21. Oktober 2018; Andasibe NP > Palmarium (Reservat Akanin’ny nofy)

Palmarium, wir kommen!

Ach, gut haben wir heute Nacht geschlafen und sind auch gar nicht genervt, als die Indris ihr Morgenkonzert, nach einem Tag Pause, wieder anstimmen, im Gegenteil. Begleitet von ihrem Gesang packen wir unsere Siebensachen, stellen sie abholfertig aufs Bett und begeben uns dann zum Frühstück hinunter ins Restaurant. Kaum haben wir uns gestärkt, tauchen auch schon Fitah und Aina auf. „Ganz liebe Grüße von Sahouli und vielen Dank! Sie lässt euch ausrichten, sie hätte euch gestern Abend so gerne noch mehr gezeigt. Und sie bedankt sich ganz herzlich fürs Trinkgeld und dass ihr es ihr nicht übel genommen habt, dass es zweimal geregnet hat. Ist es okay, wenn wir in einer halben Stunde fahren?“ „Klar ist das okay. Fitah, könntest du bitte veranlassen, dass unser Gepäck nach unten gebracht wird. Es steht gepackt auf dem Bett, zwei Taschen.“ Heinz fühlt sich ein wenig unwohl bei der Aktion und wollte das schwere Zeug selbst herunterschleppen, doch ich bin da ausnahmsweise mal anderer Meinung. Die Resortjungs klettern auf den Treppen umher wie junge Gämsen und sind alle muskelbepackt. Warum sollen also wir „alte“ Leute unser Gepäck selbst tragen und uns vielleicht noch bei einem Sturz den Hals brechen? Nein, ein wenig Service dürfen wir uns durchaus gönnen!

Und so wird’s gemacht: Zwei freundliche Angestellte gämsen mit unseren Taschen aus der dritten Etage herab, als wäre es nichts, bekommen etwas Trinkgeld und schon können wir abfahren. Mit wenig Bedauern winke ich den Mördertreppen noch einmal zu und zwei Minuten später sind wir unterwegs. Unterwegs nach Akanin’ny nofy, einem vergleichsweise luxuriösen Resort am Lac Ampitabe, einem der Seen des Canal de Pangalanes. Ich freue mich schon sehr darauf und betrachte diesen Aufenthalt als krönenden Abschluss unserer Madagaskar-Reise – Ruhe, ein wenig Luxus und viele, viele Lemuren! Lassen wir uns überraschen.

Verbotene Früchte – Bananen für die Palmarium-Lemuren

Jetzt aber steht erst mal Fahrerei an. Nicht schlimm, nur so um die 140 km, doch am liebsten wäre ich eben schon da… Na ja, dann kurven wir halt erstmal ein wenig. Es geht aus dem Andasibe-Gebiet hinaus auf die RN2 und dann immer ostwärts. Die Landschaft ist, gerade nach dem üppigen Wald im Park, mal wieder ein Trauerspiel. Kahle Hänge, kaum Bäume und Erosion, wohin das Auge auch blickt. Selbst an den steilsten Hügeln sind Felder angelegt, oft mit einem Neigungswinkel von über 45 Grad, nackte Erde leuchtet rot und blickt angstvoll der kommenden Regenzeit entgegen. Allenthalben sieht man zudem dicke Rauchwolken aufsteigen, ein deutliches Zeichen, dass hier gebrandrodet wird. Ach Planet, was soll nur aus dir, aus uns allen werden?

Lange schunkeln wir durch diese trostlose Landschaft und hängen unseren Gedanken nach. Dann aber wird unsere Aufmerksamkeit bald wieder von anderen Dingen in Anspruch genommen. Wir erreichen Brikkaville, ein schmutziges Kaff, das sich kaum von anderen Städten Madagaskars unterscheidet, außer dass es direkt an einer Bahntrasse liegt, industrielle Bedeutung durch Zuckerrohr erlangt hat und demzufolge noch uneinladender wirkt. Hurtig durchqueren wir diesen Ort und sehen zu, dass wir Land gewinnen. Nach einigem Gestaue durch die verstopften Straßen Brikkavilles hat uns dann das ländliche Madagaskar wieder. Zwar wird die Besiedelung zur Küste hin erneut dichter, doch die kleinen Dörfer, die sich wie Perlen am Straßenrand aufreihen, haben deutlich mehr Charme. Nach unterhaltsamen, bunten 108 km erreichen wir ein weiteres Örtchen, das durch seine zahlreichen Marktstände rechts und links der Straße auffällt. „Das ist Antsampanana und hier werden wir Bananen für unseren Aufenthalt im Palmarium kaufen“, informiert uns Fitah. „Bananen? Wir dachten, das sei nicht erwünscht?!“ „Quatsch, ALLE Besucher bringen Bananen für die Lemuren mit!“ „Na, wenn du das sagst, wird es wohl stimmen.“ Tatsächlich wissen wir, dass den Besuchern des Palmarium nahegelegt wird, keine Bananen zur Fütterung der Lemuren mitzubringen, aber auch, dass es sich so verhält, wie Fitah sagt: JEDER kommt mit einem Bündel der gelben Früchte im Gepäck in das Resort mit den zutraulichen Feuchtnasenaffen. Mit einem nur leicht schlechten Gewissen fügen wir uns also den Gepflogenheiten und kaufen für einen Spottpreis zwei Dolden verlockend süßer Bananen. Fitah ist mit seinen hin und wieder recht widerspenstigen Touristen zufrieden und assistiert Heinz noch beim Kauf anderer exotische Früchte, nicht ohne ihn darauf hinzuweisen, dass die Lemuren diese wohl verschmähen werden. „Nein, die kaufe ich für mich selbst, ich brauche die Kerne, um sie anzupflanzen!“ Fitah guckt verständnislos, freut sich aber, dass er Heinz behilflich sein konnte – beim Handeln und beim Eruieren der Namen der unbekannten Früchte, die nicht mal ihm geläufig sind. Nach einer halben Stunde haben wir schließlich alles eingemarktet und setzen unseren Weg fort.

Es rumpelt – nicht nur auf der Piste …

Gegen Mittag verlassen wir die geteerte Straße und Aina sieht uns bedeutungsschwanger durch den Rückspiegel an. „Jetzt wird es rumpelig, schlechte Straße, sehr schlecht!“ Spricht’s und holpert auf eine Piste, die vor Schlaglöchern, tiefen Rinnen und äußerst rustikalen Wegführungen nur so wimmelt. Heinz und ich nehmen es gelassen, denn wir sind aus unseren Afrikaurlauben weitaus Schlimmeres gewöhnt, Aina hingegen kann’s nicht glauben und späht uns immer wieder abschätzend durch den Rückspiegel an. „Ich fahre ganz vorsichtig! Ist es okay für euch?“ Wir beruhigen ihn und genießen das Geöttel über dieses unebene Terrain.

Nach geraumer Weile kommen wir, sicher und wohlig durchgerüttelt, in einem kleinen Örtchen an. „Das ist Manambato, es liegt am Lac Rasoabe und von hier aus werden wir zum Palmarium starten. Aber erst nehmen wir einen Lunch zu uns“, informiert uns Fitah. Na klar, ohne Lunch geht es nicht… Schicksalsergeben lassen wir uns durch den Ort chauffieren und laufen bald darauf in einem Etablissement namens „Les Acacias“ ein. Auf einer schattigen Terrasse ist bereits für uns gedeckt, freundlich werden wir vom Betreiber und dessen Gattin begrüßt. Aina, Fitah und Heinz lassen sich sofort am Tisch nieder und wählen etwas zu essen, ich hingegen verzichte darauf, denn es rumort verdächtig in meinem Gedärm. Oft habe ich etwas Probleme mit der Verdauung im Urlaub. Die ungewohnt ballaststoffarme Kost, die anderen klimatischen Bedingungen und mangelnde Bewegung lassen meinen Darm träge werden. Das Geschunkel über die extrem unebene Piste nach Manambato jedoch scheint so einiges locker gerüttelt zu haben, und das muss jetzt raus. Ich sehe mich deshalb nach einer Toilette um. Och nö! Das Klo liegt etwa fünf Meter von unserem Tisch entfernt, die Tür besteht aus luftig aneinandergereihten Brettern und eine Spülung gibt es nicht – man gießt stattdessen mit einer Blechbüchse aus einem wassergefüllten Eimer in das WC, um seine Hinterlassenschaften zu beseitigen. Och nö! Doch da muss ich jetzt wohl durch, und alle anderen Anwesenden auch…

Über zwei Seen zum Ziel

So, erledigt. Etwas peinlich berührt ob das deutlich hörbaren Erleichterungsvorganges, den ich soeben erfolgreich hinter mich gebracht habe, kehre ich zu unserem Tisch zurück. Doch die Jungs Speisen seelenruhig vor sich hin und lassen sich nichts anmerken; lediglich Heinz fragt mich besorgt, ob es mir wieder besser ginge. Ja, das tut es! Erleichtert kippe ich mir noch eine kühle Cola rein, dann kommt Aufbruchstimmung auf. Ein paar Resortangestellte schultern unser aller Gepäck und lotsen uns hinab zum Strand. Dort liegt ein Motorboot bereit, in dem unser Zeug verstaut wird. Wir klettern an Bord und los geht es, hinaus auf dem Lac Rasoabe, der am südlichen Ende des Canal de Pangalanes liegt. Dieser Kanal ist eine Kombination natürlicher Seen und Lagunen, parallel zum Indischen Ozean, die in achtjähriger Bauzeit durch Menschenhand zu einer fast 650 km langen Wasserstraße verbunden wurden. Ein unfassbares Projekt, dem man das menschliche Eingreifen auf den ersten Blick nicht ansieht. Im Gegenteil: Wir schippern auf einen See hinaus, dessen Ufer man kaum sehen kann, manövrieren dann durch eine großzügig bemessene Enge, deren Anrufer von wunderschönen Riesenaronstäben gesäumt werden. Immer wieder sieht man Menschen, die hier am Ufer des Kanals wohnen: Fischer, badende Kinder, waschende Frauen – und viel Natur.

Die Fahrt dauert gute anderthalb Stunden und ist sehr kurzweilig. So kurzweilig, dass wir fast erstaunt sind, als wir am Anleger des Palmarium-Resorts ankommen. Unser Bootsführer vertäut das Boot, wir entsteigen dem Kahn und klettern mal wieder eine Flucht steiler Treppen nach oben, während ein paar Resortangestellte das Gepäck hinter uns her schleppen. Wir werden in den Barbereich geleitet, wo uns ein Empfangscocktail und eine kurze Einführung kredenzt werden. Die Einführung dreht sich nicht, wie wir schon befürchtet hatten, und Dos and Donts im Umgang mit den Lemuren, sondern lediglich um die Örtlichkeit im Allgemeinen und um das Vorbestellungsprozedere für Mahlzeiten. Dann werden wir entlassen und man bringt uns zu unserem Bungalow, der, wie sollte es anders sein, in maximaler Entfernung zum Restaurant liegt. Wir tappern ein kleines, gepflastertes Weglein treppauf, treppab durch den dichten Wald, prägen uns dabei die Wegführung genau ein und erreichen schließlich unser Domizil für die nächsten vier Nächte.

Luxus und Lemuren

Holla die Waldfee, ist das ein Palast! Ein riesiger Schlaf-Wohnbereich, ein spaziöses Bad mit Natursteindusche, eine separate, nicht weniger großzügige Toilette und eine gemütliche Holzveranda mit Blick auf den Lac Ampitabe laden zum Verweilen ein. Ja, hier lässt es sich aushalten! Begeistert und etwas ungläubig bestaunen wir unser Luxusdomizil, richten uns häuslich ein und lassen uns dann erst mal auf der Terrasse nieder. Wir lauschen dem fernen Rauschen des Indischen Ozeans, inspizieren die nähere Umgebung, werfen uns mit wohligem Quieken auf das Kingsize-Bett und genießen einen faulen, sehr untätigen Nachmittag, bis wir bei Einbruch der Dämmerung beschließen, nun doch zur Bar vorzugehen und uns dort die Zeit bis zum Abendessen zu vertreiben. Sorgfältig schließen wir alle Fensterläden – ein dringender Rat der Resortleitung, um das Eindringen neugieriger Lemuren zu verhindern – und traben Richtung Zentralgebäude, das uns plötzlich gar nicht mehr so weit entfernt erscheint. Dann ordern wir jeder ein Getränk und lassen uns an einem strategisch günstigen Ort nieder, um das Treiben diverser anderer Gäste zu beobachten. Aha, einige Tagesausflügler rüsten offensichtlich zum Aufbruch, ein paar Gäste haben sich schon fürs Dinner aufgehübscht und eine Gruppe, scheinbar eine geführte Fototour, fachsimpeln über die Ausbeute des Tages. Und über all diesen Menschen turnen mindestens zwanzig Lemuren verschiedener Couleur durch die Bäume – stets auf der Lauer, ob sich nicht irgendwo etwas abgreifen lässt.

Ein französisches Ehepaar bekommt gerade Kaffee serviert; der Herr trinkt schwarz, die Dame rührt Zucker und Milch in ihre Tasse. Dann ein winziger Augenblick der Unaufmerksamkeit und ein schwarz-weißer Vari hat sich die Zuckerdose gegriffen, ein zweiter schlürft genüsslich aus Madames zierlichem Tässchen. Die beiden Lemuren richten ein ziemliches Durcheinander an, als ein Angestellter mit einem Stock in der Hand drohend auf sie zustürmt und sie daraufhin Hals über Kopf flüchten, nur um sich ein paar Meter entfernt wieder niederzulassen und sich mit Wonne Zucker und Milchkaffee aus dem Pelz zu lecken. Aha, so läuft hier da Hase, respektive der Lemur. Das können ja spannende Mahlzeiten werden!

Heinz und ich schaffen es auszutrinken, ohne unserer Getränke beraubt zu werden und amüsieren uns deshalb umso entspannter über die übergriffigen Lemuren. Dann allerdings senkt sich die Dunkelheit über das Resort und ziemlich plötzlich hat der Spuk ein Ende. Alle Lemuren, die sich hier im Restaurantbereich auf Diebeszug befinden, sind nämlich tagaktiv und streichen bei Einbruch der Nacht die Segel – Schlafenszeit! Das verspricht ein ungestörtes Dinner, na ja zumindest ungestört von Lemuren…

Wir erheben uns von unserem Beobachtungsposten und begeben uns ins Restaurant, wo uns ein Platz zugewiesen wird, den wir wohl für die Dauer unseres Aufenthalts behalten werden. Und der ist gefährlich. Die Lokalität ist nämlich in zwei Bereiche unterteilt: Einer befindet sich unter dem Dach des Hauptgebäudes, in dem auch Rezeption und Bar zu finden sind – und dort ist immer mindestens ein Angestellter zugange -, Personen, vor denen die Lemuren ziemlichen Respekt haben. Unser Tisch jedoch steht in einer Art Pavillon gegenüber des Hauptgebäudes. Hier lässt sich das Personal in der Regel nur zum Servieren blicken – eine Tatsache, die die Lemuren zu nutzen wissen, wie wir in der vergangenen Stunde ja schon beobachten durften. Aktuell aber droht keine Gefahr, denn es ist ja bereits dunkel und, wie erwähnt, Zeit fürs Lemurenbett.

Beruhigt lassen wir uns nieder und genießen das 3-Gänge-Menü, das uns im Anschluss serviert wird. Fitah und Aina sitzen übrigens mit uns am Tisch, bekommen aber wieder mal Malagasy-Spezialkost und sehen immer wieder scheel auf unsere Teller. Nein, sie sind beileibe nicht neidisch, sondern heilfroh, das nicht essen zu müssen. Gambas, Fleisch, ein komisches Dessert – und kein Reis. Nein, das geht gar nicht für unsere Jungs! So hat also jeder, was ihm schmeckt und das ist gut so. Zufrieden plaudern wir uns dergestalt durch den Abend, beenden das Dinner, nehmen noch einen Schlaftrunk und verkrümeln uns anschließend in unsere Unterkünfte, um uns für den morgigen Tag fit zu schlafen. Denn da ist ein ausgiebiger Walk geplant, bei dem wir uns mit der örtlichen Flora und Fauna näher vertraut machen können. Wir freuen uns!

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