CORONAres Herz- und Hirnversagen

Während uns das derzeitige Leben einiges über UNS und einen solidarischen, empathischen Umgang mit anderen Menschen lehrt, verlangt es auch gleichzeitig danach, den Umgang mit Einschränkungen und Verzicht zu meistern. Für den einen mehr, für den anderen weniger, stellt es sicherlich eine große Herausforderung dar, körperliche Distanz zu wahren und dabei gleichzeitig emotionale Verbundenheit zu kultivieren. Das Ganze bietet meiner Meinung nach aber auch viel Freiräume, wertvolle Zeit für sich, für andere Menschen, Themen und Dinge.

Ich habe das Gefühl, dass wenn wir jetzt mit offenen Augen und Herzen und der nötigen Prise „kritisches Auseinandersetzen“, die Nachrichten aus den verschiedensten Quellen betrachten, immer tiefere Einblicke in das Leben von anderen Menschen, anderen Berufs- und Altersgruppen und anderen Thematiken bekommen. Da Corona & Co. medientechnisch gerade das Topthema Nummer Eins ist, bietet es uns doch gerade dadurch, dass wir uns mehr und mehr mit globalen Themen kritisch auseinandersetzen, die Chance, andere Themen wie Umweltschutz, Menschenrechte, Kriege, etc., genauer zu betrachten und gegebenenfalls aktiv zu werden. Im Kleinen, wie im Großen.

Dieses „wie wirkt sich die Krise auf die verschiedenen Menschen und Bereiche aus“, verbunden mit den erschütternden Bildern, Zahlen und Fakten, ist mit Sicherheit auch ein großer Beweggrund für solidarisches Handeln und die verschiedensten kreativen, verbindungsschaffenden Aktionen in den verschiedensten Lebensbereichen.

Wahrnehmbar ist auch, dass Menschen nun Gehör finden, die vielleicht nie ihre Stimme erhoben hätten. Wertvolle Einblicke in Schicksale, Missstände…aber auch in so viel Gutes.

Doch begegnen uns auch immer wieder Bilder und Kommentare, die von vermeintlicher Coolness im Umgang mit dem Virus zeugen, Menschen die Ratschläge und Vorgaben komplett ignorieren. Stattdessen werden beispielsweise Todeszahlen miteinander verglichen, mit Statements wie Kriege und Hungersnöte fordern doch viel mehr Opfer, also warum die Angst vor Corona?! Wie menschlich abartig muss man sein, überhaupt Todeszahlen miteinander zu vergleichen. Jedes einzelne verlorene Leben ist doch gleich tragisch. Egal ob durch Kriege, Krankheit oder Verkehrsunfälle.

Ich bin auch der Überzeugung, dass Menschen mit einem durchschnittlich gesunden Menschenverstand, andere Thematiken ebenso im Blick haben und Ängste sicher in dem begründet sind, dass niemand sagen kann, wie all das ausgehen wird. Ängste auch um Existenzen, Angehörige, Eltern, Kinder und Kranke. Ich frage mich also, was das für Menschen sein müssen. Menschen, die in ihrer Blase vor dem Handy leben, Menschen ohne ernsthafte, langfristige emotionale Bindungen, Menschen die nie gelernt haben an Andere zu denken, Menschen denen die Zentren für Empathie fehlen, Menschen die von anderen Menschen erwarten, schützende Maßnahmen zu befolgen, so dass sie selbst diese nicht befolgen müssen und sogar ausnützen können? Menschen, die tatsächlich immer noch nicht kapiert haben, dass es nicht nur um sie geht? Ich weiß es nicht.

In Anbetracht dessen, dass diese Menschen sicherlich einen kleinen Prozentsatz der Bevölkerung darstellen, ist es es eigentlich auch gar nicht Wert darüber zu schreiben oder darüber negative Emotionen zu hegen. Und ja, wahrscheinlich wäre es auch richtig für diese Menschen Mitleid zu empfinden, da sie all das nicht fühlen und erleben können, was die Menschheit gerade auch an Positivem erfährt und hoffentlich noch erfahren wird. Kann sein, dass ich hierbei auch zu sensibel reagiere, da ich bei meiner Arbeit als Ergotherapeut an einer Schule für Kinder mit einer Behinderung jeden Tag mit Menschen arbeite, die dieses Virus ernsthaft und tödlich bedrohen könnte. Vielleicht auch, weil mir einmal mehr vor Augen geführt wurde, wie fragil unser Körper doch sein kann, als ein „ganz normales Virus“ bei meinem Vater eine seltene Autoimmunerkrankung auslöste, die ihn komplett ausknockte. Von einem fitten Menschen, der von den Ärzten immer Bestwerte geliefert bekam, der mich sportlich, mit seinen fast 70 Jahren, um Längen abzog, und nun von einem Tag auf den anderen im Rollstuhl saß. Ein doch auch stolzer Mann, der nun „fremden Menschen“ Vertrauen schenken und sich von ihnen und seiner Familie pflegen lassen musste. Auf meine Frage hin, ob es eine genetische Disposition für diese Erkrankung gäbe, oder begünstigende Faktoren, meinte die Ärztin nur „es hätte jeden treffen können“. Egal ob alt, jung, fit oder vorerkrankt.

Ich bin ganz bestimmt kein Mensch, der andere verurteilt oder mit dem erhobenen Zeigefinger rumläuft und eigentlich spreche ich allen Menschen erstmal einen gesunden Menschenverstand zu, aber jetzt lass ich mal mein meist gutes und zivilisiertes Benehmen und strecke genau in dem Moment in dem ich diese Zeilen schreibe, den Mittelfinger für diese Menschen in die Luft. Schämt euch!

Wer mich nur ein bisschen kennt, der weiß, dass ich auch kein Kind von Traurigkeit bin, ja und ich lache auch gerne über die kleinen Videos in den sozialen Medien, die lustig, kreativ und manchmal auch sarkastisch mit der Coronakrise umgehen. Denn das ist prima Psychohygiene. Und ja, ich kann Gott, meiner Familie und Freunde sei Dank, auch ganz oft ausblenden was gerade alles Tragische um uns herum passiert. Gerade dann, wenn ich in die Augen meiner Söhne schaue, die eigentlich in dem Alter nur darauf programmiert sind, die Welt in ihrer Ganzheit und der vollen Bandbreite zu erfahren, auch wenn sie dieses Jahr nicht wie geplant und bereits gebucht, ihre Körper in den Sand von Elba bauen und dem Papa und der Mama den Sand bis in die Arschritzen streuen. Aber für so etwas fehlt mir jegliches Verständnis.

Also wende ich mich schnell wieder dem Guten zu…lasst uns so weitermachen. Meine größte Hoffnung ist, dass das Ganze auch nachhaltig einen Platz in uns findet und einen Motor speist, der uns weiterhin zu solidarischem und empathischen Handeln veranlasst. Das Ganze ist wahr…und es geschieht JETZT!

stay united at home, euer Tobi