Der Bundesgerichtshof hat am 12.1.2017 im Rahmen eines Haftungsfalls darüber entschieden, ob Notärzte in Thüringen ein öffentliches Amt ausüben (Kurzmitteilung). 

BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 – III ZR 312/16
Vorgehend OLG Jena -LG Erfurt

BGB § 839 Abs. 1 Satz 1 (A, Fc); GG Art. 34 Satz 1; ThürRettG § 7 Abs. 1 Satz 1

Leitsätze des BGH

  1. Der Notarzt im Rettungsdienst in Thüringen (Thüringer Rettungsdienstgesetz vom 16. Juli 2008, GVBl. 233) übt ein öffentliches Amt aus.
  2. Für Fehler des Notarztes bei einem Rettungseinsatz haftet die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen.

Die gesetzliche Krankenkasse sowie die Pflegekasse des Versicherten nahmen den beklagten Landkreis aus Amtshaftung auf Zahlung von Schadensersatz wegen behaupteter Fehler bei einem Notarzteinsatz in Anspruch. Der Versicherte hatte einen Motorradunfall mit einer Fraktur des rechten Beins nach einem Sturz unter einen LKW. Der Notarzt verabreichte – so der Verwurf – dem Versicherten verschiedene Medikamente, in Folge derer es zu einem Atemstillstand kam. Sie führten zu Hirnschäden.

Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, nicht der Beklagte, sondern die Kassenärztliche Vereinigung Thüringen hafte für die Fehler des Notarztes. OLG und BGH bestätigten diese Rechtsauffassung:

Die Teilnahme eines Notarztes bei einem solchen Einsatz stelle sich mithin als Ausübung eines öffentlichen Amts im Sinne des Art. 34 Satz 1 GG dar. Nach § 839 BGB i. V. m. Art. 34Satz 1 GG hafte die Körperschaft, in deren Dienst der handelnde Amtsträger stehe. Dies sei hier nicht der Beklagte, sondern die Kassenärztliche Vereinigung. Nach § 7 Abs. 1 ThürRettG stelle die Kassenärztliche Vereinigung die notärztliche Versorgung im bodengebundenen Rettungsdienst sicher. Diese Vorschrift regle einen speziellen Sicherstellungsauftrag für einen Teilbereich des Rettungsdienstes. Zwar seien die Landkreise nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ThürRettG Aufgabenträger des bodengebundenen Rettungsdienstes. Von ihrer Pflicht, diesen sicherzustellen, sei nach Satz 2 aber die notärztliche Versorgung ausgenommen.

Entscheidend sei, wer dem Notarzt als Amtsträger die konkrete fehlerhaft erfüllte Aufgabe anvertraut habe. Das sei vorliegend die Kassenärztliche Vereinigung gewesen. Passivlegitimiert sei daher diese. Der Auffassung, hier keine Trennung der Hoheitsträger bei Rettungssanitätern und Rettungsassistenten/Notfallsanitätern einerseits und Notärzten andererseits zu provozieren, vermochte der Senat nicht zu folgen.

Zu erwägen ist, ob die bislang für andere Bundesländer als Thüringen bestehende Rechtsprechung aufrecht erhalten bleiben kann. Jedenfalls ist stets das aktuelle Landesrettungsdienstgesetz zur Beurteilung heranzuziehen.