Artikelserie Migrationspakt: Wie verbindlich ist er eigentlich?

In der Artikelreihe Migrationspakt betrachte ich einzelne Aspekte dieses viel diskutierten Abkommens. Hier geht es um den rechtlichen Charakter und seine Verbindlichkeit.

Der Streit um die rechtliche Verbindlichkeit

Um die rechtliche Verbindlichkeit des Migrationspakt wird besonders diskutiert. Das rechte Spektrum, allen voran die AfD, hält ihn für einen unmittelbaren Eingriff in nationales Recht – nach dem Abschluss des Pakts sei Deutschland gleichsam von der UNO kontrolliertes Einwanderungsland. SPD, FDP und die offizielle Linie der CDU/CSU sieht ihn als rechtlich unverbindlich an und wenn binde er ja nur andere Staaten. Die Grünen meinen schließlich, nach Verabschiedung müsse man mit der Umsetzung der Ziele des Pakts beginnen.

Wie steht es also um die rechtliche Verbindlichkeit des Pakts?

Was für eine Art Dokument ist der Migrationspakt eigentlich?

Am 10. und 11. Dezember 2018 findet die „Zwischenstaatliche Konferenz zur Annahme des Globalen Paktes für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ in Marrakesch (Marokko) statt. Der „Migrationspakt“ ist das Abschlussdokument dieser Konferenz. Solche Dokumente werden üblicherweise lange im Vorfeld solcher Konferenzen ausverhandelt.

Was steht genau im Migrationspakt?

Der UN Migrationspakt – eigentlich „Ergebnisdokument der zwischenstaatlichen Konferenz zur Annahme des Globalen Paktes für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ – lässt sich in drei Teile gliedern:

  • Die Präambel, in der festgehalten wird, dass zur Bewältigung der Herausforderungen der Migration eine umfassende Zusammenarbeit der Staaten erforderlich ist, die auf den Grundsätzen der UN beruhen soll und dass dieser Pakt einen Kooperationsrahmen dafür schaffen soll.
  • Der Hauptteil, der 23 teilweise sehr konkrete Ziele formuliert, z.B. in den Bereichen Grenzmanagement oder Sozialversorgung von Migranten.
  • Einen Schlussteil, in dem es um konkrete Umsetzung, Weiterverfolgung und Ergebniskontrolle geht.

Ausführlicher zusammengefasst habe ich den Pakt hier.

Welchen rechtlichen Charakter hat der Migrationspakt?

Der Migrationspakt ist kein völkerrechtlicher Vertrag iSv Art. 59 Abs. 2 GG, weswegen der Bundestag ihm auch nicht zustimmen muss.

In dem Dokument wird die Souveränität der Staaten mehrfach ausdrücklich betont und er stellt laut Präambel „einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen dar“, der aber andererseits wieder „auf den Verpflichtungen aufbaut, auf die sich die Mitgliedstaaten in der New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten geeinigt haben“. Ohnehin ist in dem Pakt mehrfach von „Verpflichtungen“ und „wir verpflichten“ die Rede – das ist auch der Grund dafür, warum in einigen Kreisen davon die Rede ist, der Pakt würde Deutschlands Souveränität aufheben.

Unverbindlich? Verpflichtend? Was denn nun? Auf twitter schrieben einige schon von „Schrödingers Migrationspakt“, der verpflichtend und unverbindlich gleichzeitig ist. Fragt man Juristen, erhält man ein breites Meinungsspektrum von völlig unverbindlich bis verpflichtend. Zur weiteren Verwirrung tragen dann Aussagen aus der Politik wie die bei, der Migrationspakt sei nicht verpflichtend, würde aber Migration wirksam begrenzen. Wie soll er das, wenn nicht verpflichtend ist?

Ich habe mit einigen Praktikern gesprochen. Diese betonten den grundsätzlich unverbindlichen Charakter des Pakts, hoben aber hervor, dass er gerade bei der Verhandlung von bilateralen Abkommen einen gewissen Rahmen für Standards z.B. bei der Unterbringung von Migranten geben könne. Oft wurde er auch als „Soft Law“, also weiches Recht, bezeichnet.

So könne er von internationalen Gerichten bei der Auslegung nationalen Rechts hinzugezogen werden, ggf. sogar von nationalen Gerichten. In einem Urteil liest sich das dann ggf. so:

„Die Norm könnte zwar so ausgelegt werden, dass wie vom Bundesverwaltungsgericht festgestellt, ein Anspruch des Beschwerdeführers nicht besteht. Angesichts dessen, dass Deutschland sich jedoch mit dem ‚Ergebnisdokument der zwischenstaatlichen Konferenz zur Annahme des Globalen Paktes für eine sichere, geordnete und reguläre Migration‘ dazu zumindest politisch verpflichtet hat, dass Migranten ungeachtet ihres Migrationsstatus ihre Menschenrechte durch einen sicheren Zugang zu Grundleistungen wahrnehmen können, ist die Norm weit auszulegen, so dass ein Anspruch hier – anders als BVerwG angenommen – zu bejahen ist.“

Und auch auf Gesetzgebungsvorhaben oder die Auslegung von bestehenden internationalen Abkommen kann der Pakt Ausstrahlungswirkung und damit letztlich rechtliche Relevanz entfalten. Nicht zuletzt kann er Grundlage für zukünftige konkretere internationale Abkommen sein – was gerade die Abschnitte hinsichtlich der Umsetzung und weiteren Ziele belegen.

Auf jeden Fall verpflichtet der Pakt zumindest politisch, wie die Bundesregierung im „Bericht der Bundesregierung zur Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinten Nationen und einzelnen, global agierenden, internationalen Organisationen und Institutionen im Rahmen des VN-Systems in den Jahren 2016 und 2017“ (Stand August 2018, Seite 71/72; Download hier) feststellt:

Ergebnis: Soft Law und politisch verpflichtend

Im Ergebnis liegt bei der Beurteilung m.E. keine der Parteien richtig: Weder herrscht – wie z.B. von der AfD und Teilen der CDU/CSU behauptet – nach Verabschiedung des Dokuments eine ganz neue Rechtslage in Deutschland, was Migration angeht, noch hat der Pakt wie FDP, die Führung von CDU/CSU, und Teile der SPD meinen, eigentlich gar keine Auswirkungen auf nationales Recht. Anders als von den Grünen aufgefasst verpflichtet er auch nicht zur sofortigen Umsetzung von dort beschriebenen Maßnahmen, kann aber andererseits einen weiteren Spielraum eröffnen, soweit dies politisch gewollt ist.

Unmittelbar als nationales Recht oder anstelle nationalen Rechts wirkt der Pakt also nicht. Dass der Migrationspakt – allein schon wegen seiner politischen Verbindlichkeit – aber Auswirkungen auf nationales und internationales Recht haben wird, kann aber niemand ernsthaft bestreiten.

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