· 

Hutmachergasse und Betriebsgraben

Unterwegs in Buchholz

 

Unglaubliches Wetter, die ganze Stadt leuchtet in der Sonne, wie vor Freude!

 

***

 

Mitte Mai sind wir statt in Annaberg mal in Buchholz unterwegs, dem Teil von Annaberg-Buchholz um die Sehma herum, talwärts.

 

Ein paar Bewohner der seit 1949 vereinigten Stadt und der angrenzenden Dörfer lernte ich in den letzten Jahren kennen. Da hörte ich, dass man sich nicht immer "grün" sei. Das heißt, die Annaberger können manchmal die Buchholzer nicht leiden und umgekehrt...

 

Warum eigentlich?

 

Ich selber muss zugeben, mehr ein "Annaberger" zu sein. Hat mich doch der obere Teil der Stadt mit St. Annen, dem Markt, dem Pöhlberg, dem Alten Friedhof mit seiner fünfhundert Jahre alten Linde  -  ja, und dem Café Zeitlos in seinen Bann gezogen. Auch in Buchholz war ich schon ab und zu, aber bisher nicht "so richtig". Mehr auf der "Durchreise" ins Freibad am Stangewald oder nach Schlettau bzw. um endlich mal in die Katharinenkirche reinzukommen, was ich bis heute aus wechselnden Gründen nicht schaffte.

 

Also dann, heute ist es soweit. Buchholz! Was gibt es hier für Geheimnisse? 

 

Stadtwappen von Buchholz mit Heiliger Katharina, Bergwerk, Buchen, Schwert und dem Folterrad der Heiligen (www.wikipedia.de)
Stadtwappen von Buchholz mit Heiliger Katharina, Bergwerk, Buchen, Schwert und dem Folterrad der Heiligen (www.wikipedia.de)

 

***

 

Die Gegensätzlichkeit der beiden Bergstädte begann schon mit ihrer Gründung bzw. kurz vorher. Denn die Sachsenherzöge Ernst und Albrecht, zwei Brüder, hatten einst gemeinsam regiert. Später ging man doch lieber getrennte Wege, was zur sogenannten "Leipziger Teilung" von 1485 führte. Einer Aufteilung des ererbten Landbesitzes des sächsischen Herrscherhauses, was sich nun in die ernestinische und die albertinische Linie teilte. Von da an gab es eine Weile ein Kurfürstentum Sachsen und ein Herzogtum Sachsen.

 

Die Grenze zwischen dem brüderlichen Besitz verlief hier in der Gegend genau durch das Sehmatal. Auf der einen Seite entstand 1502 Buchholz, auf der anderen 1496 Annaberg. Zwei voneinander unabhängige Bergstädte. Die fürstlichen Nachfahren der genannten Brüder, Georg der Bärtige (Herzogtum Sachsen mit Annaberg) und Friedrich der Weise (Kurfürstentum Sachsen mit Buchholz) waren die Städtegründer im Zuge des erfolgreichen Silbererzbergbaus dieser Zeit. Soweit ganz gut eigentlich. Man konkurrierte so vor sich hin. Aber dann! Kam die Reformation. 1524 wurde sie in Buchholz eingeführt. Im benachbarten Annaberg dagegen waren die Schriften Luthers verboten.

 

Ein Mönch namens Friedrich Myconius floh aus dem Annaberger Kloster, wurde Reformator und predigte fortan in Buchholz. Zahlreiche Annaberger gingen heimlich nach Buchholz in den lutherischen Gottesdienst. Zwei Welten, nur Schritte voneinander entfernt.

 

Das war gefährlich und wurde bestraft, teilweise sogar mit Auspeitschung. Was den Fortschritt nicht aufhielt.

 

1539, nachdem Heinrich von Sachsen als Herzog über Annaberg herrschte, wurde auch hier die Reformation eingeführt. Beide Städte Annaberg und Buchholz versöhnten sich. Religiös gesehen. Politisch arbeitete man nur bedingt miteinander. Manchmal stand man sich auch feindlich gegenüber, beispielsweise im Schmalkaldischen Krieg. Vertreter von alter katholischer Lehre und Anhänger der Reformation bekämpften einander. Erst die Wittenberger Kapitulation von 1547 legte die Kurwürde wieder in die Hände des Sachsenherzogs. Das war in dieser Zeit Herzog Moritz, ein Albertiner.

 

***

Immer wieder gab es Bestrebungen, die beiden immer größer werdenden Städte, die langsam zusammenwuchsen, zu vereinigen. Das scheiterte am Widerstand der Einwohner der einen oder anderen Seite. Entweder so oder so. Die Ablehnung war halt da. Vielleicht ein Erbe der uneinigen Städtegründungsbrüder Georg und Friedrich.

 

Im zweiten Weltkrieg blieb Annaberg fast verschont, Buchholz dagegen wurde stark zerstört. Dann, nach 1945, wurde vieles anders.

 

***

Eingehäkelte Waldschlösschenbrücke 2015 in Annaberg-Buchholz. Die Brücke gilt als Grenze zwischen den beiden einst unabhängigen Städten. Hier wird der Jahrestag der Verbindung gefeiert. (www.annaberg-buchholz.de)
Eingehäkelte Waldschlösschenbrücke 2015 in Annaberg-Buchholz. Die Brücke gilt als Grenze zwischen den beiden einst unabhängigen Städten. Hier wird der Jahrestag der Verbindung gefeiert. (www.annaberg-buchholz.de)

 

Die Stadt Annaberg-Buchholz wurde 1945 auf Anordnung der sowjetischen Besatzungsmacht gebildet. Durch den Uranbergbau und dessen Bedeutung in der damaligen Weltpolitik bekam die ganze Region eine besondere Bedeutung. Die endgültige Vereinigung der beiden Städte wurde 1948/1949 durchgesetzt, diesmal auch gegen den Widerstand so mancher Einwohner.

 

***

 

 

Über die Brücke hinein nach Buchholz. Annaberg liegt mir im Rücken. Ich fühle mich etwas fremd, tatsächlich.

 

 

Ruhige Straßen. Eine kleine, steil abwärts führende Gasse heißt "Zum Betriebsgraben". Dieser sehr romantische Name lockt mich von der Straße weg direkt da hinein. Und was ist? So unspektakulär und unkuschelig genannt und dann so überraschend schön. 

 

 

Dieser Name erinnert mich an so manchen eigenen betrieblichen Grabenkampf. Aber das ist jetzt alles weit weg, in der stillen und sonnigen Mittagsstunde. Friedlich. Sieh selbst:

 

 

Während ich im Wechsel von hellem Sonnenlicht und dunkelgrünem Schatten den Betriebsgraben entlang gehe, fällt mir noch ein bissel was ein. Hier zu Buchholz.

 

 

Freibad am Stangewald in Buchholz (www.myheimat.de)
Freibad am Stangewald in Buchholz (www.myheimat.de)

 

Unterhalb der Katharinenkirche war vor ein paar Jahren eine Kleiderboutique. Die hatte sich offensichtlich mit der Katharinen-Kirche verabredet, mit mir nichts zu tun haben zu wollen. Denn immer waren beide zu, war ich mal in der Gegend. Eines Tages hing da ein wunderschönes Sommerkleid im Fenster. Knalltürkis mit kleinen weißen Punkten, schwingender Rock, kniekurz. Ich sah es nur am Wochenende im Vorbeifahren....

 

Nämlich zum schönen Bad am Stangewald, besonders in Erinnerung ein kühler, aber sonniger Tag. Wo ich hier vor ein paar Jahren im Strandkorb lag und das ganze Bad wie einen riesigen Pool für mich allein hatte. Kleine Wellen machte der Wind auf dem hellblauen Wasser.

 

***

 

 

Und dann kommt die Überraschung: Wir finden den Hutmacher! Genauer gesagt - seine Gasse. War doch klar, dass es ihn wirklich gibt.

 

 

Bei der ganzen Träumerei über Buchholzische Ereignisse und den Hutmacher im Wunderland, da wundert es eigentlich keinen, dass wir uns auf dem Rückweg verlaufen haben. Zwischen Buchholz und Annaberg, das musst Du auch erst mal hinkriegen... Sicher war "the withe rabbit" von Alice hier der Verursacher. Wer weiß schon, wo er uns hinlocken wollte.  Machte aber nichts, bei dem herrlichen Wetter. Außerdem gabs deshalb unplanmäßig Erdbeertorte und Kaffee - also. Vielleicht war das auch des Hasen Werk.

 

Und ich weiß jetzt endlich, wie lang die Talstraße ist.

 

 

Auch der Maulwurf ist zufrieden mit der Situation und genießt Tag und Torte.

 

***

 

In der Kirche waren wir wieder übrigens nicht. Ich weiß gar nicht, ob sie offen war diesmal. Bei dem Wetter wollte ich gar nicht hinein. Wird nachgeholt, ganz bestimmt.