Ob eine Insolvenzanfechtung droht, wenn ein Insolvenzverfahren eröffnet wird, ist in vielen Sanierungsgesprächen und -verhandlungen ein relevanter Punkt.

Abonnieren Sie kostenlos unseren NewsletterEine Voraussetzung, damit Handlungen durch den Insolvenzverwalter angefochten werden können, ist, dass diese Handlung die Gläubiger benachteiligt hat (§ 129 InsO). Wenn beispielsweise der Schuldner an einen Gläubiger zahlt, werden dadurch die anderen benachteiligt.

Aber wie ist es zu beurteilen, wenn es am Ende keine Forderungen von Insolvenzgläubigern gibt? Oder andersherum gefragt: kann ein potentieller Anfechtungsgegner sich dadurch freikaufen, dass er die Insolvenzgläubiger befriedigt?

In dem vom Bundesgerichtshof (BGH) am 14.02.2019 entschiedenen Fall (X ZB 25/17) ging es um folgenden Sachverhalt:

An die B waren nach dem Tod ihrer Mutter aus zwei Lebensversicherungsverträgen insgesamt rd. 33 T€ ausgezahlt worden. Da der B kein unwiderrufliches Bezugsrecht zugestanden hatte, hat der Insolvenzverwalter diese Auszahlung als unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO angefochten.

Es gab nur einen Insolvenzgläubiger mit einer zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderung von rd. 6 T€; dieser hat die Anmeldung zurückgenommen, nachdem die B seine Forderung befriedigt hatte.

In der Folge beantrage B die Einstellung des Verfahrens. Nachdem ihn das Gericht dazu aufgefordert hatte, beantragte der Insolvenzverwalter die Festsetzung seiner Vergütung. In die Berechnungsmasse hatte der Verwalter auch die Höhe des Anfechtungsanspruchs einberechnet – zu Recht, wie der BGH meint.

Die Vergütung ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 InsVV nach dem Schätzwert der Masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens zu berechnen. Einzubeziehen sind auch Vermögenswerte, die noch nicht verwertet worden sind.

Dies gilt allerdings nur in dem Umfang, in dem die Einziehung der Forderung zur Befriedigung aller Gläubiger – der Insolvenz- wie auch der Massegläubiger – erforderlich gewesen wäre. Nach Ansicht des BGH steht der Anfechtung auch nicht entgegen, dass nur ein einziger Insolvenzgläubiger vorhanden war. Weil die Begründung lesenswert ist, soll sie hier insoweit wiedergegeben werden (Rz 11 des Beschlusses):

Das Gesetz erklärt in § 129 Abs. 1 InsO Rechtshandlungen für anfechtbar, welche die Insolvenzgläubiger benachteiligen. Damit wird aber keine Mehrzahl von Insolvenzgläubigern vorausgesetzt. Es soll lediglich zum Ausdruck gebracht werden, dass die Insolvenzgläubiger in ihrer Gesamtheit benachteiligt sein müssen (BT-Drucks. 12/2443 S. 157); es genügt nicht, dass nur einzelne Gläubiger aus dieser Gesamtheit benachteiligt werden. Nur in diesem Sinne trifft die Aussage zu, dass die Benachteiligung eines einzelnen Gläubigers nicht genügt (vgl. Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 129 Rn. 46). Ist nur ein Insolvenzgläubiger vorhanden, stellt dieser die Gläubigergesamtheit dar. Seine Benachteiligung kann die Anfechtung einer Rechtshandlung rechtfertigen.

Ebenso wenig steht der Anfechtung entgegen, dass die weitere Beteiligte zu 2 während des Nachlassinsolvenzverfahrens die Forderung des einzigen Insolvenzgläubigers befriedigt hat. Der Anfechtungsanspruch entstand mit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens. Zu diesem Zeitpunkt waren sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, einschließlich der unmittelbar durch die Zuwendung der Versicherungsleistungen bewirkten objektiven Gläubigerbenachteiligung. Die einmal gegebene Gläubigerbenachteiligung kann grundsätzlich nur dadurch wieder beseitigt werden, dass der Anfechtungsgegner den anfechtbar erhaltenen Gegenstand oder dessen vollen Wert im Sinne einer vorweggenommenen Befriedigung des individuellen Rückgewähranspruchs in das Vermögen des Schuldners zurückführt (BGH, Urteil vom 10. September 2015 – IX ZR 215/13, WM 2015, 1996 Rn. 15 mwN). Dies ist hier nicht geschehen.

Soweit der Bundesgerichtshof im Übrigen ausgeführt hat, die Insolvenzgläubiger würden nicht benachteiligt, wenn die Insolvenzmasse auch ohne Anfechtung und Rückgewähr des Erlangten ausreiche, um alle Gläubiger zu befriedigen (BGH, Urteil vom 19. September 1988 – II ZR 255/87, BGHZ 105, 168, 187; vom 20. Februar 2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 Rn. 20), ist damit der Fall gemeint, dass Insolvenzgläubiger vorhanden sind und die Masse groß genug ist, um zunächst die vorrangigen Kosten des Verfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten zu decken und sodann sämtliche Insolvenzforderungen zu befriedigen. Damit nicht vergleichbar ist der hier gegebene Fall, dass die Masse nicht ausreicht, um die Masseverbindlichkeiten und den (einzigen) Insolvenzgläubiger zu befriedigen, und der Anfechtungsgegner ausschließlich die Forderung des Insolvenzgläubigers begleicht.

Mit Freikaufen war hier also nichts.

Im wirtschaftlichen Ergebnis musste B also nicht nur die Forderung des einzigen Insolvenzgläubigers begleichen, sondern auch alle Masseverbindlichkeiten – hier die Vergütung des Verwalters und die Gerichtskosten – und sich dabei so behandeln lassen, als habe der Insolvenzverwalter den Anfechtungsanspruch erfolgreich durchgesetzt.

Kurze Auffrischung: Hier haben wir den Unterschied zwischen Insolvenzforderungen und Masseforderungen anhand eines BAG-Urteils erklärt.