Das Thema
Die Sommerferien in allen Bundesländern stehen vor der Tür; für die Mehrzahl der EU-Länder sind aktuell die Reisewarnungen aufgehoben worden. Allerdings gibt es nach wie vor Länder, für die Reisewarnungen aufgrund der aktuellen Corona-Lage bestehen. Auf was müssen Arbeitnehmer und Arbeitgeber achten? Wie ist mit Arbeitnehmern zu verfahren, die sich nach ihrer Rückkehr aus einem Risikogebiet für einen Zeitraum von 14 Tagen in die häusliche Quarantäne (sog. Absonderung) zu begeben haben? Entstehen für diesen Zeitraum Entgeltfortzahlungsansprüche?
Sommerurlaub und Corona: Kann ich als Arbeitgeber etwa den (vorsätzlich gebuchten) Urlaub in Schweden verbieten?
Der Arbeitgeber kann den etwa vorsätzlich gebuchten Urlaub in aktuell als Risikogebiet eingestuften Ländern, wie etwa Ägypten, Schweden oder der Türkei oder in einem anderen vom RKI festgelegten Risikogebiet mit Reisewarnung zwar nicht verbieten, jedoch kann er die Mitarbeiter vor ihrem Urlaubsantritt über die Folgen und die notwendige Beachtung der Risikogebietszuordnung durch das RKI bzw. die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes unterrichten: Zur Liste der Risikogebiete (abgerufen am 2. Juli 2020). Insofern sollten auch die aktuellen Reisehinweise und-warnungen des Auswärtigen Amtes regelmäßig geprüfgt werden.
Dazu gehört es auch, die Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass sie sich in einem solchen Fall nach ihrer Rückkehr aus einem solchen Risikogebiet für einen Zeitraum von 14 Tagen in die häusliche Quarantäne (sog. Absonderung) zu begeben haben und für diesen Zeitraum Entgeltfortzahlungsansprüche grundsätzlich nicht entstehen.
Eine solche Hinweispflicht des Arbeitgebers folgt aus der sog. Fürsorgepflicht und Schutzpflicht des Arbeitgebers gegenüber den anderen Arbeitnehmern zur Erhaltung der Gesundheit (§§ 241 Abs. 2, 618 BGB).
Empfehlenswert in diesem Zusammenhang ist auch die Erstellung eines Fragebogens unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates gem. § 87 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 7 BetrVG (soweit ein solcher existiert). Hierin sollten die Arbeitnehmer vor ihrer Rückkehr in den Betrieb erklären, ob und in welchem Risikogebiet (entsprechend der Reisewarnung des RKI) sie waren.
Eine solche Befragung ist im Allgemeinen auch datenschutzrechtlich gerechtfertigt, da diese gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG erforderlich ist.
Wer trägt die Folgen einer Quarantäne (und damit Arbeitsverhinderung), wenn Mitarbeiter in Länder zum Urlaub fahren, für die Reisewarnungen bestehen?
Wenn Mitarbeiter wissentlich, also „sehenden Auges“ in ein Land fahren, für das es eine Reisewarnung gibt, handeln solche Mitarbeiter schuldhaft, weil die Quarantäneverpflichtung nach den jeweiligen Landesverordnungen hieraus automatisch resultiert. Damit verstößt der Arbeitnehmer also gröblich gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten (HWKA, 9. Aufl. 2020 zu § 616 BGB, RZ 44). Erst recht kann ein solches vorsätzliches und schuldhaftes Verhalten objektiv angenommen werden, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor über die Folgen und die notwendige Beachtung der Risikogebietszuordnung unterrichtet hat (s. Antworten zu Frage oben).
Als Folge eines solchen schuldhaften Verhaltens seitens des Arbeitnehmers entsteht eine vorübergehende Verhinderung der Erbringung der Arbeitsleistung gem. § 616 BGB, die der Arbeitnehmer schuldhaft nicht verhindert hat. Dementsprechend steht den Arbeitnehmern in einem solchen Fall kein Entgeltfortzahlungsanspruch gem. § 616 BGB zu. Sollte der Arbeitnehmer allerdings die Möglichkeit haben, während der Quarantänephase seine Arbeitsleistung vom Home Office aus tatsächlich zu erbringen, bleibt sein Lohnfortzahlungsanspruch selbstverständlich bestehen.
Anderer Auffassung nach handelt es sich bei einem solchen vorsätzlichen Reiseantritt in ein Risikogebiet um einen Fall der objektiven Unmöglichkeit gem. § 275 Abs. 1 BGB, mit der Folge, dass der Arbeitgeber nicht weiter zur Erbringung der Gegenleistung, also der Lohnfortzahlung, gem. § 326 Abs. 1 BGB verpflichtet ist. Anders ist es wieder zu beurteilen, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung in dieser Zeit vom Home-Office aus erbringt.
Sollte das vom Arbeitnehmer gewählte Urlaubsziel allerdings erst nach seinem Reiseantritt offiziell zum Risikogebiet erklärt worden sein, bleibt sein Entgeltfortzahlungsanspruch während der häuslich angeordneten Quarantäne grundsätzlich bestehen. Allerdings sollte der Arbeitgeber in einem solchen Fall entweder über eine BV oder individualrechtlich bezahlten Freizeitausgleich, Überstundenabbau oder bezahlten oder unbezahlten Urlaub mit dem Mitarbeiter organisieren, wenn eine Home-Office Tätigkeit nicht möglich ist.
Sommerurlaub und Corona: Welche Handlungsmöglichkeiten haben Arbeitgeber?
Im Ergebnis kann folgende Vorgehensweise empfohlen werden:
- Generelle Hinweise des Arbeitgebers über die jeweils aktuellen Reisewarnungen des RKI und die damit verbundenen Folgen, gerichtet an alle Arbeitnehmer (Intranet etc.).
- Bewertung der Einzelfälle mit Hilfe des unter Frage 1 angesprochenen Fragebogens.
- Im Fall der notwendigen 14-tägigen Quarantäne ist der Arbeitgeber dazu berechtigt, den Arbeitnehmer zu suspendieren, um die Gesundheit der anderen beschäftigten Mitarbeiter zu schützen. Sollte die Erbringung der Arbeitsleistung aus dem Home Office möglich sein, kann der Arbeitgeber hierbei auch im Rahmen seines arbeitgeberseitigen Direktionsrechtes gem. § 106 GBO ausnahmsweise eine vorübergehende Tätigkeit aus dem Home Office anordnen.
- Je nachdem, ob der Arbeitnehmer auch tatsächlich während der 14-tägigen Quarantäneverpflichtung seine arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung aus dem Home Office erbringen kann oder nicht, ist die Arbeitsvergütung auch für diese Quarantänephase zu leisten.
Ein Hinweis zum Schluss
Sollte ein Arbeitnehmer in häuslicher Quarantäne arbeitsunfähig erkranken, so hat er nur dann einen Lohnfortzahlungsanspruch gem. § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für die Arbeitsverhinderung und damit den Ausfall der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ist.