Persönliche Beratung

In dem Jahr, in dem wir in unser Haus in Puschendorf einzogen, erwischte den Randolf wenige Wochen nach unserem Einzug eine heftige Grippe. Außer den üblichen Symptomen erkannte man das unschwer daran, dass er noch umtriebigerer als sonst agierte. Männer, habe ich schon oft gehört, wären von Natur aus, wehleidig und würden wegen einer kleinen Unpässlichkeit die ganze Hausgemeinschaft mit anhaltendem Gejammer überziehen. Also, der Randolf verhält sich absolut nicht so; vielmehr trachtet er danach die subjektiv vielleicht unterbewusst empfundene Schwäche durch verstärkte Tatkraft auszugleichen. Auch in diesem Sommer war das so. Aber eines Nachts dröhnten Hammerschläge durch meinen Traum. Ich erwachte, sah auf den Wecker, es war 2.37 Uhr und stellte fest, dass der Randolf nicht neben mir lag. Ich ging die Treppe hinunter bis ins Wohnzimmer, deren Flügeltüren sperrangelweit offen standen. Auf dem Kiesbett der unfertigen Terrasse kniete im Schlafanzug der Randolf, der mit einem Gummihammer die Fliesen befestigte. „Geh ins Bett zurück!“, ermahnte er mich, als er mich kommen hörte. „Ich habe hier alles im Griff!“

Am nächsten Morgen sprach ich ihn auf seine Krankheit an. Er sei eigentlich gar nicht wirklich krank, wegen so einer Lappalie bräuchte man um Himmels Willen keinen Arzt bemühen, aber, räumte er nach einer Weile ein, er wäre bereit zur Apotheke zu gehen und sich beraten zu lassen. „Gut!2, meinte ich. „Ich begleite dich.“ Wir gingen zu Fuß, langsam, ganz langsam, manchmal blieb er stehen und guckte ein bisschen in den Himmel, dann gingen wie wieder ein paar Schritte, endlich waren wir dort.

„Ja, bitte?“ Die Apothekerin lächelte uns freundlich an.

„Haben Sie etwas gegen Erkältung?“, fragte der Randolf.

„Oh, ja, sehen Sie das hier ist ein sehr wirkungsvolles Destillat zum Inhalieren…“

„Nein“, prostierte der Randolf. „Sowas nehme ich nicht!“ und behauptete mit dem Brustton der Überzeugung: „Davon wird es schlimmer!“

„Oder hier“, sprach die Apothekerin weiter. „Etwas zum Gurgeln, zur Desinfektion des Rachenraumes…“

„Bäh!“, stieß er hervor. „Schmeckt scheußlich! Der grässliche Geschmack geht nie mehr raus! Ehrlich: an so was glaub ich nicht.“

„Okay“, überlegte die Dame. „Hier habe ich natürlich noch verschiedene Grippemittel …“, sie zählte die Marken auf.

„Tabletten!?“, rief der Randolf ungläubig. „Wieso denn Tabletten, nein, ich nehme keine Tabletten, grundsätzlich nicht!“

„Hustensaft“, bot die Apothekerin an und versuchte ein ermutigendes Lächeln. „Der schmeckt ganz prima, wirklich.“

„Oh, Hilfe!!“, schrie er, „ich hasse dieses Zeug!“

„Und wie wäre es mit Globuli?“; fragte sie, worauf er den Kopf schüttelte. „Also ehrlich, ich glaub nicht …“

„Sie glauben nicht daran“, ergänzte die Apothekerin, die den Text offenbar inzwischen kannte. Nachdem man sich mehrere Sekunden ratlos angeguckt hatte, fragte der Randolf:

„Haben Sie auch ein Erkältungsbad?“

„Ja!“, die Dame freut sich endlich behilflich sein zu können und stellte eine verpackte Flasche vor ihn hin. „Reicht für acht Anwendungen.“

„Ach, du liebe Zeit“, wehrte der Randolf ab. „So viel brauch ich auch wieder nicht. Haben Sie davon keine Probe?“

„Doch! Hier. Reicht für eine Anwendung.“

„Gut“, meinte er, etwas zögernd. „Das nehme ich. Was bin ich schuldig?“

„1,50“, antwortete die Apothekerin. „Bitte.“

Er zahlte und wir traten den Heimweg an. Daheim ließ er warmes Wasser in die Badewanne einlaufen, knapp halbvoll, er hatte noch nie zur Kategorie der großen Wasserverschwender gehört , gab den Inhalt der kleinen Flasche dazu, stieg hinein und wartete auf die Wirkung.

Ja, was soll ich sagen? Er wurde langsam wieder gesund. Besonders, wenn man dran glaubt, ist so ein Erkältungsbad nicht zu unterschätzen. Des Menschen Willen ist sein Himmelreich.

 

 


Persönliche Beratung - Glosse von Ruth Hanke

 

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