch eher der Bundestagspräsident?

Etwas schwieriger, da nicht so alltäglich, ist es mit der Bundesversammlung, die das Grundgesetz in Art. 54 GG erwähnt und die nur eine einzige Aufgabe hat: die Wahl des Bundespräsidenten. Sie umfasst den gesamten Bundestag und nochmal genauso viele Ländervertreter, also über 1000 Leutchen. Ich wüsste aus dem Stand nicht zu sagen, ob es irgendwo in der Welt eine größere demokratische Versammlung gibt.

Irgendwann hat es sich eingebürgert, dass die Länder nicht nur gewählte Parlamentarier schicken, sondern Promis. Darum können Boris Becker oder Thomas Gottschalk von sich behaupten, schonmal Teil der Bundesversammlung gewesen zu sein (vermute ich mal, nachgeprüft habe ich es nicht).

Wie das mit der Verfassung so ist, umreißt sie nur in groben Zügen ihr Anliegen und überlässt das Nähere einem Bundesgesetz. Deshalb gibt es ein „Gesetz über die Wahl des Bundespräsidenten durch die Bundesversammlung“ (BPräsWahlG), wo noch viel mehr über die Bundesversammlung steht (Höchstzahlverfahren d’Hondt!) und dann kommen wir zu der Frage, wen das eigentlich überhaupt und wieso gerade dieser Tage interessiert. Wir kümmern uns schließlich gerade um die Wahl eines anderen Präsidenten und außerdem haben wir noch Corona.

Eben! – Wir haben Corona! Und Du wirst Dich, geneigter Leser, bereits gefragt haben, wie dann die vermutlich größte demokratische Versammlung der Welt tagen kann?

Unser Bundestagspräsident, der ist zuständig für die Einladung der Bundesversammlung, scheint sich dies auch bereits gefragt zu haben, denn mit deutscher Gründlichkeit hat er just am 2. November 2020, verkündet im Bundesgesetzblatt I S. 2271 (Nr. 49) mit Geltung ab 06.11.2020 und dem für mich unerklärlichen Zusatz „FNA: 1100-1-19“ uns alle wissen lassen: Die 17. Bundesversammlung findet am 13. Februar 2022 in Berlin statt.

Damit hat die Corona-Pandemie nun ein offizielles Enddatum. Denn an diesem Tag werden sich die erwähnten über 1000 Leutchen in den Reichstag zwängen und (ohne Aussprache, so steht es im Gesetz) zur Abstimmung schreiten. Das ist unter Coronabedingungen eindeutig unmöglich, darum muss es bis dahin vorbei sein mit der Pandemie.

Eine gute Nachricht, wie ich finde, deshalb wollte ich sie meinen Lesern nicht vorenthalten. Und dass sie uns genau zu Beginn des 2. Lockdowns verkündet wurde, gibt doch Hoffnung … oder sollte es zumindest tun … zumindest aus der Sicht des Bundestagspräsidenten …

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