Scherzo Diabolico
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Scherzo Diabolico

(„Scherzo Diabolico“ directed by Adrián García Bogliano, 2015)

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„Scherzo Diabolico“ ist ab 30. September auf DVD und Blu-ray erhältlich

Beschissener als für Aram (Francisco Barreiro) kann es eigentlich nicht laufen. Sein Boss (Jorge Molina) zwingt ihn ständig zu Überstunden, ohne ihn dafür entsprechend belohnen zu wollen oder Anerkennung zu geben. Zu Hause gibt es Knatsch mit der ununterbrochen nörgelnden Ehefrau. Und sogar sein demenzkranker Vater lässt ihm keine Ruhe. Zwei Dinge sind es, die Aram durch den Tag helfen: 1. Seine Liebe zur klassischen Musik. 2. Ein geheimer Plan, der vorsieht, die Tochter (Daniela Soto Vell) seines Chefs zu entführen. Und zunächst sieht es auch gut aus, dass dieser aufgeht: Es gelingt ihm tatsächlich, das Mädchen mitzunehmen und deren Vater psychisch in die Mangel zu nehmen. Aber dann stellt sich heraus, dass in dem Plan einige Punkte nicht vorhergesehen waren …

Hiesige Horrorfans hatten schon mehrfach Gelegenheit, das Werk des Regisseurs und Drehbuchautors Adrián García Bogliano kennenzulernen: 22 Ways to Die, Here Comes the Devil, Late Phases – auf keinen seiner letzten Beiträge musste verzichtet werden. Rund ein Jahr nach dem Debüt auf dem Fantasy Filmfest steht nun auch Scherzo Diabolico an, in dem der Mexikaner erneut eine etwas härtere Gangart einschlägt. Zum Teil zumindest. Zunächst lässt sich Bogliano nämlich viel Zeit, um seinen Protagonisten und dessen Lebensumstände genauer vorzustellen. Und sie sind so erbärmlich, dass man dem armen Mann eine Schrotflinte in die Hand drücken möchte, damit er dem Elend ein Ende setzen kann.

Nur dass Scherzo Diabolico eben das nicht vorhat, kein Rachethriller ist, der sein Publikum als blutiges Guilty Pleasure sucht. Vielmehr entdeckt der Film gleich mehrfach etwas unerwartete Wege für sich, das Genre auf seine Weise zu variieren. Da wären zunächst einmal die schäbigen, sehr rauen Bilder, denen aus Here Comes the Devil nicht unähnlich, welche so gar nicht mit der durchkomponierten klassischen Musik harmonieren wollen. Sollen sie aber auch nicht, denn die Realität und Traum klaffen hier auch inhaltlich weit auseinander.

Es ist aber auch Aram selbst, der nicht so ganz unseren Vorstellungen entspricht. Anfangs ist er der Inbegriff des kleinen Angestellten ohne Rückgrat. Einer, der sich alles gefallen lässt, ohne auch nur einmal ein bisschen Gegenwehr zu zeigen. Anstatt sich aber ins Gegenteil umzukehren, wie man es aus diesem Bereich oft kennt, und selbst zu einem sadistischen Täter zu mutieren, bleibt er bis zum Ende trotz seiner bitterbösen, unmenschlichen Taten geradezu seltsam menschlich. Einer, in dem zugleich mehr und weniger steckt, als man vermuten wollte. Und auch andere Figuren zeigen im Laufe der rund anderthalb Stunden mehrere Gesichter – die groteske Maske, hinter der sich Aram versteckt, sie ist mitunter harmloser als das, was andere zu verbergen haben. Das ist auf einer einen Seite sehr schön, schließlich sind Rachethriller nicht unbedingt dafür bekannt, das Publikum ständig überraschen zu wollen. Nur sollten Wendungen dann aber schon zum restlichen Film passen. Und genau das ist hier nur bedingt der Fall.

Ruhig und gemächlich ist Scherzo Diabolico über längere Strecken, mehr Charakterdrama als wirklicher Horror, nur um am Ende alles komplett über Bord zu werfen und sich in einen grotesken Splattermovie zu verwandeln. Das wird die Freunde des ausgiebigen Kunstblutes vielleicht freuen, sofern sie denn an der Stelle überhaupt noch dabei sind. Wer hingegen gerade an der stärker personenbezogenen Geschichte seiner Freude hatte, die einen schrecklich gewöhnlichen Menschen in einer ungewöhnlichen Situation zeigt und sich auch für dessen Innenleben interessiert, der sitzt zum Schluss etwas fassungslos vor dem Fernseher. Denn das, was da plötzlich passiert, ist zwar irgendwo schon lustig, hat aber nur wenig mit dem Vorangegangenen zu tun und lässt sich auch nicht plausibel daraus ableiten. Ein bemerkenswerter Kollege ist das hier. Aber eben einer, von dem man gar nicht so recht sagen kann, ob das jetzt gut oder schlecht war.



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Dreckige Bilder, makellose Klassikmusik, ein unscheinbarer Niemand, der sehr viel mehr ist – in „Scherzo Diabolico“ kommt zusammen, was eigentlich nicht zusammengehört. Das ist einerseits bemerkens- und lobenswert, zum Schluss übertreibt es der mexikanische Rachethriller jedoch ein wenig.
6
von 10