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Neneh Cherry: Broken Politics (Albumkritik)

 

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Neneh Cherry: Broken Politics (Smalltown Supersound)

 

 

Broken Politics, Neneh Cherrys fünftes Soloalbum, thematisiert viele große Probleme unserer Zeit: mit ihrer schönen Stimme, die wie rauer Samt klingt, singt sie über Abtreibung, Flüchtlinge, Gewalt mit Schusswaffen und Verschwörungstheorien, ohne dabei je plump zu wirken. „Synchronised Devotion“ könnte man mit ein bisschen gutem Willen als so etwas wie Cherrys Manifest bezeichnen: “It’s my politics, living in the slow jam.” Das ist für sich genommen ziemlich gnomisch, aber wenn man es im Zusammenhang mit R&B Slow Jams – die jede Gefühlsregung betonen – und dem ständigen Aufeinanderprallen wichtiger Themen, die um Aufmerksamkeit ringen, betrachtet, ergibt es durchaus Sinn. Die Herausforderung, die Cherry annimmt – und meisterhaft bewältigt – ist, in einem gesellschaftlichen Klima, das für Gefühlskälte und Ichbezogenheit anfällig ist, mitfühlend zu bleiben.

 

Broken Politics ist Cherrys zweites Album, das von Four Tets Kieran Hebden produziert wurde. Ihre erste Zusammenarbeit, das 2014 erschienene Blank Project, war oft schlicht, kühl und spröde. Dieses neue Werk ist weicher und setzt auf Kora, Flöte, Steel Drum und Harfe als Begleitung für Cherrys oft fragmentierte Beobachtungen und Geständnisse. Diese lockere Instrumentierung ermöglicht Cherry, stets die Richtung vorzugeben: ihre Gesangslinien klingen oft improvisiert und wechseln oft zwischen Weisheit und gefühlvoller Trostlosigkeit hin und her. Die Wirkung ist vertraulich, doch mitteilsam und ausladend. Ein paar aggressivere Songs thematisieren Cherrys Anfänge in Bristols Post-Punk-Szene – der sich wie jemand mit Klumpfuß dahinschleppende Bass von „Kong“, der verzerrte Lärm von „Faster Than the Truth“ – und etablieren eine Atmosphäre, die Cherry erlaubt, auszuloten, wer sie war und wie sie es schaffen kann, diese Person nicht zu verlieren.

 

 

Mit 54 klingt ihre Stimme nach wie vor wunderbar, nur deutlich reifer, und ist das perfekte Instrument für ihre genauen Beobachtungen und scharfen Kommentare, die von einer lebenserfahrenen und weisen Künstlerin künden, die sich nicht unterkriegen lässt. “Don’t live for nostalgia, but the impact of everything resonates”, singt sie auf „Synchonised Devotion“. Cherry hat nach wie vor “an allergy to my realness, like my own self-worth”, wie sie auf „Natural Skin Deep“ – ein schwelender, fast zorniger Ausreißer – singt, aber sie weigert sich, dieser Abneigung nachzugeben : “Don’t have anywhere to go / Nowhere to hide / All of me is now.” Cherrys weise Perspektive zieht sich durch diese zarten, leicht gereizten Tracks und sorgt dafür, dass Broken Politics nicht einfach nur ein schönes Album ist, sondern auch eine regelrechte Offenbarung. “Just because I’m down, don’t step all over me”, warnt sie auf „Fallen Leaves“ und verspricht, auch weiterhin immer bereit zu bleiben, Risiken einzugehen, und vom gesunden Menschenverstand Gebrauch zu machen: eine bewundernswert ganzheitliche Herangehensweise an eine gespaltene Welt.

 

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