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Artikel für die Landwirtschaft hatten eine lange Tradition

Alte bergische Sägenschmiude, rekonstruiert im Remscheider Heimatmuseum. Foto: Mende.Das wichtigste Remscheider Holzbearbeitungswerkzeug ist die Säge. Als man noch keine Walzwerke kannte, wurden alle Sägen in den Wasserhämmern aus Raffinierstahl gebreitet. Die „Sägenschmiede" schmiedeten sie dann auf dem Amboss in die richtige Form, Breite und Stärke. Danach wurden die Zähne auf einem Holzklotz mit Meißel und Hammer ausgeschlagen, später mit Hebeln ausgestanzt. Auf der nebenstehenden Abbildung einer alten Sägenschmiede erkennt der Leser im Hintergrund die Esse, den Blasebalg, der durch Zug an einer Kette in Tätigkeit gesetzt wird, und Geräte zum Ausschlagen der Zähne. Mit der Herstellung von Sägen aus Stahlblech wurde die Produktion umgestaltet, und geschmiedete Sägen wurden kaum mehr hergestellt. Es fehlte dazu auch an geschulten Arbeitern, das Rohmaterial war zu teuer und die Herstellungsweise schwieriger. Die Sägen wurden nunmehr aus den Blechen geschnitten. Die Säge entwickelte sich nächst der Feile zu einem der bedeutendsten Remscheider Artikel. Und zwar werden Sägen für Hand- und Maschinengebrauch verfertigt. Sägen dienen auch der Metallbearbeitung. Metallsägen wer­den gleichfalls in Remscheid hergestellt.

5. Ein anderer Industriezweig von ganz ausgeprägter Bergischer Bodenständigkeit ist die Herstellung gewerblicher Messer. In der Hauptsache handelt es sich um Maschinenmesser mit dem ausgesprochenen Standort in Remscheid; sie stehen im Gegensatz zum Hand- und Tafelmesser, das vor allem in Solingen heimisch ist.

Alle Versuche, die Remscheider Maschinenmesserindustrie in andere Gegenden Deutschlands oder das Ausland zu verpflanzen, sind gescheitert, so dass — sieht man von einigen schwedischen, englischen und nordamerikanischen Erzeugungsstätten ab — Remscheid unbestritten als Zentrale der Weltversorgung mit hochwertigen Maschinenmessern für die Holz-, Metall-, Papier-, Tabak­industrie usw. anzusehen ist. Die Fabrikation erlangte in dem Augenblick ihr eigentliches Übergewicht über den ausländischen Wettbewerb, als führende Betriebe dazu übergingen, mit Hilfe eigener Stahlhammerwerke, physikalisch-chemischer Laboratorien u. a. systematisch nach wissenschaftlichen Arbeitsmethoden die Güte der Erzeugnisse zu verbessern. Auf diese Weise gelang es ihnen, sich in einzelnen Industriezweigen und Messerarten durch überlegene Qualität gegen England, Schweden und Amerika sogar eine Monopol-Stellung zu erkämpfen.

In bemerkenswerter Weise entwickelte sich ein besonderer Zweig der Herstellung von Maschinenmessern: die Industrie landwirtschaftlicher Messer und Maschinenteile (Mähmesser, Häcksel-und Rübenmesser, Sägen verschiedener Art). Damit wurde die alte Tradition der Remscheider Industrie, Artikel für die Landwirtschaft zu verfertigen, fortgesetzt. Die eigentliche Aufgabe lag jedoch in der neuen Zeit darin, gegen einen übermächtigen amerikanischen Wettbewerb in zähem Vordringen Remscheid seine jetzige beachtenswerte Stellung erst zu erringen. Denn die Vereinigten Staaten von Nordamerika sind seit Jahrzehnten das Land der maschinellen Bodenbearbeitung; ihre überaus leistungsfähige Landmaschinen- und Ersatzteilindustrie überschwemmte alle Welt mit ihren Erzeugnissen.

Die für einfachere, von Hand bewegte und in landwirtschaftlichen Betrieben benutzte Maschinen benötigten Messer und Maschinenteile wurden schon in den 1860er Jahren in erheblichem Umfang in Remscheid hergestellt; diese Erzeugung spezialisierte sich mit der wachsenden Verwendung solcher einfachen Maschinen. Der eigentliche Aufschwung dieses Teiles der Remscheider Industrie setzte im Jahre 1893 ein, als ein auf diesem Gebiet führender Fabrikant beim Besuch der Chicagoer Weltausstellung zu der Auffassung kam, dass der Maschine in der Landwirtschaft nicht bloß im Betriebe, sondern auch bei Ackerbestellung und Ernte eine gewaltige Zukunft beschieden war. Er stellte die Fabrikation in seinem Betrieb auf eine andere Grundlage mit dem Ziel, höchste Leistungsfähigkeit nach Menge und Güte zu erlangen. Das Vorbild dieses Unternehmers war für andere Betriebe maßgebend, als er sich in einem Vortrage im Bergischen Fabrikanten-Verein über seine in Amerika genossenen Eindrücke geäußert hatte.

Auf diesem Wege gelang es der Remscheider Industrie, als sich auch in den europäischen Kulturstaaten die maschinenmäßige Bodenbearbeitung in der Landwirtschaft allmählich durchsetzte, ihre Erzeugung so zu vergrößern und ihre Artikel so zu verbessern, dass der amerikanische Wettbewerb in Deutschland schon fast vollständig, in vielen anderen europäischen und außereuropäischen Ländern zu einem großen Teile verdrängt ist.

6. Außer den bereits erwähnten Werkzeugen finden wir in der Bergischen Industrie die Anfertigung fast aller Holzbearbeitungswerkzeuge, trennender und formgebender, sowohl für den Handgebrauch als Maschinenbetrieb. Die ständig wachsende Verwendung von Maschinen in der Holzbearbeitungsindustrie führte hier zu einer Einschränkung des Gebrauchs von Handwerkzeugen. Am stärksten litten darunter Beitel und Hobeleisen. Die Zahl der Remscheider Betriebe, in denen sie hergestellt werden, ging von 1870 bis heute um mehr als 60 Prozent auf 26 zurück.

Am wenigsten hatten unter der Umstellung der verbrauchenden Industrie nächst den Sägen die Bohrer zu leiden, die beide in veränderten Formen auch als Maschinenwerkzeuge Verwendung finden. Die Fabrikation von gedrehten Bohrern lässt sich nicht weiter als bis in die 20er Jahre des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen, während Löffelbohrer schon vorher hergestellt wurden. Die ersten gedrehten großen Bohrer wurden etwa 1820 von Joh. Gottfr. Dahm in Remscheid-Hasten verfertigt. Ungefähr gleichzeitig begann der Kleinschmied Friedrich Hönneknövel mit der Erzeugung der kleinen Sorten. Der hauptsächlichste Teil der Anfertigung der Bohrer blieb bis heute Handarbeit, nur das rohe Schmieden wurde unter Wegfall des Zuschlägers Sache der mechanischen Hämmer.

7. Die deutsche Fabrikation von Messern und Lochscheiben hat ihren Sitz fast ausschließlich in Remscheid. Dort werden auch sog. Gezähe (Werkzeuge für den Bergbau) hergestellt. Als besonderes Hilfsgewerbe der Werkzeugindustrie ist die Schleiferei zu betrachten. Die moderne Fabrik schloss ihrem Betriebe meist eine eigene Schleiferei an. Der dadurch verursachte Mangel an Arbeit ließ die Zahl der selbständigen Schleifereien in Remscheid rasch zurückgehen; im Jahre 1907 wurden 168 Schleifereien gezählt, 1926 nur mehr 45.   (nach: „Aus der Geschichte der Remscheider und Bergischen Werkzeug- und Eisenindustrie“ von Wilhelm Engels und Paul Legers, erschienen 1928 zum 25jährigen Bestehen des Arbeitgeber-Verbandes der Eisen- und Metallindustrie von Remscheid und Umgebung e. V., 1979 im Verlag Ute Kierdorf als Faksimile­druck neu aufgelegt. Hier Teil II, Paul Legers: Die Remscheider Werkzeug- und Eisenindustrie von der Einführung der Gewerbefreiheit bis zum Ausbruch des Weltkriegs)

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