Routenplanung

Wie funktioniert Routenplanung offshore?

Und dann kommt alles anders

Während sich unsere Rivercafe durch die Wellen des Südatlantiks Richtung Norden pflügt, ist das eine gute Gelegenheit ein bisschen was zur Routenplanung zu erzählen. Seit Tagen kämpft die tapfere Rivercafe Crew mit 6-7 Beaufort Wind, angereichert mit Böen von 1-2 Windstärken extra. An Land würden dabei die Gartenmöbel weggeblasen. Die Rivercafe segelt deshalb stark gerefft. Leider verhindert eine 3- 4 Meter Welle (und auch höher) im 7-10 Sekunden Rhythmus – meist unangenehm querlaufend, eine flottere Fahrt. Wir sind uns sicher alle einig, dass „schön segeln“ anders aussieht. Aber die gute Nachricht: es wird besser, je näher die Rivercafe St. Helena kommt.

Aber kann man solche Bedingungen mit einer guten Routen Planung verhindern? In unserem Falle nein, weil es zwei unveränderliche Faktoren gibt: das Abfahrtsdatum und die Region. Um diese Jahreszeit sind das völlig normale Bedingungen im Südatlantik. Zum Jahresende wird es ruhiger, aber das hilft uns jetzt auch nicht weiter. Wenn man nicht so strikt an Termine oder Routen gebunden ist, hilft ein gutes Routing aber normalerweise enorm um entspannter zu segeln.

Das Routing auf einem Schiff offshore ist ein wenig anspruchsvoller als mit dem Auto Navi. Wenn zwei Schiffe den gleichen Ort verlassen und sich wieder an einem Ort treffen, ist die Chance das beide den gleichen Kurs segeln so rar wie ehrliche Politiker. Manchmal grenzt es an ein Wunder, aber so gut wie alle kommen an – irgendwo, irgendwann. Siehe Kolumbus. Routenplanung ist beim Segeln natürlich auch und vor allem Wetterplanung.

Die Herausforderung des Routings besteht darin, viele und sich ständig wechselnde Faktoren zu berücksichtigen. Für diesen Thrill sorgt die Natur ganz alleine. Ein paar Konstanten bestimmt der Mensch, denn die bevorzugte Art des Segelns von Schiff und Crew, kann sehr unterschiedlich sein.

Das Schiff

Manches ist bei Routing schiffsbedingt, durch Bauart oder Ausstattung. Manche Schiffe sind gut am Wind, andere besser bei Halbwind. Anderen fehlt einfach die richtige Ausstattung, z. B. das richtige Segel für den flotten Vorwindkurs. Ein Monohull segelt bei einen anderen Kurs, als ein Katamaran. Anderer Schiffstyp, anderer Kurs. Aber alle suchen den „richtigen“ Kurs. Schiffe haben üblicherweise ein Polardiagramm, an dem man die theoretische Performance bei verschiedenen Windwinkeln und Windstärken sehen kann. Damit weiß man, was das Schiff drauf hat und welche Windwinkel – und damit Kurse – ideal sind. Eine wertvolle Hilfe für jedes Schiff.

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Polar Diagramm

Die Crew

Auch die Motivation der Crew ist extrem wichtig für die Wahl des Kurses. Regattasegler bekommen Freudentränen, wenn sie eine Depression sehen und legen gleich mal Kurs auf die knackigen Winde. Cruiser – dazu zählen wir uns – machen genau das Gegenteil und vermeiden die tiefroten, dunklen Flecken auf dem Wetterchart und wählen einem anderen Kurs für ein entspanntes Segeln. Wenn man nicht zum Flieger muss, ist es ziemlich egal einen Tag früher oder später anzukommen. Die Auswirkung von Wind und Wellen auf eine Crew sind enorm. Schweres Wetter kann einem mächtig auf den Keks gehen und den Spaß am reisen verderben. Der Schlaf leidet, die Unruhe wächst und mancher hat einfach nur Angst. Wir segeln dann lieber einen Umweg oder einen Tag später los. So hat jeder die Wahl, welcher Kurs genehm ist.

Schiff und Crew sind dann schon mal zwei Konstanten, die sich während des Törns nicht ändern. Der Rest sind die Variablen und die machen es spannend.

Nun zum Wetter

Das sind die sich ständig ändernden Faktoren der Wettersysteme: Wind, Böen – jeweils nach Stärke und Richtung, Strömung, Wellenhöhe und -Richtung, Temperaturen und weitere Variablen wie die Geografischen Umstände, z. B. Unterwassergebirge oder Landengen, die je nach angesteuerter Richtung unterschiedliche Auswirkungen haben. Klar, es gibt ja einen Wetterbericht, der  mittels Isobaren über die Drucksysteme und Zugrichtungen berichtet. Und es gibt auch Seekarten.

Die verfügbaren Wetterreports sind schon klasse, aber nur für 3-5 Tage. Wenn ein Trip – wie der der Rivercafe – 30-35 Tage dauert, kann man seine Wettervorhersage der letzten 3 Wochen ebenso gut aus dem Suppenteller auslesen. Der Wetterbericht ist mit dieser Zeitachse keine Hilfe für die gesamte Törnplanung. Möglicherweise hat man sich dann schon in eine Region navigiert, durch die bald ein schlecht gelauntes Tief durchrauscht, das vor drei Wochen natürlich noch nicht zu erwarten war.

Zumindest für die Grobplanung – und das ist dann kein Wetterbericht – gibt es die Pilotcharts. Beispielsweise Jimmy Cornell verlegt ein solch fettes und wertvolles Werk. Dort kann man auslesen, an welchem Ort der Meere zu welchen Zeitpunkt statistisch welche Winde mit Stärken und Windrichtungen vorherrschen. Auch die übliche Strömung wird genannt. Das ist nun keine Vorhersage, aber für die Grobplanung immer noch besser als der Suppenteller. So kann man zumindest erkennen, welche Regionen man zu bestimmten Zeiten vermeiden sollte.

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Pilot Chart – Jimmy Cornell

Und zurück zum Wetter und ins digitale Zeitalter. Meine Kolumbus Witze wären deutlich seltener, wenn ich mit den Mitteln von damals planen oder besser gesagt glückspielen müsste. Segler machen ihre Routenplanung mittels Computer. Es sind nun mal zu viele Variablen für ein kleines Menschengehirn, zumindest für meines. Es gibt ausgezeichnete Programme oder Serviceprovider, die immer aktuell für die jeweilige Position neu das Wetter berechnen, aus denen sich eine Kursempfehlung ableiten lässt. Wir nutzen beispielsweise „PredictWind“. (Es gibt aber noch viele andere wie Windy oder Weather 4D uvam). Das ist ein Programm, in den dem man die individuellen Spezifikationen seines Schiffs – das Polar Diagramm –, bei uns das der Leopard 45, konfiguriert. Damit erkennt die Software, auf welchen Kursen unsere Leopard was taugt und wie schnell sie segeln kann.

Speed ist ein wesentlicher Faktor. Ob ich 4 Stunden zum nächsten Isobarenring brauche oder 14, macht den Unterschied zum zerbrochenen Porzellan. Also sollte man nicht unbedingt mit einem Cruiser der 10 kn läuft das Planungstool eines IMOCA 60 Racers mit 40 kn Speed verwenden.

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Routing der Rivercafe

In dem Planungsprogramm gibt man also die aktuelle Position und das Ziel ein, dazu noch die Auflösung, quasi die Messpunkte im KM Abstand. Die Region wird markiert und das passenden Wetterbericht wird geladen. Für die nächsten 3 Tage ist die Vorhersage dann meist ziemlich gut. Angesagt wird der Wind in Stärke und Richtung, die Böen, die Wellen, die Strömung und wenn man mag noch Temperaturen für Wasser und Luft, Bewölkung oder Niederschlag. Auf dieser Basis und unter Berücksichtigung der Schiffsperformance, berechnet das Programm dann einen Kurs. Da es verschiedene globale Wettermodelle gibt basierend auf US und Europäischen Daten, gibt es auch gleich mehrere Kurse zur Auswahl. Bei PredictWind sind es vier. Und die können krass voneinander abweichen, wie die Planung der Rivercafe zeigt. Der Captain hat dann die Qual der Wahl.

All das Vorhersagen kostet Datenvolumen. Ich kann das für den Trip der Rivercafe entspannt auf Teneriffa aus dem Festnetz machen und mir die 18.7 MB Datenvolumen relaxt laden. Auf einem Segelschiff offshore ist das illusorisch. Auf hoher See an Daten zu kommen ist megalangsam und schweineteuer. 24 KB können eine Minute dauern, von MB downloads ist da gar nicht zu träumen. Also schickt bitte keinem Segler Katzenbilder oder Babyfotos über Satelliten Mail.

Die meisten Segler die ich kenne, verwenden Iridium Satellitentelefone oder Iridium Go. Die Geräte verbindet man an Bord mit dem Computer. Und dann beginnt der Kampf um die Datenmenge. Dazu markiert man die Region auf der Seekarte, für die man gerne aktuelle Wetterdaten hätte. Diese Anfrage sendet man dann an den Wetterservice, in meinem Fall PredictWind und dann bekommt man ein paar Sekunden später ein gezipptes GRIP file zurück. Das entpackt man auf dem Computer, wertet die neuen Daten aus und entscheidet, ob man einem der vorgeschlagenen Kurse folgt.

Die Krux: natürlich hätte man gerne für eine große Region Daten, auch möglichst Angaben aller Art. Aber da max. 36 KB eine sinnvolle Datenmenge für den Satellitentransfer ist, muss man seine Informationsgier immer weiter abspecken, bis man noch ein Wetter für ein paar hundert Meilen auf dem Schirm hat. Und die dann ganz sicher ohne Regen, Wolken und Temperaturangaben und in zu großen Messabständen.

Das ist die übliche Methode bei normalen Seglern. Die professionelle Schifffahrt hat andere Sat Anlagen, die dann aber auch tausende Euro pro Monate kosten und eine ganz andere Technik an Bord.

Neben den Wetterprogrammen gibt es auch noch Wetterprovider, wie z. B. Wetterwelt von Dr. Meeno Schrader. Da erhält man per Sat Mail ein spezielles Routing nach vorher spezifizierten Kriterien. Das ist bequemer, aber auch teurer als die Jahresabo der Wetterprogramme. Super für ein einmaliges Atlantik Crossing, aber auf Dauer braucht man nach meiner Meinung Autonomie.

Und wenn man dann einmal oder zweimal am Tag seine neuen täglichen GRIP files bekommen und ausgewertet hat, macht der erfreute Skipper die Routenplanung für die nächsten drei bis fünf Tage. Und hofft für den Rest, dass noch Suppe da ist. / Holger Binz

 

Kosten Übersicht:

Kosten für die Routenplanung p.a.: ca. 1.800 €, das beinhaltet:

Iridium Go: 770 € (Hardware, einmalig, Extras on top)

Datenvolumen Iridium prepaid 750 € (500/1000 Min. ausreichend für ein Atlantik Crossing)

PredictWind 249 USD p. a. (braucht man immer)

Zusätzlich braucht man noch einen Computer oder ein gut ausgestattetes Tablett.

 

Vergleich: Wetterwelt Atlantikpaket: 549 € – nur für das Atlantik Crossing. Für die Karibik braucht man dann noch ein Wetterabo.

Das Datenvolumen Iridium kaufen wir nur als prepaid. Es gibt ein Jahresabo für 105 USD pro Monat. Aber wir nutzen unsere Satellitenkommunikation nur bei langen Crossings. In der Karibik nutzen wir das normale Datennetz der jeweiligen Insel.

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