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Edvard Munch: Wenn der Schrei im Halse ... als Echo ins Herz fährt

Edvard Munchs „Der Schrei“ schreit gar nicht


Schrei oder Nicht-Schrei? Das British Museum hat eine langjährige Debatte um die Bedeutung von Edvard Munchs wohl berühmtestem Gemälde gelöst.


Von Philipp Kienzl | ze.tt/zeit

Auuaah! | Foto: moma.com


Der norwegische Maler Edvard Munchs schuf zwischen 1893 und 1910 vier Gemälde sowie eine Lithografie mit dem Namen Der Schrei. Das Motiv dürfte den meisten bekannt sein: Unter einem roten, bedrohlichen Himmel steht eine geschlechtslose Person auf einer Brücke. Ihre Hände liegen auf den Ohren, die Person reißt vor Entsetzen Augen und Mund weit auf. Ihr Kopf ist simpel gehalten, fast totenkopfähnlich. Es scheint, als würde ihr ein Schrei entweichen – so die bisherige Annahme.

Wie das British Museum bekannt gegeben hat, trifft diese Interpretation nicht zu. Die Figur auf dem Bild stoße keinen Schrei aus, sondern höre einen Schrei, der aus der Natur kommt. Die Figur würde bloß mit einem entsetzten Gesichtsausdruck darauf reagieren. In der neuen Ausstellung Edvard Munch: Love and Angst zeigt das Museum eine lithographische Version von Der Schrei. Am unteren Rand des Bildes steht der Satz „Ich fühlte das große Geschrei durch die Natur“.

Detail der deutschen Inschrift aus dem Jahr 1895 von The Scream/"Geschrei", die in der Sonderausstellung im British Museum zu sehen sein wird. Edvard Munch, der Schrei. Lithographie, 1895. 


„Diese seltene Version von Der Schrei verdeutlicht, dass Munchs bekanntestes Kunstwerk eine Person abbildet, die einen Schrei hört und nicht – wie viele es glauben – selbst schreit“, sagt Giulia Bartrum, Kuratorin der Ausstellung, zu The Telegraph.

Einem Tagebucheintrag von Munch ist zu entnehmen, dass der Satz am unteren Bildrand wohl auf einen seiner Spaziergänge entlang eines Fjordes vor Oslo verweist:
„Ich ging mit zwei Freunden die Straße hinab. Die Sonne ging unter – der Himmel wurde blutrot, und ich empfand einen Hauch von Wehmut. Ich stand still, war todmüde und lehnte am Geländer – über dem blauschwarzen Fjord und der Stadt lagen Blut und Feuerzungen. Meine Freunde gingen weiter – ich blieb zurück, zitternd vor Angst – ich fühlte den großen Schrei in der Natur. Ich malte dieses Bild – malte die Wolken wie wirkliches Blut – die Farben schrien.“
„Er versuchte, ein Gefühl zu einem bestimmten Zeitpunkt einzufangen“, erklärt Kuratorin Bartrum. „Er schrieb den Satz ganz bewusst auf diese Version, um zu beschreiben, dass die Inspiration für dieses Bild von einer plötzlichen Panikattacke stammte.“ Ob Munch nun tatsächlich einen Schrei in der Natur hörte oder nur in seinem eigenen Kopf hörte, könne sie natürlich nicht wissen.

Die Diskussion über die Bedeutung von Der Schrei besteht seit Jahrzehnten. Selbst der ehemaliger Direktor des Munch-Museums in Oslo, Gunnar Soerensen, war bisher der Meinung, dass die Bedeutung des Bildes eine Frage der Interpretation sei. Sein Nachfolger Stein Olav Henrichsen gab dem British Museum nun aber recht: „Es gibt viele Anmerkungen zu dem Bild, aber wir haben Munchs eigene Worte. Sie belegen, dass jemand seine Ohren hält, weil er die Natur schreien hört.“

Pastellversion von 1895 - Foto: Moma

Der Schrei (die Pastellversion von 1895) gilt bis heute als eines der teuersten Gemälde weltweit. Es wurde im Mai 2012 um knapp 120 Millionen US-Dollar versteigert. Für viele steht das Bild für den Beginn einer neuen Stilrichtung: den Expressionismus. „Der Schrei“ hat es mittlerweile auch in unsere Handys geschafft, nämlich in Form von Emojis. Und wie es aussieht, haben wir sie bisher falsch benutzt. Denn laut der globalen Emoji-Datenbank und Mitglied des Unicode Consortiums Emojipedia stellen sie „gelbe, vor Angst schreiende Gesichter“ dar und sollen tatsächlich an Munchs Gemälde erinnern.
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Mumifizierte Figur aus Chachapoya, Peru, 9.-15. Jahrhundert.

Zu sehen im Musée de L'Homme, Paris. Foto: Francois Guillot / AFP / Getty Images.

Die Haltung des schreienden Kopfes mit umschlossenen Händen könnte von der Erinnerung Munchs an eine hohläugige, peruanische Mumie inspiriert worden sein, die 1889 in Paris im Musée d'Ethnographie du Trocadéro ausgestellt wurde. Foto: The British Museum




"geschrei" ist ja der original von munch auf deutsch gewählte titel der drucklithographie - mit dem zusatz: "ich fühlte das große geschrei durch die natur"... : eine akustische vision in oder um edvard munch, die aber ausdrücklich nicht von ihm "gehört" sondern eher "gefühlt" wird - empfunden wird... und die er dann in verschiedenen versionen und visionen zu papier und auf die leinwand bringt.

und "geschrei" ist für mich ja etwas anderes als "der schrei": "geschrei" ist für mich eine spur passiver und "empfangender" - geschrei kann ich hören und wahrnehmen - während "der schrei" für mich wenigstens deutlich aktiver ist: der moment, wo der protagonist unwillkürlich einen schrei ausstößt und den schrei "erzeugt" - vor erschrecken und erstarrung ...

aber auch die hände, die wie zwei kopfhörer die ohren zuhalten, um nach innen zu lauschen - bzw. die geräusche von außen abzuschirmen vor dem eindringen...

ein "geschrei" - oder auch nur einen ton empfinden - "durch die natur" oder im eigenen körper: eduard mörike dichtet in seinem frühlingsgedicht auch ein akustisches phänomen für eine empfindung "durch die natur" - wenn auch wesentlich zarter und aufkeimender: "horch, von ferne ein leiser harfenton" ... - was sich dann aber bis zum abend - zur bitteren neige - durchaus in einen blut- und feuerroten sonnenuntergang im inneren psycho-orchester zu einem wahrhaftigen crescendo ausweiten und verwandeln kann wie im rausch - zumal wenn angstgefühle dabei mit ausgelöst werden. 

panik: ein geschrei gellt blutrot durch die natur: da - gleich - im moment - spritzt förmlich das blut, da fährt etwas von mord und totschlag durch die luft mitten hinein in den betrachter: ein greller blitz mit gleichzeitigem theaterdonner auf dem geräuscheblech...

und ich hätte noch einen schwarzen drohend krächzenden raben ins spiel gebracht und ins motiv gesetzt, mit geöffnetem schnabel als wolle er zuschnappen ...

ich habe hier eine partitur von einem musikstück von john cage - wo auch er musik, also etwas akustisches, nicht mit den eigentlich üblichen noten ausdrückt, sondern eine eigene universelle bild- und zeichensprache dafür einsetzt, die bis heute von interpreten umgesetzt und abgespielt wird.

bei munch ist das in seinem "geschrei" ja ähnlich: die betrachter fühlen ja diese plötzliche beklemmung, dieses plötzliche luft-weg-bleiben im donnergroll und im blutgespritz - im erstickenden geschrei der natur zur nacht...

am besten - wir warten gemeinsam auf die "spusi" - auf die "spurensicherung" - und mal sehen, was diese beamten mit ihren spürhunden dabei herausbekommen ...


1 Kommentar:

  1. „Der Schrei“ führte seit seinem Entstehen ein aufregendes Dasein: Das Tempera-Gemälde wurde mehrfach gestohlen, war jahrelang verschollen und schließlich derart beschädigt, dass eine vollständige Restauration nicht mehr möglich war. Es ist allerdings dennoch seit 2008 wieder im Munch-Museum in Oslo und auch als Leihgabe auf mancher Wanderausstellung zu sehen.

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