Alki Alki
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Alki Alki

(„Alki Alki“ directed by Axel Ranisch, 2015)

Alki Alki DVD
„Alki Alki“ ist seit 29. Juli auf DVD erhältlich

Wo Tobias (Heiko Pinkowski) ist, da ist sein Freund Flasche (Peter Trabner) nicht weit. Eigentlich machen die beiden alles zusammen, selbst wenn Tobias mal aufs Klo muss oder mit seiner Frau Anika (Christina Große) ins Bett geht. Letztere hat damit ebenfalls kein Problem, aus gutem Grund: Flasche ist nicht real, sondern nur ein eingebildeter Freund. Dessen Einfluss ist dafür umso problematischer, ist Tobias doch ständig am Trinken, übertreibt es dabei auch gerne mal. Bis er eines Tages betrunken einen Unfall baut, der seinen Kindern das Leben hätte kosten können, und dabei erkennt, dass das so alles nicht mehr weitergehen kann.

Ein bisschen verwirrend ist es anfangs ja schon: Da sind zwei Männer jenseits der vierzig, etwas korpulenter, Bart, fallen übereinander her, knutschen sich und abwechselnd die Ehefrau, sind ansonsten fast immer am Trinken. Wer sind die beiden? In welcher Beziehung stehen sie zueinander? Erst nach und nach wird klar, was Regisseur Axel Ranisch (Dicke Mädchen) und seine beiden Hauptdarsteller, die mit ihm das Drehbuch schrieben, hier vorhaben: Sie lassen die Sucht von Tobias nicht als abstraktes Konzept zurück, sondern holen sie in Gestalt eines Menschen dazu. Und auch spätere Suchtleidende bekommen jeweils einen zweiten Schauspieler bzw. eine Schauspielerin an die Seite gestellt.

Ein Gimmick? Schon etwas, ja. Aber doch auch irgendwie witzig. Im Gegensatz zu anderen Alkoholikerdramen – etwa Leaving Las Vegas, Flight oder Glassland – setzt Alki Alki unter anderem eben auch auf Humor. Dabei sind es weniger knallige Oneliner oder ungeschickte Slapstickeinlagen, welche den Zuschauer zum Lachen bringen sollen. Vielmehr entsteht der Witz aus der Absurdität der Situation, aus dem Hang zum Surrealen. Zwischendrin darf nämlich nicht nur getrunken und geschauspielert werden, Käptn Peng alias Robert Gwisdeck alias Troubadour gibt gerne mal seinen musikalischen Senf dazu. Bekanntere Gesichter huschen übrigens auch an anderen Stellen durchs Bild: Oliver Korittke leidet ebenfalls an einer Sucht, Iris Berben stellt eine Kneipenbekanntschaft dar, Thorsten Merten mimt den Kollegen, Dietrich Brüggemann wiederum ist eine der Begleitsüchte.

Über seine Figuren und deren Sorgen lustig machen ist indes nicht die Absicht des Films. Vielmehr ist Alki Alki – typisch für die deutsche Mumblecoreszene – ziemlich rau, ungeschönt. Um nicht zu sagen hässlich. Weder werden hier peinliche Szenen der Betroffenen verschwiegen, noch welche katastrophalen Folgen dies haben kann, vom Verlust des Führerscheins über Arbeitslosigkeit bis hin zum Tod. Und das ist schon sehr viel weniger zum Lachen. Es ist also ein durchaus interessanter Ansatz, der hier verfolgt wird, indem das Tragische gleichzeitig komisch ist, grotesk. Zudem haben die personifizierten Süchte den Vorteil, dass sie die Ausweglosigkeit der Situation sehr schön verkörpern. Alles nur eine Frage der Willensstärke? Ganz so ist es nicht. Denn die Sucht ist hier kein reiner Feind, sondern tarnt sich in der Gestalt des Freundes. Ist jemand, der einem treu ergeben ist, selbst dann, wenn man völlig am Boden liegt und von allen verlassen wurde. Vor allem dann sogar.

Das ist als Prinzip oder in einzelnen Momentaufnahmen jedoch spannender, als es das Ergebnis oft ist. Die erste Hälfte des Films gibt einem zwar diverse Szenen mit auf den Weg, die Tobias’ Abgründe aufzeigen, durch den Hang zum Grotesken gehen sie einem aber nicht sonderlich nah, wirken ebenso unreal wie Flasche und der Troubadour. Interessanter wird es ab dem Zeitpunkt, wenn Tobias beginnt, sich seinen Süchten zu stellen und gegen seinen ständigen Begleiter rebelliert. Dann endlich treffen das Alberne und das Tragische zusammen, wird aus dem Gimmick doch noch ein bisschen mehr. Und dafür lohnt es sich auch dranzubleiben bei einem Film, der sich offensichtlich viele Gedanken zum Thema Alkoholsucht gemacht hat und es tatsächlich schafft, dieses mal von einer anderen Richtung aus anzugehen. Und das ist in Zeiten immer weniger auseinanderzuhaltender Kinobeiträge schon mal eine Leistung.



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Stell dir vor, deine Alkoholsucht wäre ein übergewichtiger Mittvierziger, der mit dir den kompletten Alltag bestreitet. Originell ist der Ansatz von „Alki Alki“, das Groteske mit dem Tragischen zu verbinden, auf jeden Fall, allerdings vor allem in der zweiten Hälfte erst auch wirklich gelungen. Zuvor verfehlen die vielen Momentaufnahmen zu oft die Wirkung.
6
von 10