Aktienanalysen

Reliance Industries Limited – wie ich mit einer einzigen Aktie an Indiens Wachstum teilhabe

Ich hatte Reliance Industries Limited zum ersten Mal in meinen Analysen zu Qualcomm (Zusammenarbeit bezüglich des Jio Phones von Reliance) und Apple (Zusammenarbeit bezüglich des Vertriebs von iPhones in den Retail Stores von Reliance) angesprochen. Zuletzt erwähnte ich Reliance in meinem Bericht zur Wirecard-Hauptversammlung, sodass die Zeit reif war, um zumindest eine Kurzvorstellung des Unternehmens vorzunehmen und auf die aktuellen Entwicklungen einzugehen.

1. Womit verdient Reliance Industries Ltd. sein Geld?

Reliance ist ein Investment, das als Synonym für Kostolanys Börsenspruch: „Man macht Geld an der Börse mit dem Sitzfleisch“ und unter die Kategorie „langweiliges“ Investment gezählt werden kann. Nach einer mehr oder weniger Seitwärtsphase seit Jahresanfang ist der Aktienkurs seit Anfang Juli auf einmal um 20% gestiegen (siehe folgende Abbildung).

Reliance Industries Ltd. Aktienkursentwicklung im Zeitraum 20.07.2017 – 20.07.2018, Quelle: Onvista

Dieser Kursanstieg verhalf dem CEO und Gründersohn Mukesh Ambani – laut Harvard Business Review einer der erfolgreichsten CEOs der Welt (wenn auch nicht so bekannt wie seine US-Pendants) und der erste nicht-US-amerikanische Staatsbürger im Board of Directors von Bank of America – den Thron als wohlhabendste Person Asiens zu besetzen und seine chinesischen Rivalen Jack Ma (Alibaba) und Pony Ma (Tencent) zu übertrumpfen. Das Erstaunliche ist, dass dieses Ereignis in den Medien kaum Beachtung fand und ich selbst nur durch Zufall darauf aufmerksam geworden bin. Dies wiederum bestätigt meine Aussage, dass es sich um ein „langweiliges“ Investment handelt.

Bei näherer Betrachtung von Reliance fällt auf, dass die Entwicklung des Unternehmens alles andere als langweilig ist. Reliance ist mit einem Marktwert von USD 103 Mrd. das nach Marktkapitalisierung wertvollste und zugleich profitabelste Unternehmen Indiens. Beispielsweise wäre Reliance, wenn es im Dax gelistet wäre, nach SAP das nach Marktwert zweitwertvollste Unternehmen.

Reliance hat mit im letzten Geschäftsjahr mit einem Umsatzwachstum von 30% und einem Gewinnwachstum von 20% einen neuen Gewinnrekord aufgestellt. Da Reliance 80% seiner Umsätze bzw. USD 67 Mrd. mit den Segmenten Raffinerie- und Petrochemikaliengeschäft macht, spielten dem Unternehmen insbesondere der gestiegene Ölpreis und die florierende (Welt-)Wirtschaft in die Karten. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass Reliance im indischen Jamnagar die größte Ölraffinerie der Welt betreibt.

Gleichzeitig baut sich Reliance mit der im Jahr 2016 gegründeten Telekom-Sparte Jio eine Cashcow auf, was dazu beitragen wird, sich vom zyklischen Raffinerie-, Öl- und Gas- sowie Petrochemikalien-Geschäft diversifizierter aufzustellen.

Beeindruckend ist, dass die Telekom-Sparte nach nicht einmal zwei Jahren nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit mit über 186 Millionen Kunden per März 2018 (entspricht 14% der indischen Population von rund 1,3 Milliarden) zum größten Mobilfunkunternehmen und drittgrößten Telekommunikationsunternehmen Indiens aufstieg und direkt Gewinne gemacht hat.

Alleine im Quartal bis Ende März wurden 27 Millionen Kunden hinzugewonnen. Der Umsatzanteil betrug zwar nur fünf Prozent des Gesamtumsatzes des Unternehmens. Doch unter der Berücksichtigung der Wachstumsrate sollte der Umsatzanteil rapide zunehmen. Laut eigenen Angaben will Reliance bis Dezember 2018 99% der indischen Landesfläche mit 4G/LTE-Abdeckung ausstatten.

Jio besitzt eine eigene Smartphone-Marke und bietet neben der klassischen Telefoniefunktion unter anderem eine Messaging-, TV-, Video on Demand-, News-, Payment- und E-Commerce-App an.

Reliance wirbelte mit der Telekom-Sparte auch die Konkurrenz durcheinander. So musste Vodafone India, die Tochter der britischen Vodafone Group, aufgrund von Margenrückgängen mit Idea Cellular fusionieren. Norwegens Telenor, bis vor kurzem ebenfalls in Indien aktiv, hat seine indische Sparte an Bharti Airtel veräußert. Indiens Telekom-Sektor wird somit in Zukunft voraussichtlich von diesen drei Anbietern dominiert werden.

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Mukesh Ambani, CEO von Reliance Industries Limited

Wer sich ein genaueres Bild von Mukesh Ambani und Jios Potenzial machen möchte, dem empfehle ich das folgende Video. Mukesh Ambani präsentiert die Markteinführung von Jio und wird wie ein Superstar gefeiert. Besonders beeindruckend finde ich die Bedeutung, die er der Digitalisierung zumisst und seinen Spruch: „data is the oxygen of digital life“ (ab Minute 14:50). Daraus wird ersichtlich, warum er ein Telekommunikationsunternehmen gegründet und direkt eine Vielzahl von Apps angebunden hat, um ein Ökosystem aufzubauen und so viele Daten wie möglich aufzusammeln. Gleichzeitig hat er den Geist der Zeit erkannt. Man könnte sagen, dass er „das Pferd von hinten aufzäumt“ und einen Industrie- und Chemiekonzern zu einem modernen Technologiekonzern umbaut.

Darüber hinaus besitzt Reliance nach eigenen Angaben per März 2018 insgesamt 7.571 Retail Stores (ein Anstieg von über 100% im Vergleich zum Vorjahr) und damit das größte Retail-Netz in Indien in den Bereichen Lebensmittel, Kleidung, Telekommunikation und Elektronikfachmärkten. Des Weiteren betreibt das Unternehmen 495 Tankstellen.

Außerdem habe Reliance das flächendeckendste, umsatzstärkste und profitabelste Retail-Netz Indiens. Der Retail-Bereich steuerte rund 15% bzw. USD 10 Mrd. zum Gesamtumsatz des Unternehmens bei. Der Umsatz im Retail-Bereich wuchs im Jahresvergleich um 105% und innerhalb der letzten fünf Jahre mit einer jährlichen Wachstumsrate von 45% (das heißt, dass sich der Umsatz alle zwei Jahre verdoppelt).

Die folgende Abbildung veranschaulicht die Retail-Store-Abdeckung von Reliance.

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Reliance Retail Store Network, Stand 31.03.2018, Quelle: Reliance Industries Limited

Unter der Berücksichtigung des gegenwärtigen und zukünftigen Potenzials von Reliance‘ Kundenstamm ist leicht nachvollziehbar, warum Unternehmen wie Apple und Qualcomm mit Reliance Geschäfte machen möchten.

Die folgende Abbildung vermittelt nochmals einen grafischen Überblick über die einzelnen Segmente von Reliance:

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Geschäftssegmente von Reliance, Stand: März 2018, Quelle: Reliance Industries Limited

2. Warum ist der Kurs so explosionsartig gestiegen?

Laut Medienberichten plant Mukesh Ambani eine Optimierung der Online-Offline-Anbindung seines Retail-Netzes durch den Aufbau eines Online-Marktplatzes und Nutzung seiner Filialen als Logistiknetzwerk. Damit würde Reliance in den Bereichen E-Commerce und Last Mile Delivery verstärkt in Konkurrenz mit Amazon und Flipkart treten. (Die US-Einzelhandelskette Walmart hat im Mai einen Deal über USD 16 Mrd. abgeschlossen, um 77% der Anteile von Flipkart zu erwerben.)

Dabei besitzt Reliance zum einen den Vorteil, dass es über sein Telekom-Netzwerk, seinen Kundenstamm und sein Retail-Netz Daten zum Verbraucherverhalten sammeln, nutzen und ausschöpfen kann.

Zum anderen ist Reliance mit dem Konsumentenverhalten, den Bedürfnissen, den Herausforderungen und den gesetzlichen Regularien des Heimatmarktes vertraut und ist bereits heute flächendeckend mit seinen eigenen Filialen vertreten.

Laut Philip Cheng, Vice President, Ground Operations von FedEx Express in Indien ist der Einzelhandel einer der am schnellsten wachsenden Sektoren Indiens und soll von USD 70,45 Mrd. im Jahr 2016 auf USD 111,25 Mrd. im Jahr 2019 wachsen. Dies entspricht einem Wachstum von 60% in drei Jahren.

In meinem Bericht zur Wirecard-Hauptversammlung hatte ich bereits beschrieben, dass der Wirecard-CEO Herr Braun ein großes Potenzial in Indien sieht und Indien mit Chinas Entwicklungsstufe von vor 10-15 Jahren verglichen hatte. Ich könnte mir vorstellen, dass Reliance mit seinen JioPhones, seiner JioMoney-App und seiner Kundenbasis ein prädestinierter potenzieller Partner für Wirecard wäre, um von Indiens Potenzial noch besser zu profitieren.  

Darüber hinaus besitzt Reliance die finanziellen Möglichkeiten, um das Potenzial in Indien auszuschöpfen. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Reliance laut den internationalen Ratingagenturen Standard & Poors und Moody’s eine bessere Kreditwürdigkeit als der indische Staat besitzt.

Ferner existieren Gerüchte darüber, dass Reliance beabsichtigt die Telekom-Sparte abzuspalten, an die Börse zu bringen und über Estland nach Europa zu expandieren. Dank der E-Government-Lösungen des estnischen Staates seien die regulatorischen Hürden für einen Markteintritt geringer und Reliance hätte auf diese Weise Zugang zum europäischen Telekom-Markt.

Zusätzlichen Rückenwind bekommt Reliance von den Wirtschafts-, Währung- und Steuerreformen des Premierministers Narendra Modi, wodurch das Wirtschaftswachstum weiter gefördert und die Digitalisierung vorangetrieben wird (z. B. Vereinheitlichung der Steuersätze, Umstieg auf bargeldlose Bezahlsysteme). Laut Statista liegt Indiens prognostizierte Wachstumsrate in 2018 bei 7,3% und ist damit höher als Chinas Wachstumsrate von 6,6%.

3. Fazit

Unter der Berücksichtigung der zuvor genannten Punkte ist sicherlich nachvollziehbar, warum ich in Reliance investiert bin, um an Indiens Wachstum zu partizipieren.

Insbesondere die Tatsachen, dass Indien in Bezug auf die Entwicklungsstufe großes Entwicklungspotenzial aufweist, im internationalen Vergleich überproportional wächst und gemeinsam mit China zu den bevölkerungsreichsten Staaten der Erde gehört, bieten eine große Chance.

Für Reliance als Investment spricht die breit diversifizierte Aufstellung in Geschäftsbereichen, welche die Grundbedürfnisse der indischen Bevölkerung unter zunehmenden Fokus auf die Digitalisierung stillt. Hinzu kommt, dass die Unternehmensführung durch einen erfolgreichen, international anerkannten und visionären Gründersohn und CEO erfolgt.

Darüber hinaus kannst du dir nach dem Lesen meines Beitrags sicher vorstellen, warum ich meine Freunde damit nerve, bei der Gründung eines Business nicht nur an China, sondern vielmehr an Indien zu denken.

Der Vollständigkeit halber ist noch zu erwähnen, dass die Anteile von Reliance in Deutschland als GDR gehandelt werden. Das heißt, dass es sich um Zertifikate handelt, die mit Aktien des Unternehmens unterlegt sind (analog zu beispielsweise Alibaba und Tencent aus China). Ich habe meine Anteile über die London Stock Exchange gekauft, da dort das Handelsvolumen, im Vergleich zu den deutschen Börsen, sehr hoch ist. Das hat wiederum den Vorteil, dass die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufskursen geringer ausfällt.

Anleger, denen ein Investment in ein indisches Unternehmen zu heikel oder intransparent ist, nehmen durch Investments in globale Unternehmen wie Apple, Amazon und Walmart ebenfalls an Indiens Wachstum teil. Gleichzeitig können Anleger den Umsatzanteil von Indiens oder Asien in den Geschäftsberichten der einzelnen Unternehmen prüfen und sich gezielt Unternehmen aussuchen, welche einen hohen Umsatzanteil in Indien besitzen.

Eine andere Alternative, um an Indiens Wachstum zu partizipieren, ist das Investieren in Fonds oder ETFs mit Fokus auf Indien oder Asien. Gleichwohl sind wirtschaftspolitische und währungstechnische Risiken zu berücksichtigen.

Ich hoffe, dass dir mein Artikel einen Mehrwert geboten hat und du etwas für deine eigenen Investments mitnehmen konntest. Viel Erfolg weiterhin!

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Dynamische Grüße,

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Güner Soysal, 22.07.2018
Founder & CEO, Investment Analyst (M.A.)

Quellen & Links

Sämtliche Inhalte nach bestem Wissen und Gewissen, aber ohne Gewähr für Aktualität, Richtigkeit, Vollständigkeit und Genauigkeit. Die Kolumne dient nur der Information und stellt keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf der erwähnten Wertpapiere dar. Der Autor haftet nicht für materielle und/oder immaterielle Schäden, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung der Inhalte oder durch die Nutzung fehlerhafter und unvollständiger Inhalte verursacht wurden.

Offenlegung von Interessenskonflikten: Der Autor hält zum Zeitpunkt der Veröffentlichung direkt oder mittelbar Positionen in den erwähnten Wertpapieren: Reliance Industries Limited, Wirecard, Apple, Tencent, Alibaba, Qualcomm, Amazon. Der Autor beabsichtigt nicht innerhalb von 36 Stunden nach Veröffentlichung direkt oder mittelbar Transaktionen in den erwähnten Wertpapieren zu tätigen.

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