Thema des Monats: Liebe deinen (nervigen) Nächsten

"Liebe deinen Nächsten."
Diese Aufforderung hast du sicherlich auch schon mal gehört. Bei manchen Leuten fällt uns das überhaupt nicht schwer: Freunde, Familie,... Aber was ist mit den Menschen mit denen wir scheinbar überhaupt nicht auf der selben Welle surfen? Menschen, an deren Eigenarten wir uns immer wieder stoßen? Eben die nervigen Nächsten. Wie soll man die denn lieben? Geht das eigentlich? Und warum?

René Böckle hat sich ein paar Gedanken dazu gemacht. Die meisten kennen ihn wahrscheinlich eher unter dem Namen DJ Faith. Wenn René nicht gerade mit guter Musik für Partystimmung sorgt, dann ist er auch als Jugendreferent und Diakon in Stuttgart unterwegs.


Was soll das denn jetzt schon wieder? So ein Arsch... man, wie doof kann man eigentlich sein?“.
Allzu oft erwische ich mich bei solchen Gedanken. Und ich vermute, viele können diese Gedanken aus eigenen Erlebnissen und Situationen nachvollziehen. Menschen, die uns manchmal tierisch nerven, deren Verhalten uns herausfordert und ärgert, hat wahrscheinlich jede und jeder in ihrem und seinem Umfeld. Verschiedene Meinungen, Unverständnis und Antworten, die mir nicht passen, können mich auf die Palme bringen. Genau dann ruhig und respektvoll zu bleiben, kotzt mich dann meistens an und fällt mir schwerer als ich zugeben will. Wie gern würde ich meinem Ärger Luft machen und dem Gegenüber alles an den Kopf werfen, was mich so tierisch aufregt. Hin und wieder entwischt mir beim Autofahren ein genervtes Hupen, wenn das Auto vor mir mal wieder an der Ampel pennt, oder in Besprechungen ein genervtes Augenrollen, wenn Dinge zum vierten und fünften Mal im Kreis gedreht werden. Von Liebe in der Luft und Nächstenliebe ist dann bei mir nicht viel zu spüren...
Aber genau das steht in der Bibel und hat Jesus uns für unser Leben mitgegeben: „Liebe deine Nächsten“.
An dieser Stelle möchte ich nicht sagen, dass ich absolut nach der Bibel lebe, aber ich möchte mir die darinstehenden Worte in ihrer Auslegung zu Herzen nehmen und Nächstenliebe steht für mich in meinem Leben sehr zentral. Und dann gibt es da die von mir beschriebenen Situationen, die so konträr zum Gebot der Nächstenliebe stehen und in denen mir diese so schwerfällt. Denn für mich gehören zur Nächstenliebe auch Verständnis, Nachsicht, Geduld und Toleranz.
Immer wieder, wenn ich anderen von meinen herausfordernden Situationen erzähle, höre ich den Satz „ihr müsst ja nicht gleich Freunde werden, aber seid nett zueinander“. Aber muss ich denn wirklich nett sein bei nervigen Kollegen, dem Raser auf der Straße oder dem Nachbarn, der immer Drama macht? Reicht es nicht einfach, ihn nicht anzuschreien?

Nein, ich glaube, unsere Welt braucht mehr als ein nett sein!
Es braucht Verständnis füreinander, auch wenn es mich selbst herausfordert und ja, auch überfordert.
Ich darf Stellung beziehen, meine Meinung, auch wenn sie eine andere ist, äußern und darf auch mal richtig genervt sein. Aber ich habe nicht das Recht, meinem Gegenüber den Wert als Mensch absprechen. Und das tue ich selbst und tun wir all zu oft und all zu schnell, in Gedanken, Worten und Taten. Auch in aktuellen Geschehnissen in unserer Gesellschaft und Politik erlebe ich immer wieder, dass einzelne Personen oder ganze Personengruppen aus eigener Emotionalität, im Affekt oder hin und wieder auch aus taktischen Gründen herabgewürdigt werden. Das geht für mich nicht und sollte für niemanden in unserer Gesellschaft gehen.

Als Verständnis meine ich nicht, dass ich alles verstehen muss, warum Menschen wie in welcher Situation reagieren, auch, weil Handlungsweisen mir selbst vielleicht völlig fremd sind. Aber ich muss mir bewusst machen, dass jedes Handeln Gründe und einen Auslöser hat. Und wenn ich zur Lösung beitragen möchte, bedarf es, dass ich mich selbst und mein Ego zurückstelle, ohne mich selbst wert- und sprachlos zu machen. Ja, vielleicht verpennt das Auto vor mir die Grünphase – aber weiß ich, ob der Fahrer/die Fahrerin vielleicht die Nacht wach lag, weil das Kind krank ist. Oder eine Person auf dem Fußgängerweg ist rücksichtslos – vielleicht, weil die Person jahrelang selbst Rücksichtslosigkeit erfahren hat. Also was bringt es, hier noch weiter Öl ins Feuer zu gießen. Nichts! Darum bin ich fest davon überzeugt, unsere Welt braucht mehr als ein nett sein! Und das wird nur funktionieren, wenn wir uns selbst und Gegenseitig immer wieder daran erinnern und in diesem positiven Handeln stärken.
Ich kenne mich selbst gut genug, um zu wissen, dass mir das nicht von jetzt auf gleich zu hundert Prozent gelingen wird, aber jeder Schritt dahin ist ein wertvoller und wichtiger Schritt. Wenn es mir nicht gelingt, gilt ebenfalls, mich nicht dafür fertig zu machen, sondern respektvoll auch mit mir selbst umzugehen – denn Nächstenliebe fängt IMMER bei mir selbst an!

Kritische Anmerkung zum vorangegangen Text:
Vielleicht sind meine Gedanken auch Nonsense – ich weiß es nicht. Ein guter Freund hat als Reaktion auf meinen Text geschrieben: „Solche Texte nehmen immer die selbe Haltung und Perspektive ein. Warum sollte ich Verständnis für Störenfriede haben? Menschen, die einen übergehen und die persönlichen Fähigkeiten ignorieren? Ich finde, ich darf auch mal benennen, dass diejenigen die Opfer sind, die Arschloch sagen. Ich bin der Leidtragende, wenn ich nachgebe oder der klügere bin. Also die andere Seite, in den meisten Fällen und damit meine ich nicht die Seite desjenigen der den Stein wirft, sondern der Person, die getroffen wird.... und die reagiert selbstverständlich mit Frustration, Aggression oder Beleidigung. Verständlicherweise, warum auch nicht?!“ Und hier komme ich zum persönlich größten Struggle – mein obiger Text ist eine Idealhaltung, aber das tagtägliche Leben lehrt mich immer wieder, dass es eben nicht so läuft. Bin ich der Verständnis- und Rücksichtsvolle, dann bekomme ich vielleicht nochmal eine drauf. Und nochmal. Und nochmal. Und dann?
Und doch glitzert da ein Funken Hoffnung, dass wenn ich mit positivem Beispiel vorangehe, andere mit meinem Verhalten überrasche und zeige, dass es auch mit Verständnis und ehrlichem Reden miteinander funktionieren kann, sich die Welt ein bisschen verbessert. Und wie eine kleine Taschenlampe in der Dunkelheit leuchtet, wenn eine zweite, eine dritte dazukommt, die Dunkelheit immer weiter zurückgedrängt wird und es heller und heller wird. Ich glaube daran. #shinealight

Kommentare