Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Vatikan

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In einer Zeit, in der die Schlagzeilen nahezu
ausschließlich von der Flüchtlingskrise bestimmt werden, drohen
bahnbrechende Entwicklungen anderswo unterzugehen. Zum Beispiel in
der Kirche. Der Vatikan schreibt in diesen Wochen Geschichte, aber
wahrgenommen wird es kaum. Ende Januar brachte Papst Franziskus die
Ökumene voran. Zum Abschluss der Gebetswoche für die Einheit der
Christen nannte er die Zersplitterung in katholische und evangelische
Christen eine »offene Wunde«, nannte die Spaltung eine »Sünde« und
bat die Protestanten um Verzeihung für das an ihnen von Katholiken
begangene Unrecht. Zugleich gab der Vatikan bekannt, Franziskus werde
Ende Oktober 2016 ins schwedische Lund reisen, um sich mit dem
Lutherischen Weltbund zu einem ökumenischen Reformationsgedenken zu
versammeln. Was für ein Wandel im Vergleich zum Vorgänger Benedikt
VI.! Der gestand den Protestanten gar keinen Kirchenstatus zu. Die
Spaltung hatte 1517 mit Martin Luthers Thesen gegen den Ablasshandel
ihren Anfang genommen. Dass sich Katholiken und Protestanten mit
Schwertern und Kanonen bekriegten, ist inzwischen Geschichte, aber
die Gräben sind noch nicht zugeschüttet. Bis zur gemeinsamen
Abendmahlsfeier dürfte es noch ein langer Weg sein. In jedem Fall
aber sind die zahlreichen Großveranstaltungen zum
Reformationsjubiläum 2017 eine Chance, die Ökumene voranzubringen.
Und dass Papst Franziskus das will, daran hat er zuletzt keinen
Zweifel gelassen. Noch länger liegt die Spaltung zwischen Vatikan
und orthodoxer Kirche zurück. 1054 trennten sich Westkirche und
Ostkirche. Das Treffen von Franziskus mit Kirill, dem Patriarchen der
russisch-orthodoxen Kirche, am Freitag auf Kuba war ein Meilenstein
auf dem Weg der Annäherung. Die Sorge um das Schicksal der
christlichen Gemeinden im Nahen Osten brachte beide jetzt zusammen.
Während das politische Europa wegen nationaler Egoismen in der
Flüchtlingsfrage zu zerfallen droht und das Verhältnis des Westens zu
Russland zerrüttet ist, gehen die Kirchen immerhin einen Schritt
aufeinander zu. Die Annäherung christlicher Kirchen ist auch aus
einem anderen Grund wichtig: In einer Zeit, in der Terroristen wie
die vom »Islamischen Staat« das Ansehen der Reiligion massiv
beschädigen, müssen Kirchen mit einer Stimme sprechen und deutlich
machen, wofür Glaube steht: für Barmherzigkeit, Frieden,
Gerechtigkeit und Demut vor Gott. Kirche ist zudem das Gegenmodell
zum Turbokapitalismus, für den nur Profit zählt. Mit Recht fordert
der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler eine »möglichst
geschlossene christliche Gegenöffentlichkeit und Politik«. Je weniger
die Christenheit mit einer Stimme spreche, desto geringer sei ihre
»geistige politische Stoßkraft«. Papst Franziskus steht beispielhaft
für das Bemühen, das Gemeinsame zu betonen

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 – 585261



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