Das Thema
Eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung, die der Vereinheitlichung nach einem Betriebsübergang dient, darf auch zu Verschlechterungen der noch zu erwerbenden Anwartschaften der übergegangenen Arbeitnehmer führen. Eine Ungleichbehandlung gegenüber Arbeitnehmern des aufnehmenden Betriebs ist zulässig.
Verschlechterung einer Betriebsrente nach Betriebsübergang
Der seit 1978 beschäftigte Kläger hatte eine Zusage auf betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe einer Ruhegeldvereinbarung erhalten, welche als Betriebsvereinbarung abgeschlossen worden war. Danach stünde dem Kläger eine Gesamtversorgung von maximal 75 % des ruhegeldfähigen Diensteinkommens zu. Die Gesamtversorgung setzt sich neben der Betriebsrente aus weiteren anrechenbaren Leistungen zusammen, insbes. der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Zum 01.01.1998 erfolgte ein Betriebsübergang auf die Beklagte (bzw. auf eine Rechtsvorgängerin). Der (einzige) Betrieb der ehemaligen Arbeitgeberin ging in verschiedenen Betrieben der Beklagten auf. Bei der Beklagten erhielten Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 01.01.1981 begründet worden war, eine betriebliche Altersversorgung nach der Ruhegeldordnung I. Diese regelt eine Gesamtversorgung unter Anrechnung der Sozialversicherungsrente. Die Gesamtversorgung beträgt maximal 71 % des ruhegeldfähigen Diensteinkommens.
Im Jahr 2000 wurde bei der Beklagten eine Gesamtbetriebsvereinbarung über die betriebliche Altersversorgung der zum 01.01.1998 übergegangenen Arbeitnehmer abgeschlossen (GBV Überleitung). Neben einigen Modifizierungen sollte sich insbes. die Versorgungsleistung der übergegangenen Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 01.01.1981 begonnen hatte, aus den zeitanteiligen Leistungen der Ruhegeldvereinbarung und der Ruhegeldordnung I errechnen.
Ab März 2011 bezog der Kläger eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 1.258 €, die ab Juni 2014 aufgrund von Rentenanpassungen auf 1.311 € erhöht wurde. Da diesen Beträgen allerdings eine fehlerhafte Berechnung zu Grunde lag, zahlte die Beklagte ab Juli 2014 lediglich 1.013 € pro Monat.
Gericht erkennt neue ungünstigere Regelungen als verhältnismäßig an
Das LAG Niedersachsen (Urteil vom 25.05.2018 – 3 Sa 1327/16 B) hat einen Anspruch des Klägers auf zuletzt monatlich 1.311 € verneint. Die Richter bestätigten, dass Rechtsgrundlage für die Betriebsrente des Klägers die GBV Überleitung i.V.m. der Ruhegeldvereinbarung und der Ruhegeldordnung I ist. Daraus ergibt sich der Betrag von 1.013 €.
Die GBV Überleitung hat die Ruhegeldvereinbarung (in direkter Anwendung) abgelöst. Nach Ansicht des LAG entsprach dies den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes nach Maßgabe des dreistufigen Prüfungsschemas des BAG. Es sei zulässig, für die Zeit ab dem 01.01.2001 eine Gesamtversorgungsobergrenze von 71 % statt 75 % anzuwenden. Auch ungünstigere neue Anrechnungsregelungen für die gesetzliche Rente hat das Gericht anerkannt. Diese Änderungen seien zum Zwecke der Vereinheitlichung der Altersversorgung gerechtfertigt. Zudem wurde der bereits vor dem Betriebsübergang erworbene Besitzstand nicht gekürzt.
Zwar hatte der EuGH ausgeführt, eine tarifvertragliche Neuregelung nach einem Betriebsübergang dürfte nicht „zum Ziel oder zur Folge haben, dass diesen Arbeitnehmern insgesamt schlechtere Arbeitsbedingungen als die vor dem Übergang geltenden auferlegt werden“ (EuGH vom 06.09.2011 – C-108/10 – Scattolon). Das LAG sieht darin aber nur eine fallspezifische Äußerung, die der GBV Überleitung nicht entgegenstehe. Zudem weist es ergänzend darauf hin, dass die maßgebliche Betriebsübergangsrichtlinie insoweit nicht für die betriebliche Altersversorgung gelte.
Bei Betriebsübergang ist von vornherein absehbar, welche Versorgungsbedingungen gälten
Die Unterscheidung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung zwischen den Arbeitnehmern, die erst zum 01.01.1998 zur Beklagten übergegangen sind, und deren Stammbelegschaft schon vor dem 01.01.1998 haben die Richter als gerechtfertigt angesehen. Insbesondere sei bei einem Betriebsübergang nicht von vornherein absehbar, welche Versorgungsbedingungen gälten und welche Unterschiede zu denen der anderen Arbeitnehmer bestünden. Da die Besitzstände gewahrt werden, ist die Unterscheidung durch die Betriebsparteien gerechtfertigt.
Der Gesamtbetriebsrat war zuständig, weil die GBV Überleitung die Versorgungsrechte aller zum 01.01.1998 übergegangenen Arbeitnehmer regeln sollte. Da diese auf unterschiedliche Betriebe verteilt waren, war eine einheitliche Regelung für das ganze Unternehmen erforderlich, die mit der Gesamtbetriebsvereinbarung geschaffen wurde.
Aus den Zahlungen seit 1. März 2011 ergibt sich kein höherer Anspruch. Diese Zahlungen sind weder als deklaratorisches oder konstitutives Schuldanerkenntnis zu verstehen, noch ergibt sich daraus eine betriebliche Übung. Genauso wenig muss die Beklagte nach Treu und Glauben die Zahlungen weiter gewähren. Denn ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers ist allein aus den Zahlungen nicht entstanden.
Gericht wahrt notwendigen Gestaltungsspielraum
Das Gericht wahrt den notwendigen Gestaltungsspielraum, den Unternehmen nach einem Betriebsübergang benötigen. Zu Recht erkennt das LAG Niedersachsen das Vereinheitlichungsinteresse als Grund für eine – auch verschlechternde – Neuregelung an. Dies gilt aber nicht schrankenlos. Zwei Grundpfeiler sollten jedenfalls berücksichtigt werden:
- Die Besitzstände, die schon vor einem Betriebsübergang erworben wurden (einschließlich einer etwaigen Dynamik), sollten gewahrt werden.
- Eine Vereinheitlichung darf sich nicht darauf beschränken, eine Absenkung auf das geringste Niveau vorzunehmen.
Vor diesem Hintergrund hat das Gericht auch die Ungleichbehandlung zur Stammbelegschaft akzeptiert. Diese Ungleichbehandlung wird vom Gericht offenbar ohne zeitliche Beschränkung, quasi “für immer” hingenommen. Zuständig für solche Vereinheitlichungen dürften in der Regel der Gesamtbetriebsrat oder auch der Konzernbetriebsrat sein.
Es steht noch unter dem Vorbehalt einer abschließenden höchstrichterlichen Entscheidung, ob sich aus der europarechtlichen Rechtsprechung eine weitergehende Einschränkung des Gestaltungsspielraums gibt. Ein Verfahren ist derzeit vor dem BAG anhängig (unter 1 AZR 154/17).
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