Klub der Söhne
In der Regel steigen junge Mädchen, kaum älter als 20 aus diesen Autos aus und verschwinden in der nächsten Boutique.
Schade eigentlich, wer würde sich nicht gerne eine goldene Nase verdienen, ohne gross etwas dafür zu tun, bloss den Stadort zu wechseln.
Es mag vielleicht noch die ein oder andere Firma geben, die Leuten in bestimmten Positionen viel Geld bezahlen wenn sie nach China gehen, aber in der Regel sind diese Zeiten vorbei.
Ich kenne Geschichten von Leuten, die ein vielfaches ihres Lohnes als Anreiz bekommen haben um im Reich der Mitte zu arbeiten.
Darüber hinaus sind alle Eventualitäten bezahlt worden. Darunter die Miete inklusive einer Haushälterin, ein Auto plus Fahrer, ein persönlicher Dolmetscher, Freiflüge, der Kindergarten oder die Schule für die Kinder, Sprachkurse usw.
Diese, teilweise aberwitzigen Geschenke gibt es heute in der Regel nicht mehr. Man bekommt als Zugabe zu seinem Gehalt meist so etwas wie regelmässige Freiflüge in die Heimat, Sprachkurse oder einen Mietzuschuss.
Es geht einem also genau so gut oder schlecht, wie in Deutschland auch. Und das ist ja absolut in Ordnung, damit kann man auch in China wunderbar leben. Man muss nur ein paar Dinge beachten:
China ist in seinen Metropolen nicht das Billigland ist, für das man es im Westen in der Regel hält.
Inzwischen haben namhafte Restaurants ebenso gesalzene Preise, wie im Westen auch.
Es ist natürlich immer noch möglich preisgünstigere Alternativen zu finden, aber man merkt überall eine ganz klare Tendenz zu Preiserhöhungen.
Leben in Chinas Metropolen kann schnell ins Geld gehen. Markenprodukte sind in der Regel teurer als bei uns, selbst wenn sie hier hergestellt wurden und die Miete setzt natürlich allem noch mal die Krone auf.
Der Mietspiegel steigt stetig an, man macht Verträge für ein Jahr oder sogar nur ein halbes, dann kann man sich entscheiden ob man die erhöhte Miete noch bezahlen kann, oder wieder umzieht.
Man kommt als Mieter in Städten wie Beijing viel rum. Man fühlt sich wie ein Nomade.
Man muss also weiter raus in die Vororte ziehen und in Kauf nehmen, dass man tagtäglich mehrere Stunden im Gedränge der öffentlichen Verkehrsmittel oder im Stau auf den Strassen verbringt.
Dann kommen noch kleine Gemeinheiten hinzu, die man vorher nicht bedacht hat:
Sie sind verheiratet und wollen ihre Steuerklasse entsprechend anpassen ? Nun, das funktioniert natürlich nur, wenn Ihr Partner auch in Deutschland gemeldet ist und dort Steuern zahlt. Damit hat sich das für mich schon mal erledigt.
Aufspielen sollte man sich ja grundsätzlich nicht und Leute, die ihr Gehalt mit dem der Einheimischen vergleichen, erleben oft eine Überraschung.
Auch wenn man nach deutschem Standard finanziell noch recht gut dasteht, gehört man in China zu den unteren Einkommensschichten.
Seitdem China sich in den 80er Jahren geöffnet hat und es Privatleuten erlaubt ist Firmen zu betreiben, sind unglaublich viele Menschen sehr schnell reich geworden.
Und das hat auch wieder neue Jobs entstehen lassen, die Gehälter nach oben wachsen lassen, somit auch die Lebenshaltungskosten und so weiter.
Und auch wer ein Appartement in einer der Grossstädte sein Eigen nennen konnte, hat die Möglichkeit gehabt, seinen Reichtum immer weiter zu vermehren und ein Appartement nach dem anderen zu kaufen, abbezahlt mit den Mieteinnahmen der anderen.
Eine Herausforderung für junge chinesische Männer ist es heutzutage, dass sie, um eine geeignete Partnerin zu finden, bereits in frühen Jahren ein Appartement und Auto vorweisen müssen, damit sie für die hiesige Frauenwelt überhaupt interessant sind.
Somit sparen die Eltern und Grosseltern bereits das Geld zusammen, das es dem Sprössling später hoffentlich einmal ermöglicht auf dem Wohnungsmarkt mit den stetig steigenden Quadratmeterpreisen die eigenen vier Wände zu erstehen.
Das ist der Kampf, den ganz normale Familien bestreiten müssen und in deren Augen ist jemand wie ich bereits ein Nichts.
Natürlich gibt es eine unvorstellbare Masse an Menschen in China, die finanziell am absoluten Minimum oder darunter leben, aber die sieht man in Städten wie Beijing in der Regel nicht.
Zum einen wird dafür gesorgt, dass man sie nicht sieht, zum anderen leben die meisten Armen in China auf dem Land und in den Dörfern.
Im täglichen Leben, als Ausländer in China, trifft man normalerweise Chinesen, denen es finanziell nicht schlecht geht.
Einkommen, in vergleichbaren Positionen, die teilweise ein gutes Stück über dem meinem liegen, sind hier die Regel.
Aber ich will mich nicht beschweren. Schliesslich geniesse ich, auf Grund meines deutschen Vertrages, die Vorteile eines soliden sozialen Netzes, das mich auffängt, sollte ich krank, arbeitslos oder sogar arbeitsunfähig werden und einen entsprechenden Kündigungsschutz geniesse ich im Gegensatz zu jemanden mit einem chinesischen Vertrag auch.
Aber für die meisten chinesischen Frauen wäre ich, mangels Liquidität, als potenzieller Lebenspartner nicht einmal eine Überlegung wert.
Der Grund, dass sie mir auf der Strasse trotzdem hinterherschauen ist der, dass das Vorurteil des reichen Ausländers noch in den Köpfen der meisten Leute hier herumspukt. Aber machen wir uns nichts vor, ich bin hier nur ein kleines Licht.
Und dann gibt es da noch die besagten Leute, die unglaublich viel Geld gemacht haben und jetzt mit Bentley, Porsche oder Lamborghini durch die Innenstadt fahren.
Oder besser gesagt: Die Kinder der Leute die Geld gemacht haben sind es, die mit Luxuskarossen und allem möglichen Bling-Bling auf sich aufmerksam machen. Denn auch in China ist es nicht anders als bei uns: Es ist meist die zweite oder dritte Generation, die zeigen will, was sie hat (bzw. noch erben wird).
Noch in den 70er Jahren hätte man für eine derartige Zurschaustellung von Reichtum in China gelyncht werden können, heutzutage ist es ganz normal.
Treffen tut man sich dann aber doch lieber abseits des Pöbels in Privatclubs, von denen es in Beijing auch immer mehr gibt.
Man könnte sie auch passenderweise die „Klubs der Söhne“ nennen, um eine Analogie aus dem Film Metropolis zu benutzen.
(Ich hoffe, Sie haben Metropolis gesehen. Falls nicht, holen Sie es unbedingt nach. Es lohnt sich und inzwischen gibt es auf so ziemlich jeder Videoplattform im Internet die restaurierte Version von 2010/2011 frei zu sehen.)
China bewegt sich, was soziale Ranggefüge angeht, tatsächlich in Richtung Metropolis. Eine Oberschicht, die sich rasant von Unter- und Mittelschicht absetzt.
So lange es die Mittelschicht noch gibt, hinkt der Vergleich mit Metropolis zwar etwas, aber um eine Oberschicht zu finden, die eine Unterschicht ausbeutet, muss man nicht lange suchen (Aber auch das ist natürlich wieder ein globales Problem, kein typisch China spezifisches. Was eben jener Film wunderbar zum Ausdruck bringt, schliesslich thematisiert er dieses Phänomen bereits 1925.).
Was in diesen Privatclubs passiert, kann ich mir auch nur anhand von Reportagen, die es hier und da gibt, zusammenreimen.
Aber es wird nicht anders sein als in Privatclubs überall auf der Welt. Etwas Party, etwas Business und viel teure Getränke und Entertainment.
Mehr als ein viertel aller Milliardäre weltweit sind bereits Chinesen, Tendenz steigend. Auch interessant ist, dass die Reichtümer hier wesentlich grösser sind, als es in anderen Staaten der Fall ist.
Da das Wort superreich immer wieder gerne mal für alles mögliche gebraucht wird, müssen wir hier schon von extrem superreich reden.
Menschen, die (natürlich inoffiziell) komplette Landstriche besitzen, oder alleine der Umstand, dass Unternehmen, die in China beheimatet sind und mit zu den weltweit grössten ihrer jeweiligen Zunft zählen, sich in Privatbesitz befinden, sind ein Indiz dafür, über welche Grössenordnungen wir hier sprechen.
Die Gründe dafür sind simpel: Zum einen das anhaltende, gute wirtschaftliche Wachstum, das eine Nachfrage bei einer riesigen Bevölkerung geschürt hat.
Und der Umstand, dass der Markt noch neu war und man so ziemlich alles verkaufen konnte.
Obwohl Chinas Regierung noch den Kommunismus auf den Fahnen stehen hat, sind Land und Leute inzwischen kapitalistisch geprägt bis ins Mark.
Ich habe selten so viele Menschen getroffen, die über nichts anderes reden als das Geld.
Es scheint, als wollte man den gesamten kapitalistischen Weg mit all seinen Irrungen, Ungerechtigkeiten und Konflikten, die aus seiner Natur im Westen entstanden sind, innerhalb kürzester Zeit kopieren und eventuell noch übertreffen.
Es kann einem manchmal wirklich Angst machen mit welcher Selbstverständlichkeit dem heiligen Geld wirklich alles geopfert wird.
Ein weiterer Grund dafür, dass einige Menschen sehr, sehr reich geworden sind, hängt natürlich auch mit der allgegenwärtigen Korruption zusammen.
Viel Geld ist auf höchst fragwürdige Weise gemacht worden, auch wenn das immer gerne verschwiegen wird.
Es sickert hin und wieder etwas durch von korrupten Geschäften, die dann durch Marktreformen mehr oder weniger legalisiert wurden.
„Durch ehrliche Arbeit ist noch niemand reich geworden“. Ein Sinnspruch, der durchaus seine Berechtigung hat.
In der Regel lässt man für sich arbeiten, oder man macht krumme Geschäfte um an das richtig grosse Geld zu kommen.
Und die gewinnbringenden Chancen und Insider Informationen schustert man sich ausschliesslich unter seinesgleichen zu.
Aber sind wir ehrlich: Auch das ist kein typisch chinesisches Problem. Diesem Umstand begegnet man überall dort, wo Geld ist.
Eine Hand wäscht die andere, eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Die unzähligen Aussprüche für derartige Dinge machen bereits deutlich, dass es weiss Gott kein Ausnahmeverhalten ist.
In China ist nur alles wieder eine Nummer grösser. So wie eigentlich alles.
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