Larveneltern

Das Schwierigste am Elternsein ist es, loslassen zu lernen

Kennen Sie das? Unsere Kleinen werden schrittweise immer größer und größer. Erst liegen sie nur neben uns, dann fangen sie an zu robben, zu krabbeln und schließlich zu laufen. Unsere Freude über jeden dieser Entwicklungsschritte ist groß, bis wir realisieren, was alle dies Schritte gemeinsam haben: Stück für Stück entfernen sich unsere Kinder immer weiter von uns. Räumlich, nicht emotional.

Unsere Kleinen wollen selbständig werden. Neues ausprobieren. Mit der Gewissheit unserer Unterstützung, jedoch nicht unbedingt an unserer Hand. Und immer öfter kommen sie: diese kleinen Augenblicke, in den wir Eltern loslassen müssen. Loslassen, damit unsere Kinder wachsen können. In meiner eigenen Kindheit in den 80ern haben die Eltern viel früher losgelassen als heute. Wir waren schon mit vier und fünf Jahren allein auf dem Spielplatz. In einer Zeit, in der es noch keine Handys gab, dafür aber sechs Spielplätze im Umkreis von zehn Minuten zu Fuß. Das bedeutet, unsere Eltern wussten nicht immer, auf welchem Spielplatz wir eigentlich waren. Und heute? Wir wohnen noch in der gleichen Gegend wie damals aber Kinder ohne ihre Eltern sieht man selten. Sogar vor unserer Grundschule gibt es jeden morgen einen Stau der Elterntaxis. Und das in einer Straße, in der den ganzen Tag über fast kein Verkehr ist. Nur zu Schulbeginn und -ende sind die Gehwege zugeparkt, man kann die Straße fast nicht überqueren und ein Auto nach dem anderen schiebt sich an der Schule vorbei.

Immer weniger Grundschulkinder laufen tatsächlich alleine zur Schule, immer mehr Eltern haben Angst. Und immer Kinder haben ebenfalls Angst. Angst, die sich von uns Eltern überträgt und die nur schwer wieder weggeht. Wenn man einem Erstklässler erklärt, er darf nicht allein zur Schule gehen, da das zu gefährlich ist, lernt er, dass überall Gefahren lauern. Und wenn man dann in der zweiten Klasse gerne hätte, dass das Kind doch allein geht, traut es sich nicht. Und in der dritten? Und plötzlich müssen wir mit unseren Kindern üben Ängste zu überwinden, die wir selbst ihnen erst gegeben haben.

Wie oft muss ich mich überwinden, meinen Kindern etwas zu erlauben, wovor ich innerlich eigentlich Angst habe, von dem ich aber weiß, dass es für ihre Entwicklung wichtig ist? Unzählige Male! Als unsere Große schon in der ersten Schulwoche alleine nach Hause kommen wollte und dann getrödelt hat, weil die Mutter eines Klassenkameraden ihnen noch am Kiosk etwas Süßes gekauft hat… Ich stand am Fenster und war sehr nervös! Doch ich habe gelernt: es passiert nichts, alles ist gut. Oder als der Kleine zum ersten mal alleine eine hohe Rutsche hochgeklettert ist – bevor er überhaupt laufen konnte… Oder das erste Anzünden einer Kerze mit Streichhölzern… Das erste Schneiden mit einem Messer… Fahrradfahren, ins Landschulheim gehen (in der ersten Klasse), die ersten Ferien ohne die Eltern, die erste Übernachtung bei Oma und Opa… die Liste ist endlos lang. Immer war mir flau im Magen und immer musste ich mich überwinden, meinen Kindern nicht zu zeigen, dass mir unwohl ist. Schließlich war ihr Enthusiasmus so unglaublich wertvoll. Und immer hatten sie recht: sie konnten das alles, haben es geschafft sich ein Stück von den Eltern zu lösen und eigenständig ein neues Stück Welt für sich zu erobern. Und jedes Mal war ich hinterher unglaublich stolz. Stolz auf die Kinder, die es geschafft hatten und auch ein bisschen auf mich, weil ich es zugelassen hatte.

So wachsen wir seit 8 Jahren zusammen. Aber das Loslassen fällt mir immer noch schwer, doch ist es für Eltern und Kinder ein unglaublich wichtiger Prozess. Und früher oder später müssen wir alle unsere Kinder freigeben. Irgendwann werden sie das Nest verlassen und ausziehen. Und da ist es doch besser, wenn man sich vorher in kleinen Schritten schon darauf vorbereitet hat, oder?

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