Das Thema
Gleicht der Arbeitgeber Vor- und Nachnamen der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer in einem automatisierten Verfahren (Mitarbeiter-Screening) mit den Namenslisten der sog. Anti-Terror-Verordnungen der Europäischen Union (Verordnungen EG Nr. 881/2002 und EG Nr. 2580/2001 des Rates) ab, ist der Betriebsrat nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zu beteiligen. So entschied der erste Senat des BAG durch Beschluss vom 19. Dezember 2017 (1 ABR 32/16) mit der Begründung, dass es sich bei einem solchen automatisierten Screeningverfahren nicht um eine technische Einrichtung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG handelt.
Abgleich von Statusdaten ist keine technische Einrichtung nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG
Nach Ansicht des BAG stellt das Ergebnis des mittels einer technischen Einrichtung durchgeführten Screenings, inwieweit der Vor- und Zuname eines Arbeitnehmers mit den Statusdaten der „Terrorlisten“ übereinstimmt, eine eigenständige neue Information dar. Es fehle im Fall dieses softwarebasierten ausschließlich namensbezogenen Datenabgleichs folglich schon an der eigenständigen Überprüfungs- bzw. Kontrollwirkung.
Hinzu kommt, dass die generierten Ergebnisse, so das BAG, weder ein konkretes Verhalten oder eine konkrete Leistung abbilden, noch auf solche schließen. Sollten Vor- und Nachname eines Arbeitnehmers mit den Statusdaten einer auf der „Terrorliste“ geführten Person identisch sein, bedeutet dies, dass sich ein Bereitstellungsverbot gegen die betreffende Person richtet. Damit allein ist noch keine Aussage über ein tatsächliches betriebliches oder außerbetriebliches Verhalten des Arbeitnehmers verbunden, das einen Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweist.
Nichts Anderes soll sich daraus ergeben, dass sich eine (Teil-)Übereinstimmung auf die weitere Durchführung des Arbeitsverhältnisses auswirken könnte. Denn gegebenenfalls werden Entgeltzahlungen eingestellt, das Ergebnis weiterer Ermittlungen erlaubt Rückschlüsse auf ein Verhalten des betreffenden Arbeitnehmers oder weil sich sonstige Folgen für das Arbeitsverhältnis ergeben. Dass durch das Ergebnis des Datenabgleichs mithilfe zusätzlicher Informationen erstmals ein Bezug zu einem möglichen Verhalten eines Arbeitnehmers hergestellt werden kann, mache das Screeningverfahren noch nicht zu einer technischen Einrichtung iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.
Pflicht des Arbeitgebers zur Beachtung des Bereitstellungsverbots der Anti-Terror-Verordnungen
Relevant wird das Mitarbeiter-Screening durch das in den Anti-Terror-Verordnungen geregelte Bereitstellungsverbot. Demnach dürfen gelistete Personen weder direkt noch indirekt wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen (Art. 2 Abs. 3 VO 881/2002 und Art. 2 Abs. 1 lit. b VO 2580/2001). Diese Namenslisten des Sanktionsausschusses des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (VO 881/2002) und des Rates der Europäischen Union (VO 2580/2001) enthalten natürliche Personen, bei denen davon ausgegangen wird, dass sie terroristische Handlungen begehen, zu begehen versuchen, sich an deren Begehung beteiligen oder diese erleichtern.
Das Arbeitsentgelt ist ein wirtschaftlicher Vermögenswert, sodass auch der Arbeitgeber in den Adressatenkreis des Bereitstellungsverbots fällt. Verstößt er gegen dieses, droht eine Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Außenwirtschaftsgesetz).
Als Folge der unmittelbaren Wirkung der Verordnungen trifft den Arbeitgeber also eine gesetzliche Pflicht, das Bereitstellungsverbot einzuhalten. Dies setzte die Arbeitgeberin im vorliegenden Sachverhalt durch ein automatisiertes Screeningverfahren anlässlich der monatlichen Entgeltzahlungen um.
Mitbestimmungsrelevanz bereits fraglich?
Es hätte nahe gelegen, zunächst zu klären, ob ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bezüglich des Terrorlisten-Screenings nicht schon aufgrund dieser gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers und angesichts der drohenden Sanktionen bei einem Verstoß gegen das Bereitstellungsverbot ausgeschlossen wäre.
Hierzu hat das BAG seine Erwägung in den Entscheidungsgründen jedoch nicht dargelegt, sodass die Frage, ob in diesem Fall überhaupt ein Mitbestimmungsrecht besteht, unbeantwortet bleibt. Eine Klarstellung dahingehend wäre wünschenswert gewesen.
BAG Urteil beinhaltet keine datenschutzrechtliche Legitimation
Ganz bewusst scheint der 1. Senat des BAG die Fragen des Datenschutzes in der vorliegenden Entscheidung nicht thematisieren zu wollen. Vielmehr hat er sich nur mit der Auslegung des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG beschäftigt. Dies zeigt zum einen, dass § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG gerade nicht die mitbestimmungsrechtlichen Fragen zum Datenschutz regelt.
Zum anderen kann diese Entscheidung keinesfalls als datenschutzrechtliche Legitimation des von der Beklagten genutzten automatisierten Screeningverfahrens anlässlich der monatlichen Entgeltzahlungen verstanden werden. Sondern ausschließlich als Klärung der Frage, ob ein solches Mitarbeiter-Screening nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig ist.
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