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Nas: Nasir (Albumkritik)

 

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Nas: Nasir (Mass Appeal/Def Jam)

 

Bewertung

 

Der Kanyethon geht also fröhlich weiter. Nas' erstes Album seit sechs Jahren ist das vierte unter führender Beteiligung von Kanye West entstandene Album in ebenso vielen Wochen (wobei seine Beiträge zum neuen Christina Aguilera Album nicht berücksichtigt sind), wobei zumindest ein weiteres Album noch ausständig ist. Die kommende Veröffentlichung von KTSE, dem zweiten Longplayer der bei Kanyes GOOD Music unter Vertrag stehenden Sängerin Teyana Taylor, soll das Ende dieser Flut signalisieren (zu der auch Wests eigenes Ye, seine Kids See Ghosts Zusammenarbeit mit Kid Cudi und Pusha Ts Daytona zählen), aber angesichts dessen, was man höflich als Wests launische Natur bezeichnen könnte, und der fieberhaften Geschäftigkeit, die mit seinem aktuellen Ausbruch von Kreativität einhergeht, würde ich nicht darauf wetten, dass es nicht einige Monate so weitergeht.

 

Das Problem mit Wests andauerndem künstlerischem Ausbruch ist, dass die Quantität die Qualitt deutlich in den Schatten stellt. In einer Welt, in der ein Album nicht ohne die Mitwirkung von 350 Co-Autoren, Produzenten und Executive Producers erscheinen kann, da nicht das geringste Detail dem Zufall überlassen werden darf, kann man den Reiz dessen verstehen, was West vor kurzem als “trying new ideas without the fear of not being perfect” beschrieb. Doch auch wenn diese Alben jeweils nur über sieben Tracks und eine Spieldauer von weniger als 25 Minuten verfügen, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass West sein Talent überdehnt – dass es also besser gewesen wäre, seine besten Beats zu einem Album zu kondensieren, anstatt drei unausgewogene auf den Markt zu werfen. Seine bisherigen Veröffentlichungen im Jahre 2018 leiden jedenfalls unter reichlich Füllmaterial.

 

Doch Nasir dürfte das musikalisch einheitlichste und beste Werk dieser Serie sein. Der Rapper, der sich selbst als “ghetto Othello” stilisiert, ist möglicherweise eine der wenigen Figuren im Hip-Hop, vor denen West so etwas wie Hochachtung hat – “I feel like I’m 18 years old again when I’m making beats for Nas”, tweete er –, was vielleicht zur Folge hatte, dass er seine ganze Aufmerksamkeit und Energie auf dieses Album konzentrierte, mit regelmäßig spektakulären Resultaten. West (oder jemand aus seinem Team) war sehr beschäftigt damit, perfekt passende Samples obskurer Stücke zu finden. „Not for Radio“ verdankt sein gespenstisches Chor/Orchester-Sample dem Soundtrack für den Film The Hunt for Red October; „White Label“s Großtuerei wird von einem passend grandios klingenden Schnipsel von Musik des im Exil lebenden iranischen Sängers Shahram Shabpareh begleitet. Kourosh Yaghmaei, ein weiterer Exil-Iraner, steuert die Lo-Fi-Klavierfigur bei, die in „Adam and Eve“ immer wieder auftaucht und mit der herbstlichen Melancholie ihres Klangs perfekt mit dem nachdenklichen Text harmoniert:“Grey hairs of wisdom, that means you’ve seen something.”

 

 

Slick Ricks Single „Children’s Story“ aus dem Jahre 1988 hingegen wurde von allen von Will Smith über Aesop Rock bis hin zu Eminem gesampelt, doch ihre Verwendung in „Cops Shot the Kid“ ist ein Geniestreich der Umformung. Nas verwandelt eine der verspieltesten, leichtesten Stimmen der Hip-Hop-Geschichte in etwas Verstörendes und Beharrliches, wobei er sich auf eine Zeile in Slick Ricks simpler moralisierender Geschichte, die davon handelt, dass es nicht ratsam ist, alte Leute auszurauben (“robbin’ old folks”), konzentriert und eine völlig andere Bedeutung aus ihr herauskitzelt. Der ursprüngliche Protagonist mag zwar kriminell gewesen sein, wird angedeutet, aber er wäre nicht getötet worden, wäre er weiß gewesen: “Get scared you panic you’re going down – disadvantages of the brown.”

 

Das wahre Problem bei Nasir ist Nas, der die Ambition zu haben scheint, ebenso launisch wie sein Produzent zu werden, denn seine Reime wechseln von scharfsinnigen, starken Anklagen von Rassismus zu Zeilen, die überhaupt keinen Sinn ergeben oder nur provozieren sollen. Im Fall von „Everything“, ist eine eindrucksvolle Serie von Zeilen über die Verhaftung zweier Schwarzer in einer Starbucks-Filiale in Philadelphia direkt mit mehr von Nas’ unverzichtbaren Gedanken über die Gefahren vom Schutzimpfungen für Kinder verbunden; diesem Thema widmet er sich seit dem 2001 erschienenen Stillmatic immer wieder. Korrekturen der Schilderung historischen Unrechts – “Abe Lincoln did not free the enslaved” – stehen Seite an Seite mit Falschdarstellungen und Verschwörungstheorien: “SWAT was created to stop the Black Panthers … Edgar Hoover was black … Fox News was started by a black dude.” Die scharfsichtige Brillanz von „Cops Shot the Kid“ muss sich auf diesem Album den Platz mit Verschwörungstheorien über die Freimaurer teilen.

 

Das einzige wichtige Thema, um das auf Nasir ein Bogen gemacht wird, sind die Anschuldigungen häuslicher Gewalt, die seine Ex-Frau Kelis vor kurzem gegen ihn vorbrachte; einzig über schlechte Publicity wird kurz gerappt: “When the media slings mud we use it to build huts.” Man ist versucht zu glauben, dass Nas ignoriert, was Kelis über seine gewalttätigen Ausbrüche in betrunkenem Zustand zu sagen hat, weil er hofft, dass die Sache so schneller in Vergessenheit geraten wird – doch man kann manches, was er hier sagt, auch so interpretieren, dass er geradezu in diesen Untaten schwelgt: “Drinking like Dean Martin is nothing to me”, deutet er einmal an. In einem anderen Moment prahlt er damit ein “chin-grabber, neck-choker, in-her-mouth-spitter, blouse-ripper, ass-grabber“ zu sein. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass jemand wirklich so dumm sein kann, aber ob dies beabsichtigt ist oder nicht, es sorgt dafür, dass man sich beim Zuhören unbehaglich fühlt; dies ist ein hässlicher Fleck auf einem Album, dessen Fehler dem Produzenten nicht angelastet werden können.

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