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Wie wir alle Gold machen können

Rettung, Improvisation und krasser Strategiewechsel

www.twitter.com / @IrenaBuzarewicz
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Beim Nachdenken über die Schönheit des Unperfekten (Wabi Sabi und Kintsugi im Zusammenhang mit dem Artikel vom letzten Samstag) sind mir zwei kleine Geschichten aus der Vergangenheit eingefallen, Bruchreparatur aus verschiedenen Lebensphasen, sozusagen - wie auch Du sie schon erlebt hast. Pass auf:

 

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Im Kindergarten beim Malen, da versaute manchmal jemand sein Bild. Das kennst Du auch noch. Entweder es tropfte und kleckerte einen dicken, nassen Fleck auf das Papier. Oder man vertat sich mit der Farbmischung und statt schönem Grün mischte man ein grässliches, schlammfarbenes Zeug, welches das Bild dann verunstaltete. Manchmal hatte jemand sich zu viel vorgenommen und wollte beispielsweise ein Pferd malen, dass dann wie ein dunkler Klops auf Beinen aussah und den Betrachter irritierte. Und den Maler unglücklich und wütend machte. Im Kindergarten malten wir mit Wasserfarben und wollten in Kürze ein Ergebnis haben. Langwierige Trocknungs-, Überklebe- und Übermalaktionen kamen also nicht in Frage. Es musste schnell und entschlossen gehandelt werden.....

 

In diesen Fällen durfte ich immer eingreifen, sozusagen, wenn sowieso alles zu spät war und man dachte, dass es eh nicht mehr schlimmer werden konnte - auch nicht durch mich. Es ging dann immer darum, zu retten, was zu retten war. Aus dem Farbklecks wurde vielleicht ein Vogel oder eine Gewitterwolke mit Blitz, aus der schlammfarbenen Blume ein kleiner Berg mit Schneekappe und aus dem dunklen Klops ein dicker Bär.... Ich erinnere mich an gerettete Bilder und zufriedene Kindergartenkumpels. Damals war ich der Bilderretter - das hatte ich von meinem Opa gelernt. Auch seinen dazugehörigen Spruch: "Daraus kann man noch etwas machen. ", den habe ich übernommen (bis heute). Passt auch wirklich auf sehr viele Situationen im Leben.....

 

Das war mein Ding, die Bilderrettung. Jedes Bild war anders, jeder Fehler neu und immer hatte der Bildermaler ja auch noch was zu melden, zu jammern, zu wollen - spannend. Eine sporliche Sache. Immer musste einem was einfallen, das man dann auch gleich umsetzen musste, konnte. Immer unter den Augen anderen: "Was macht sie denn jetzt? Wird das klappen?"

 

Dafür konnte ich aber anderes nicht: gerade Kanten schneiden, symmetrische Fransenvorhänge herstellen oder Löcher in ordentlich gleichmäßigen Abständen in Pappe knippsen..... Und da haben mir dann die andern geholfen. Obwohl das alles schon lange her ist, erinnere ich mich ganz gut daran. An meine Freunde Gerd, Kathrin und Simone.

 

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Auch andere Sachen, die schief gingen, mussten gerettet werden. Beispielsweise beim Kochen.

 

Da hatte ich während des Studiums meine Kommilitonen zu einer Party bei mir zu Hause eingeladen. Auch unser Professor B. wollte dabei sein. Es galt also, was Gescheites auf die Teller zu bringen. Durfte auch nicht zu teuer sein oder stundenlange Arbeit verursachen. Und - es sollte was hermachen, klar.

 

Ich entschied mich für gefüllte Paprikaschoten. Also kaufte ich einen Sack voll knallrote Schoten, Hackfleisch und weitere Zutaten. Die Füllung wurde lecker (mit Schafskäse und Knoblauch - ein Gedicht!), ich stopfte die Paprikas. Dann kamen sie in den Ofen, wo sie aus unerfindlichen Gründen schnellstens in eine unansehnliche Masse zerfielen. Es war nicht das erste Mal, dass ich dieses Gemüse so füllte und zubereitete. Immer war es gut gelungen - und gerade heute nun das!!!  Was nun? Ich verarbeitete das Ganze mit dem Mixer in mehreren Arbeitsgängen zu einer Paprika-Bolognese nach Art des Hauses. Da es zu den Schoten sowieso Nudeln gegeben hätte, passte das einwandfrei.

 

Das Essen wurde gelobt, alles war gut. Dafür ist mir dann am späteren Abend beim Kaffeefiltern (von Hand, da noch keine Kaffeemaschine in Besitz) in der Küche der Filter von der Kanne gefallen, dem neben mir stehenden Professor fast auf die Füße. Er hatte zum Glück Humor und keine Angst vor Kaffeesatzmatsche auf den Schuhen.

 

Ich habe diesen Abend in guter Erinnerung, sogar mein alter Plattenspieler hielt tapfer durch....

 

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Natürlich geht nicht immer alles so gut oder glimpflich aus.

 

Manchmal - ist eben nichts mehr zu retten, die Scherben sind mit dem besten japanischen Goldlack nicht mehr zu kitten. Die Liebe, die Freundschaft nicht mehr zu erhalten. Der Job nicht mehr zu machen. Ein Projekt nicht mehr zu bezahlen. Ein anderes, großes Problem nicht wegzureparieren, zu heilen, zu lösen.

 

In dem Fall kann man sich nur tapfer der Situation stellen und gucken, wie man weiter macht. Feststellen erstens, was ist und zweitens, was geht. Nicht verdrängen, sondern hingucken, auch wenns sehr schmerzt.

 

Mein geschätzter Instandhaltungskollege W. sagte in solchen Fällen: "Jetzt müssen wir die Strategie wechseln.".

 

Meistens hatte er recht.

 

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Manchmal ist eben das Alte nicht zu retten. Dann muss was Neues, Anderes her. Und dafür sind wir gemacht, auch wenn wir es nicht immer wollen und nicht immer wissen.!

 

 

Gold! (Foto: Csaba Nagy / www.pixabay.com)
Gold! (Foto: Csaba Nagy / www.pixabay.com)