Wie ist das eigentlich… Neu- Alleinerziehend

Heute vor 11 Wochen, um 22.56 Uhr wurde mir bewusst, dass ich fortan eine alleinerziehende Mutter sein werde. Heute vor 11 Wochen wusste ich, dass unser Held nun nicht mehr zusammen mit mir dafür Sorge tragen wird, dass es den Kindern gut geht.

Das Wort Alleinerziehend ist nicht neu für mich. Die Einhornbändigerin und ich wohnten 4 Jahre zu zweit in einer kleinen Wohnung mitten in der Stadt. Wir zwei hatten und haben das große Glück, dass Papa 1 sich seiner Vaterrolle bewusst gewesen war und es auch immer noch ist. Wir waren bereits zur Geburt irgendwie getrennt, so genau kann ich das gar nicht mehr datieren, es war alles etwas schwammig.  image6.jpgIch war zu diesem Zeitpunkt 23 Jahre alt. Trotz einiger Streitereien, besonders am Anfang wollten wir aber unbedingt Eltern bleiben. Unsere Tochter konnte nichts für unsere Unfähigkeit, eine Beziehung zu führen. Manchmal übersah ich gekonnt Dinge, die ich seltsam fand. Manchmal stritten wir, aber die anfänglichen Startschwierigkeiten haben sich gelohnt. Ich glaube, dass wir das „getrennte Eltern- Dasein“ ganz gut wuppen.

Ihren ersten Schnupfen hatte Emma mit einigen Monaten, ich saß nachts schon fast panisch an ihrem Bettchen und überprüfte, ob sie noch atmete. Ich war allein mit dieser Angst. Mit 14 Monaten bekam die Einhornbändigerin ihren ersten Fieberkrampf, zwei Wochen später den nächsten. Es folgen zig weitere. dsc02652Bei 20 hörte ich auf zu zählen. Es waren natürlich keine Fieberkrämpfe: hallo Epilepsie, ich mag Dich nicht. Jeden dieser Anfälle bekam das Kind nachts und mit einer Ausnahme war ich immer allein mit ihr. Beim ersten Mal dachte ich, dass sie sterben wird. Ich schrie das blauverfärbte Mädchen vor mir an, dass ich dann sauer auf sie bin und dass das nicht geht. Ich war allein, niemand der mich beruhigen konnte und sagte, dass alles wieder gut wird. Wir waren unzählige Male in der Klinik, wochenlang.

dsci0279Im Alltag studierte ich und versuchte dies mit der Einhornbändigerin zu vereinbaren. War die Kita zu, ich aber musste eine wichtige Klausur schreiben oder ein Referat halten, dann kam sie mit. War sie krank, rechnete ich im Kopf immer die prozentuale Fehlrate durch, die ich nicht überschreiten durfte, um das Semester zu bestehen.  Wenn ich selbst krank war: ach lassen wir das.

Es war abenteuerlich, es war eine logistische Herausforderung, aber es ging. Später ging Emma jedes zweite Wochenende zu ihrem Vater. Das sollte selbstverständlich sein, ist es oft aber leider nicht. Das waren meine Auszeittage, ich hatte Zeit für mich und konnte ein Stück Verantwortung abgeben. Unseren Helden gab es bereits, zusammengezogen sind wir aber erst, als Emma 4,5 Jahre alt gewesen war. Zuvor lebten wir recht locker, er arbeitete viel, ich studierte.DSC_9362

Dann wurde der Heldensohn geboren. Simon, Emma und ich wohnten bereits zusammen. Aufgrund von Kunibert waren die Heldenkinder und ich zunächst wieder auf uns allein gestellt, aber alleinerziehend war ich trotzdem nicht mehr. Ich wusste von Anfang an, dass ich die Verantwortung für zwei kleine Kinder nicht alleine tragen muss. Ich vertraute darauf, dass es unserem Helden bald wieder besser geht und wir zu viert sein werden. Die ersten 8 Monate im Leben des kleinen Batman war Simon mehr abwesend, als er dagewesen ist. Und trotzdem war es anders. Als Leo seinen ersten Schnupfen hatte war ich auch allein zu Hause. Allerdings habe ich Simon in der Klinik angerufen (ich weiß, dass es in diesem Kontext fast lächerlich war). Er hat mich beruhigt und sagte, ich solle das Telefon neben Leo legen. Simon hörte seinen Sohn atmen und meinte, dass es einfach nur Schnupfen ist. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein. Dem Helden ging es besser, die Kinder wurden größer. Simon ging wieder arbeiten, viel arbeiten. Die Kinder sahen ihn eine Zeit lang nur abends oder am Wochenende. Und trotzdem war ich nicht allein. Wir redeten über neue Entwicklungen, über Emmas Einschulung und welchen Ranzen es geben soll. Wir sprachen über Weihnachtsgeschenke und darüber, ob wir morgen in den Tierpark gehen. Wurde ein Kind krank, wechselten wir uns ab. Hatte einer von uns am Folgetag wichtige Termine, so blieb jeweils der andere/die andere zu Hause. Wenn ich am Wochenende keine Lust aufs Legobauen oder Einkaufen hatte, machte Simon es. Oder anders herum. Wenn ein Elternabend anstand, ging einer von uns dorthin und der andere blieb bei den Kindern zu Hause.p1030199.jpg

Als Leo operiert werden musste, haben wir beide jammernd an seinem Bett gestanden. Als Emma einen Kitaunfall hatte und mit einer Gehirnerschütterung in die Klinik musste, ebenso. Die Verantwortung teilte sich. Die Angst verteilte sich. Der Alltag war vereinbarer mit Job und eigener Freizeit.

Seit Anfang des Jahres zeichnete sich ab, dass sich dies bald wieder ändern würde. Die letzten Monate hatte ich plötzlich drei „Kinder“, die auf meine Hilfe angewiesen waren. Kunibert hatte das Hirn vom Helden so stark zerfressen, dass es so manches Mal nicht recht funktionstüchtig gewesen war. Unser Held benötigte mehr Aufsicht und Unterstützung als die Heldenkinder. Alleinerziehend war ich trotzdem nicht. Ein Stück von Simon war noch da. In „wachen“ Momenten redeten wir über Klassenfahrten und ein neues benötigtes Rad für den Heldensohn. Wir alberten herum oder überlegten, was ich kochen kann, um irgendwie Gemüse in die Kindermägen zu bekommen. Die Verantwortung war anders aufgeteilt, zusammen getragen haben wir sie aber trotzdem.P1090486

Seit 11 Wochen aber bin ich es nun wirklich, ganz in echt und in Farbe: alleinerziehend. Ein Wort, das in Deutschland als Makel und Randgruppe angesehen wird. Schon damals gab es jede Menge Vorurteile. In der Uni wurde ich oft gefragt, ob es zu meinen Kindern auch einen Vater gibt. Völlig selbstverständlich und unüberlegt. Auch wenn ich das Alleinerziehen bereits kenne, muss ich mich da erst wieder reinfummeln. Kita und Schulfeste finden natürlich zeitgleich statt. Elternabende bedürfen einer guten Planung. Wenn ich vor Migräne nicht mehr stehen kann, muss ich auf Ibu  hoffen.  Die Verantwortung und die Organisation obliegt nun nur bei mir. Logistisch ist das hin und wieder einer Herausforderung. Ich kann mich nicht mit irgendwem absprechen und muss Entscheidungen alleine treffen. Es ist okay, wir kommen zurecht, aber manchmal ist es anstrengend. Hut ab vor allen Alleinerziehenden, die das schon seit Jahren so machen. Ich verneige mich vor Euch! Über die Vereinbarkeit von Kindern, Job und Freizeit…Da arbeite ich noch dran. Ich versuche, beiden Kindern mit ihren unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden. Leo bekommt viel reine „Mamazeit“, da Emma jedes zweite Wochenende nicht bei uns ist.

40137790_273738863245645_4932318783206326272_nWenn ich aber mit Emma ins Kino möchte, wenn ich etwas nur mit ihr unternehmen will, wird es schwierig, da ich Leo zeitgleich woanders unterbringen muss. Leo hat keinen Papa, den er am Wochenende besuchen kann.

Wir organisieren unseren Alltag anders, damit niemand zu kurz kommt und alle (altersentsprechend) Verantwortung für ein gemeinsames Miteinander übernehmen. Dazu gehört unser Aufgabenplan. Gebastelt haben wir ihn zusammen. Die Grundlage ist ein kleines Whiteboard, das wir im Keller gefunden haben.

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Ich habe verschiedene Pictogramme im Internet gesucht, die Aufgaben beschreiben, so dass auch der kleine Batman diese „lesen“ kann.

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Diese Bildchen haben wir auf kleine Magnete geklebt.

Jeden Sonntag setzen wir uns zusammen und planen die Woche, wer macht was und wann. Die Kinder teilen sich ihre Aufgaben selbst zu. Dieser Plan läuft nicht unter dem Belohnungssystem, es gibt keine Goldmünzen, keine Schoki oder Punkte. Es passierte bisher nicht oft, aber wenn Sätze von den Minihelden kommen wie „immer muss ich das machen“ oder „Das ist unfair, andere müssen das nicht. Mach Du das doch selbst“ und sie sich verweigern, dann verweigere ich mich irgendwann auch. Dann habe ich zum Beispiel keine Lust zu kochen oder die Brotbüchsen vorzubereiten. Hart, ich weiß. Das passierte aber tatsächlich nur zwei mal bisher. Manchmal packen sich unsere Kinder mehr Aufgaben in den Tag als sie schaffen können. Ich erwarte nur ein Bild pro Tag pro Kind auf unserer TO Do Wand. Mittlerweile haben sie gelernt, dass weniger mehr ist. Bevor es nun zu einem großen Raunen kommt: zu den Aufgaben der Kinder gehören Dinge wie den Tisch abzuwischen, den Tisch decken, Hunde füttern oder abwaschen. Es sind Aufgaben, die schnell erledigt sind und noch genug Zeit für schönere Dinge lassen.40382376_652742021777588_7806939204713185280_n

Im Plan steht auch, wann es Taschengeld gibt und wann die Zimmer aufgeräumt werden sollten. Die Minihelden erinnern sich mittlerweile gegenseitig an den Plan und deren Aufgaben. Das klappt in der Tat besser als viele Dinge zuvor, erspart Zeit und noch mehr Diskussionen.

Manchmal habe ich Angst, den Kindern nicht gerecht werden zu können. Dass es nicht ausreicht und ich einfach nicht Mama genug bin. Mir wird von Tag zu Tag mehr bewusst, dass ich die einzige Erwachsene in unserem Haus bin und ich das Drumherum nun komplett neu organisieren muss.

Darum ist einer der wichtigsten Aufgaben als Neu- Alleinerziehende, nicht nur die Alltagsorganisation und das Finanzielle neu zu regeln, sondern vor allem mehr an sich selbst zu glauben. Ich habe nicht vor, Simon zu ersetzen, Ich bin Mutter und nicht Vater und Mutter. Dieser Versuch würde vermutlich scheitern. Aber mehr Selbstbewusstsein zu entwickeln, mutiger zu sein: das sind Dinge, um die ich mich kümmern sollte. Wenn ich mir meine Kinder so ansehe, finde ich, dass sie doch recht soziale Wesen geworden sind. Daran bin ich schließlich nicht ganz unbeteiligt. Es ist so wie es ist, ich kann es nicht ändern, und wenn ich nun auch noch meinen Kopf komplett in den Sand stecke, ja dann hätte niemand etwas davon. Unser Leben 2.0 ist ein anderes. Ich mochte unser erstes Leben, aber dieses hier, das jetzige, möchte genauso gemocht werden. Ich denke, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis wir unseren Rhythmus gefunden haben, bis wir verarbeitet haben, aber soll klappen. Und dazu muss ich mutig sein, mich dem Leben 2.0 zu stellen.img_20130516_114518-1.jpg

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6 Gedanken zu „Wie ist das eigentlich… Neu- Alleinerziehend

  1. Liebe Ines,
    du brauchst wirklich mehr Selbstbewusstsein. Du machst das super und deine Minihelden sagen bestimmt (meistens 😉) das Gleiche. Wie in jeder neuen Situation oder neuem Lebensabschnitt dauert es erstmal, bis sich alles eingespielt hat. Der Alltag ist für euch noch keine Routine, kann es auch noch gar nicht. Es wird noch dauern, die Heldenkinder werden älter und damit selbstständiger. Aber ihr seid definitiv auf dem richtigen Weg. Es ist schwer, allein Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu tragen. Wer packt es wenn nicht du? Das hört sich jetzt so einfach an, aber hab keine Angst vor der Zukunft, es wird sich alles fügen, Stückchen für Stückchen, hab Vertrauen in dich! Vergiss dich nicht selbst, versuche vielleicht jeden Tag eine Kleinigkeit für dich zu tun. Wenn es nur ein Stück Schoki für die Nerven ist oder eine kurze Entspannungsübung. Glaub an dich!
    Fühl dich umarmt, unbekannterweise!
    Alles Liebe, Sandra

  2. Du weißt ja, dass du dich auch so quasi von Kollegin zu Kollegin jederzeit an mich wenden kannst, wenn du einen boost brauchst. Es gibt tolle Angebote da draußen für Eltern, die diese Mamutaufgabe allein stemmen müssen. Und was eine eventuelle Betreuung der beiden Heldenkinder betrifft, muss ich ja nicht viel sagen. ABER: alles zu seiner Zeit, nur du und die Kids geben euer Tempo vor. Wenn du sagst, du hast das Gefühl, du „müsstest“ etwas bestimmtes tun, ändern etc., dann nur, weil du es für euch, für dich so siehst. (wobei ich mir diesbezüglich eigentlich keine Platte mache, du bist, was ich sehr bewundere, nach all dem (zumindest nach außen immer noch) standfest genug, dass dir niemand unnötige Unsicherheit einreden kann. ❤️

  3. Ich bin ja seit letztem Jahr auch alleinerziehend und es ist anstrengend und alles. Das schlimmste finde ich den völligen Verlust an Flexibilität für mich. Bei meiner (wirklich supertollen!!!) Kinderbetreuung ist die Zeit genau festgelegt. Ich kann weder Überstunden machen noch früher anfangen, weil ich dann immer die Kinderbetreuung ummodeln müsste. Das ist wirklich anstrengend. Genau so wie die Tatsache, dass bei Streitigkeiten oder generve niemand zum ausgleichen da ist. Und natürlich die Tatsache, dass eine riesige Verantwortung auf einem lastet.

  4. Liebe Ines, ich bin vor 10 Jahren in die Nähe meiner Tochter gezogen, alleinerziehend mit 2 Söhnen und zu der Zeit Vollzeit arbeitend. Vor 7 Jahren kam dann noch eine kleine Enkelin dazu . Die Verbindung klappte auch nicht und schon Trennung während der Schwangerschaft. Die Jungs inzwischen 19 und 15 Jahre brauchen mich selten aber die kleine Maus täglich , vor der Schule und nach der Schule, bis Mama von der Arbeit kommt. Ohne meine Liebe zu diesen Kinder, wäre das Alleinerziehen kaum zu schaffen, da sie ja nicht gleichzeitig für alle drei Termine wahrnehmen kann. Alleinerziehende werden kaum gewertschätzt, oft gerade von Frauen nicht. Sie machen alles großartig und haben sich ja nicht bewusst für das Alleinerziehen entschieden. Ich wünsche Ihnen , dass sie jemanden finden, der sie unterstützt in den schwierigen nächsten Jahren. Immer nur den Tag leben und nicht schon im Voraus denken und planen, das wünsche ich Ihnen und den Kindern und Hilfe im Alltag. Nehmen sie alle Hilfe an, die man ihnen anbietet , das Leben hat auch wieder Sonnenstunden für sie . Alles alles Gute für die Zukunft in der Ruhe liegt die Kraft, teilen Sie sich alles so ein, dass es nicht über ihre Kraft geht

  5. Liebe Ines, Du hast nicht nur die aktuelle Geschehnisse zu verarbeiten sondern wie alle Menschen hast Du auch Deine Lebensgeschichte immer mit dabei. Wie in einem Rucksack ist es immer mit dabei. Gute und weniger gute Erinnerungen, Erlebnisse und Geschichten.Nur dass wir die Schwere dieses Rucksackes nicht immer selbst bestimmen koennen. Manchmal ist es zu schwer fuer uns und wir benoetigen Hilfe und Unterstuetzung. Bei mir ist es so, dass ich ab und zu eine extra Umarmung benoetige. Seit 18 Jahren wohne ich nun schon in Norwegen, seit 12 Jahren nun hier an einem Fjord und habe noch immer nur einen kleinen Freundeskreis. Aber….diese paar Menschen sind wichtig geworden fuer mich, sie verstehen und helfen, sie koennen mich troesten und auffangen. Auch hier musste alles neu geordnet werden, nicht nur allein sondern auch immer nur fuer einen allein! Es lauft nicht immer gut jedoch findet sich alles. Einiges sofort, andere Dinge brauchen mehr Zeit. Was ich schon nach einiger Zeit sagen konnte, mein Selbstbewusstsein und die Einstellung zum Leben hatten sich rasch zum Positiven geaendert. Wir muessen es so hinnehmen, es ist so gekommen. Nur die Zukunft koennen wir noch aendern. Auch Du Ines kannst das!

    Liebe Gruesse aus dem Land der Trolle!

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