Gedicht: Es waren zwei Königskinder

Es waren zwei Königskinder,
Die hatten einander so lieb;
Sie konnten zusammen nicht kommen,
das Wasser war viel zu tief.

„Ach Liebster, könntest du schwimmen,
So schwimm doch herüber zu mir!
Drei Kerzen will ich anzünden,
Und die sollen leuchten zu dir.“

Das hört in falsches Nörnchen,
Die tät, als wenn sie schlief;
Sie tät die Kerzlein auslöschen,
Der Jüngling ertrank so tief.

Es war an ei’m Sonntagmorgen,
Die Leut waren alle so froh;
Nicht so die Königstochter,
Ihre Augen saßen ihr zu.

„Ach Mutter, herzliebste Mutter,
Mein Kopf tut mir so weh!
Ich möchte so gern spazieren
Wohl an den grünen See.“

„Ach Tochter, herzliebste Tochter,
Allein solltest du nicht gehen,
Weck auf dein jüngste Schwester,
und die soll mit dir gehn!“

„Ach Mutter, herzliebste Mutter,
Meine Schwester ist noch ein Kind,
Sie pflückt ja all die Blümlein,
Die auf Grünheide sind.“

„Ach Tochter, herzliebste Tochter,
Allein sollst du nicht gehen,
Weck auf deinen jüngsten Bruder,
Und der soll mit dir gehn!“

„Ach Mutter, herzliebste Mutter,
Mein Bruder ist noch ein Kind,
Der schießt ja all die Vöglein,
Die auf der Grünheide sind.“

Die Mutter ging nach der Kirche,
Die Tochter hielt ihren gang,
Sie ging so lang spazieren,
Bis sie den Fischer fand.

„Ach Fischer, liebster Fischer,
Willst du verdienen großen Lohn,
So wirf dein Netz ins Wasser
Und fisch mir den Königssohn!“

Er war das Netz ins Wasser,
Es ging bis auf den Grund;
Er fischte und fischte so lange,
Bis er den Königssohn fund.

Sie schloss ihn in ihre Arme
Und küsst seinen bleichen Mund:
„Ach Mündlein, könntest du sprechen,
So wär mein jung Herze gesund!“

Was nahm sie von ihrem Haupte?
Eine goldne Königskron:
„Sieh da, du wohledler Fischer,
Hast deinen verdienten Lohn!“

Was zog sie von ihrem Finger?
Ein Ringlein von Gold so rot:
„Sieh da, du wohledler Fischer,
Kauf deinen Kindern Brot!“

Sie schwang sich um ihren Mantel,
Und sprang wohl in die See:
„Gut Nacht, mein Vater und Mutter,
Ihr seht mich nimmermeh!“

Da hört man Glöcklein läuten,
Da hört man Jammer und Not,
Hier liegen zwei Königskinder,
Die sind alle beide tot!

Das Gedicht gibt es – auch als Lied – in vielen Varianten schon seit dem Mittelalter. Der ursprüngliche Verfasser ist unbekannt.

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