Interview: Dr. Rita Knobel-Ulrich (Autorin & Filmemacherin)

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Knobel-Ulrich Titel

„Auch Väter können gut und hingebungsvoll für ihre Kinder sorgen“

Seit mehreren Jahrzehnten gehört Dr. Rita Knobel-Ulrich zu Deutschlands erfolgreichsten Autorinnen und Filmemacherinnen. Neben zahlreichen Nominierungen u.a. für den Grimme-Preis oder den Deutschen Fernsehpreis gewann sie zweimal den Goldenen Kompass. Dr. Knobel-Ulrich reist für ihre Dokumentationen durch Sibirien, begleitet Prostituierte um dem Zuschauer den modernen Menschenhandel näher zu bringen oder erzählt in ihrer aktuellen Reportage „Rabenväter“ die unterschiedlichen Geschichten von Vätern, die keinen Unterhalt für ihre Kinder zahlen wollen – notfalls mithilfe direkter Konfrontation.

2013 hat Dr. Rita Knobel-Ulrich auch eine Dokumentation über Karrierefrauen gedreht mit der Frage, warum weibliche Führungskräfte Mangelware sind. Deutlich zu erkennen: Es hat sich in den letzten Jahren nicht allzu viel getan. Weiterhin sind hauptsächlich die Mütter für die Erziehung der Kinder zuständig und geben dafür meist ihre Karriere auf um später in Teilzeit in den Beruf zurückzukehren.

Im Interview mit dem Blog „Frauen in Führungspositionen“ erzählt Frau Dr. Rita Knobel-Ulrich ihre Geschichte. Zusätzlich macht sie in ihrer direkten und unverblümten Art deutlich, was sie bei den Dreharbeiten über Karrierefrauen erlebt hat und welche Ratschläge sie an ambitionierte Führungsfrauen und Mütter mitgeben kann.

FiF: Schildern Sie bitte Ihren Lebenslauf. Wie sind Sie zu einer deutschlandweit preisgekrönten Autorin und Filmemacherin geworden?

Ich wollte immer Journalistin werden und hielt ein Fachstudium für richtig, um mich möglichst breit aufzustellen und unabhängig zu sein. So habe ich erstmal das studiert, was mich interessiert hat, nämlich Slavistik, Politikwissenschaft und Geschichte. Parallel habe ich für Zeitungen geschrieben und für den Hörfunk gearbeitet und mich nach Abschluss des Studiums in der Nachrichtenredaktion von SAT 1 beworben und später dann versucht, mit Themenangeboten, bei öffentlich-rechtlichen Sendern einen Fuß in die Tür zu bekommen.

Grundsätzlich braucht man dazu Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen, denn die Konkurrenz ist groß, die Redakteure auf der anderen Seiten des Schreibtischs bekommen Tag für Tag viele Angebote, so dass es empfehlenswert ist, sich eine Nische zu suchen (in meinem Fall waren das z. B. gute russische Sprachkenntnisse).

Man muss diszipliniert und flexibel sein und bereit, auch an Feiertagen und Wochenenden zu arbeiten und sollte sich vorher gut überlegen, wie man das mit Familie und Kindern unter einen Hut bekommt. Nichts ist tödlicher, als abzusagen unter dem Hinweis darauf, das Kind sei krank.

FiF: Bereits 2013 haben Sie die Reportage „Frauen, bewegt euch!“ gedreht. Leider ist das Thema noch genau so aktuell. Welche besonderen Situationen sind Ihnen während der Dreharbeiten begegnet?

Mir fiel auf, dass es Männer offenbar stets schaffen, ihren Frauen ihre Unentbehrlichkeit zu vermitteln. Gestandene Ärztinnen, Ingenieurinnen, Technikerinnen haben mir immer wieder gesagt, ihr Mann könne in seinem verantwortungsvollen Beruf, in seiner tollen Führungsposition, in Bezug auf künftige Aufstiegsmöglichkeiten unmöglich Teilzeit arbeiten, während sie selbst das aber fraglos machten.

In Schulen fiel mir auf, dass junge Mädchen schon bei der Studien-und Berufswahl überlegen, wie sie künftige Familienplanung und Beruf miteinander vereinbaren könnten. Ich habe aber noch nie (wirklich nie!) einen jungen Mann getroffen, der gesagt, weil ich später mal eine Familie haben möchte, werde ich lieber Krankenpfleger anstatt Arzt oder mache eine Lehre anstelle eines langen Studiums. Frauen aber machen leider genau das und begeben sich dadurch vieler Möglichkeiten.

„Die Geburt eines Kindes Bruch für die Karriere“

Der eigentliche Bruch für die Karriereplanung einer Frau ist aber oft die Geburt eines Kindes. Und ich bemerkte, dass Frauen sehr selten klar vor der Geburt eines Kindes mit ihrem Partner ansprechen, wie die Arbeit in Zukunft aufgeteilt werden soll und ob nicht z. B. die 14 Monate Elternzeit in zwei mal sieben Monate zwischen Vater und Mutter geteilt werden können. Erst dann aber entfällt der Nachteil, den Frauen oft haben, wenn der Arbeitgeber sich entscheidet zwischen einem jungen männlichen Bewerber und einer Frau im gebärfähigen Alter. Wenn ein Betrieb damit rechnen muss, dass auch ein Vater längere Elternzeit in Anspruch nimmt und nicht nur die zwei Monate, die dann oft für einen längeren Familienurlaub genutzt werden, wird er qualifizierten Frauen keine Absage erteilen, weil er fürchten muss, sie falle zu lange aus.

„Frau muss sich von ihren Muttervorstellungen trennen“

Und noch etwas fiel mir auf: Frauen setzen sich mit Mütterbildern unter Druck. Alles muss perfekt sein: das Kind soll einen Early English-Kurs und einen Montessori-Kindergarten besuchen; ökologische Strampelhosen und Vollkornkekse sind unabdingbar. Und dann sagten Mütter oft, ihr Mann kümmere sich zwar auch ums Kind, aber so toll wie sie mache er das eben nicht. Dabei sorgen nach meiner Beobachtung auch Väter gut und hingebungsvoll für ihre Kinder, machen es aber anders als die Mutter. Fällt das Kind hin, wird z. B. nicht lange herumgepustet, sondern das Kind ohne langes Gedöns auf die Beine gestellt. Hat es Hunger, kriegt es eben nicht immer einen Haferkeks, und gibt es in der Kneipe, wo sich Mann mit Kumpels trifft, keinen Wickelraum, breiten Väter auch mal ihre Jacke auf dem Fußboden im Klo aus und wickeln das Kind dort.

Wenn Frau nicht lernt, das hinzunehmen und von ihren Vorstellungen, wie eine gute Mutter zu sein hat, Abschied zu nehmen, wird sie auch in ihrer beruflichen Karriere scheitern. Denn das schafft keine Frau: auf High Heels in die Vorstandssitzung schweben, das Kind perfekt versorgen und eine hingebungsvolle Gattin zu sein. Das endet mit tränenreichen Zusammenbrüchen und dem Rückzug aus der Berufswelt. Der Chef bekommt dann zu hören: „Das schaffe ich nicht“ oder „Glauben Sie wirklich, dass ich das hinkriege“?

FiF: Was schließen Sie daraus? Was müssen Frauen tun, um zukünftig Karriere zu machen?

Frauen sollten sich nicht überrumpeln lassen, sondern sich rechtzeitig darüber klar werden, was genau sie können und wollen: Karriere, die eine lange Ausbildung voraussetzt? Und eine Familie? In diesem Fall für ein gutes Netzwerk bei der Kinderbetreuung sorgen, den Partner, die Eltern, Schwiegereltern, Nachbarn und Freunde einspannen. Sich darüber klar werden, dass in der Regel eine Teilzeitstelle nicht mit einer Führungsposition in Einklang zu bringen ist (auch wenn man das bedauern mag).

Traurig fand ich immer, wenn ich Frauen begegnete, die in der Hoffnung, eine tolle Karriere hinzulegen, auf Kinder verzichtet haben. Wenn sie dann nämlich die ersehnte Stelle doch nicht bekommen, brechen solche Frauen zusammen: „Ich habe auf Kinder verzichtet und nun ist es zu spät.“ Wenn Frau eine Familie will, dann soll sie das auch durchziehen und gut planen.

Übrigens: ein Stimmtraining ist vernünftig. Wie oft sehe ich Politikerinnen, die mit piepsiger Stimme ihre Forderungen vortragen – und scheitern. Ich weiß, wenn ich aufgeregt bin, geht die Stimme hoch. Ich versuche dann, tief durchzuatmen und erst dann zu sprechen. Das gelingt leider nicht immer.

FiF: Sie selbst treten in Ihren Reportagen immer freundlich aber direkt auf und scheuen auch nicht den Konflikt. Sind es diese Eigenschaften, die Sie bzw. Ihre Reportagen so erfolgreich haben werden lassen?

Ich versuche, freundlich zu sein, weil ich weiß, wenn Männern attestiert wird, sie seien durchsetzungs- und willensstark, mutieren dieselben Eigenschaften bei Frauen gern zu: hysterisch, zickig, karrieregeil. Den Konflikt und die Klarheit allerdings darf man nicht scheuen, weil man sonst untergebuttert und zum Lieschen vom Dienst wird, das nicht ernstgenommen wird. Es ist – das räume ich ein – nicht einfach, sich zwischen diesen Polen zu bewegen.

FiF: Haben Sie bei Ihrer Arbeit auch Vorteile erkannt, die das Frau sein mit sich bringen?

Durchaus! In meinem Beruf, bei allen Themen für Filme, in denen Frauen eine Rolle spielen, egal ob im Nonnenkloster oder im Puff, z.B. wenn es um Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung geht, ist es für eine Frau leichter, mit Prostituierten und ihren Freiern ins Gespräch zu kommen. Oder bei Reisen in Länder wie den Iran kommt man wunderbar mit Frauen in Kontakt, die bereitwillig helfen, beim Einwickeln in die vorgeschriebene Kleidung zurecht zu kommen.

Aber auch bei anderen Themen ergeben sich gerade bei weiblichen Gesprächspartnern gemeinsame Anknüpfungspunkte. Man checkt sich neugierig ab: Wie hat sie es auf diesen Posten geschafft? Hat sie Kinder? Wie löst sie das? Bei Männern spielen solche Aspekte so gut wie nie eine Rolle. Ich habe aber auch in meinen Jahren als Berufsanfängerin eine gewisse Abschätzigkeit erlebt . Ach so, da kommt ja nur so eine kleine Frau. Das hat sich aber schnell gegeben!

FiF: Haben Sie ein Produkt/Buch/Hilfsmittel, welches Ihren Arbeitsalltag deutlich erleichtert und Sie jeder Kollegin empfehlen würden?

Seit meinen Russlandreisen, z.B. in entlegene Gebiete Sibiriens, habe ich immer einen kleinen Wasserkocher, eine Tasse und Tee im Gepäck. Das habe ich auch bei Reisen in zivilisierte Regionen beibehalten. Es hilft dabei, abends im Hotelzimmer einmal kurz innezuhalten, durchzuatmen, zu überlegen, was gut oder schlecht gelaufen ist und den nächsten Tag zu planen.

FIF: Frau Dr. Knobel-Ulrich, vielen Dank für Ihre ehrlichen Worte und unverblümten Erfahrungsberichte!

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