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Bundesgerichtshof: Digitale Inhalte eines Nachlasses sind vererblich


15. August 2018, 15:46
PRESSEMITTEILUNG/PRESS RELEASE

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 12.07.2018, Az. III ZR 183/17, entschieden, dass beim Tod des Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks der Nutzungsvertrag grundsätzlich nach § 1922 BGB auf dessen Erben übergeht. Dem Zugang zu dem Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten stehe weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers noch das Fernmeldegeheimnis oder das Datenschutzrecht entgegen.

Dem Verfahren lag die Klage der Mutter der im Alter von 15 Jahren verstorbenen Tochter zugrunde, die bei der Beklagten mit Einverständnis der Eltern ein Benutzerkonto unterhielt.

Die Klägerin hatte versucht, sich in das Benutzerkonto ihrer Tochter einzuloggen. Dies war ihr jedoch nicht möglich, weil die Beklagte es inzwischen in den sog. Gedenkzustand versetzt hatte, womit ein Zugang auch mit den Nutzerdaten nicht mehr möglich ist. Die Inhalte des Kontos bleiben jedoch weiter bestehen.

Die Klägerin beansprucht mit ihrer Klage von der Beklagten, den Erben Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto, insbesondere zu den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren.

In seiner Entscheidung stellt der Bundesgerichtshof klar, dass der Nutzungsvertrag eines sozialen Netzwerks bei Tod des Kontoinhabers auf die Erben übergeht.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten, unabhängig von einem Vermögenswert, auf die Erben übergehen. Ein Unterschied bestehe lediglich in der Art und Weise der Vererbbarkeit.

Während bei Schriftstücken oder Speichermedien im Eigentum beziehungsweise Besitz des Erblassers diese Rechtspositionen auf die Erben übergingen, träten bei auf Servern befindlichen Inhalten die Erben in das Vertragsverhältnis ein. Eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die Vererbbarkeit an sich rechtfertige dies nicht.

Dem stehe weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers, noch das Fernmeldegeheimnis oder das Datenschutzrecht entgegen.

Das aus der Unantastbarkeit der Menschenwürde hergeleitete postmortale Persönlichkeitsrecht gebe den nächsten Angehörigen des Verstorbenen Abwehrrechte in Form von Unterlassungs- und Widerrufsansprüchen. Beim Fernmeldegeheimnis sei der Erbe nicht "Dritter" im Sinne des Gesetzes. Und die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) schütze nur lebende Personen.

„Dieses Urteil schafft Rechtsklarheit für die Erben“, erläutert Rechtsanwältin und Bankkauffrau Karin M. Schmidt. „Denn das Urteil stellt analoge Inhalte eines Nachlasses wie z.B. Tagebücher und digitale Inhalte, die auf Servern gespeichert sind, erbrechtlich gleich". Dennoch empfiehlt sie, in einem Testament klarzustellen, dass sich die Erbeinsetzung auf den gesamten Nachlass erstreckt, insbesondere also auch auf höchstpersönliche Inhalte, unabhängig von einem Vermögenswert, wie digitale Daten, Accounts und Social-Media-Profile. Das sei der sicherste Weg.

Es fragt sich noch, wie der Erbnachweis zu erbringen ist; braucht man einen Erbschein? "Auch beim digitalen Nachlass reicht als Erbnachweis an Stelle eines Erbscheins (bzw. Europäischen Nachlasszeugnisses) die Vorlage des gerichtlichen Eröffnungsprotokolls und dazu die beglaubigte Abschrift der Verfügung von Todes wegen, sofern die Erbeinsetzung eindeutig ist", so Rechtsanwältin Schmidt.

Über Rechtsanwältin Karin M. Schmidt
Frau Rechtsanwältin Karin M. Schmidt studierte nach einer Banklehre in Freiburg im Breisgau und absolvierte ihr Referendariat am Landgericht Freiburg mit Wahlstation in San Francisco (USA). Sie ist seit 1996 in eigener Kanzlei mit dem Schwerpunkt Erbrecht und Vermögensnachfolge tätig. Zudem berät sie mittelständische Unternehmen in den Bereichen Arbeitsrecht, Gesellschafts- und Handelsrecht sowie Vertragsrecht.

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