Programmieren für Flüchtlinge: „Nerds4Refugees“ vernetzt Entwickler

27.11.2015

welcomehelp_logo_1000px_300dpi_square3Das Thema Flüchtlinge ist aktueller denn je – Allein in Deutschland werden bis Jahresende über 1 Million. Flüchtlinge erwartet. Die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ist groß und Möglichkeiten zu helfen, gibt es viele. Auch Spieleentwickler und IT-Experten leisten aktive Unterstützung und tüfteln für die gute Sache: Immer mehr Programmierer und Grafikdesigner entwickeln digitale Lösungen für aktuelle Probleme. Darunter Apps und Anwendungen, die Betroffenen helfen sollen Wohnraum zu finden, Deutsch zu lernen oder Freiwilligen das Helfen zu erleichtern. Doch bei allem Engagement fehlt es den engagierten Entwicklern häufig an der nötigen Vernetzung, um Inhalte unter einander abzustimmen oder um ihre Anwendungen bekannt zu machen. Die Gruppe „Nerds4Refugees“ hat sich genau das zur Aufgabe gemacht. Einmal wöchentlich treffen sich die Mitglieder in München und versuchen den täglich wachsenden Helfer-Pool über öffentliche Plattformen wie Doodle und Facebook zu koordinieren. Im Interview erzählt uns Andreas Tichon von der Mutterorganisation Welcome Help! wie genau „Nerds4Refugees“ funktioniert und welchen Beitrag digitale Lösungen in der Flüchtlingshilfe leisten können.

Games-Career: Mit eurer Gruppe „Nerds4Refugees“ wollt ihr Programmierer vernetzen, die sich für Flüchtlinge engagieren. Wer kann bei euch mitmachen? Welche technischen Kenntnisse werden besonders gesucht?

Andreas Tichon: Nerds4Refugees ist eine offene Gruppe, die IT-Power für Flüchtlinge vereinen soll. Hier sind z. B. Vertreter der bereits bekannten Apps in der Flüchtlingshilfe aktiv, wie auch andere, die Lösungen haben oder benötigen. Die Facebook-Gruppe und das bald startende, regelmäßige MeetUp in München sind dabei die Haupt-Vernetzungspunkte für HelferInnen, ProgrammiererInnen und alle anderen, die Probleme im Alltag mit Flüchtlingen mithilfe von Technologie lösen möchten. Kenntnisse in Web-/App-/Software-Developement, Server/Software-Administration, Mobile App Developement, usw. sind kein Muss, aber gerne gesehen. Mitmachen kann also jeder, der interessiert & engagiert ist.

GC: Wie entstand die Idee für „Nerds4Refugees“?

AT: Die Gruppe wurde von Marco Nissen (Kopf hinter der App „RefuChat“) aufgrund der Idee „Welcome Help“ gegründet (Original-Post: https://www.facebook.com/welcomehelp/posts/1492935574356742), die ursprünglich bestehende IT-Lösungen sondieren und vernetzen sollte. Wir mit „Welcome Help“ waren zu dieser Zeit bereits dabei und konnten die gewonnenen Kontakte aus der Flüchtlingshilfe-Praxis und der Netzwelt dadurch direkt einbringen. Die weitere Entwicklung ging dann schnell, nachdem sich die Community rasch erweiterte. Nerds4Refugees soll dabei eine reine IT-Community bilden, Welcome Help den „Dachverein“, unter dem auch unsere anderen Aktivitäten (wie z. B. Hilfe vor Ort, Hilfsfahrten an die Grenzen, Koordination & Vernetzung, IT-Support für HelferInnen/KoordinatorInnen und Flüchtlinge, usw.) gebündelt werden.

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GC: Mittlerweile entwickeln zahlreiche Programmierer, Grafikdesigner und Entwickler Apps für Flüchtlinge. Welche digitalen Lösungen werden eurer Meinung nach am meisten gebraucht?

AT: Dies sieht man in der Facebook-Gruppe sehr schön: Menschen, die nach einer Lösung suchen, posten in unserer Gruppe – siehe „Activity Feed“. Bestehender Bedarf „ploppt auf“, die Mitglieder diskutieren darüber, erörtern Lösungsvorschläge oder vermitteln Kontakte zu bestehenden Tools. Somit werden oft doppelter Programmieraufwand vermieden und Synergien gebündelt. Momentan sind eher Tools für HelferInnen (z. B. Online-Schichtplanung, Spendenverwaltung, Info-Datenbanken, etc.) und „Integrationshelfer-Tools“ gefragt, z. B. Übersetzer-Apps (z. B. RefuChat), Maps mit Tipps für die nähere Umgebung, Chatten in der Umgebung (z. B. Speakfree), usw.. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt auch ganz spezielle Bedarfe, die kleine, hoch angepasste Lösungen erfordern. Aber auch hierfür findet sich fast immer jemand in unserer großen Community. Aktuell auch sehr gefragt ist die (Online-) Koordination und Schichtenplanung für Freiwillige. Hier sind wir mit unserem „Helfersystem“ bereits an einer Lösung, wie auch mehrere andere, mit denen wir in Kontakt stehen.

GC: Neben der Plattform „Nerds4Refugees“ arbeitet ihr an einem Tool, das die deutschlandweite Helferkoordination verbessern soll. Könnt ihr uns einen kurzen Einblick in das Konzept geben?

AT: Sehr gerne. Im Moment befindet sich das „Welcome Help Helfersystem“ sozusagen noch in der heißen Beta-Phase, ist aber in Erding bereits stabil im Einsatz. Wichtige, große Updates erfolgen noch in diesen Tagen. Dann dürften die meisten Praxis-Wünsche erfüllt und Fehler behoben sein. Im Grunde handelt es sich dabei um ein Online-Schichtplanungstool, das ursprünglich für große Computer-Events eingesetzt wurde, um die freiwilligen HelferInnen zu koordinieren. Wir haben das System durch die Hilfe der Nerds4Refugees Community stark angepasst und erweitert, so dass es in der Flüchtlingshilfe produktiv und effektiv angewendet werden kann.
HelferInnen können sich unkompliziert und schnell registrieren, sich für offene Schichten eintragen und Informationen erhalten. Der Helferkreis vor Ort – in unserem Produktiv-Beispiel der Flüchtlingshilfe Erding e.V. – verwaltet die Orte, Schichten und Anmeldungen und kann sich Listen mit Anmeldungen für die einzelnen Schichten ausgeben lassen. Übersichtlich, einfach und bewusst schlank gehalten soll das System den Zugang zu Helferschichten geräteübergreifend vereinfachen. Auch ohne Facebook-Account. 😉

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Registrierungstool der Flüchtlingshilfe Erding e.V.

AT weiter: Das ganze System ist relativ schnell auch für andere Standorte adaptierbar und anpassbar. Wir haben bereits Anfragen aus München und mehreren großen deutschen Städten erhalten. Es muss sich jedoch immer vor Ort zeigen, ob das System praktikabel und notfalls schnell genug anpassbar ist. Hieran arbeiten wir mit Hochdruck. Es wird sich auch zeigen, ob ein deutschlandweites Tool praktikabel ist und Mehrwert erzeugt. Denn verschiedene Helferstandorte haben verschiedenste Bedürfnisse, die möglicherweise nicht mit einem Tool bedient werden können. Dann sehen wir es als unsere Aufgaben, bestehende Tools so zu vernetzen, dass Synergien entstehen und man voneinander lernt, anstatt sich in die Quere zu kommen und sich gegenseitig die Ressourcen zu nehmen. Denn im Gegensatz zu einem klassischen Startup ist unsere Hauptintention nicht, „unser“ Tool zum Marktführer zu machen. Wir wollen in erster Linie, dass geholfen wird. Unter dieser Prämisse arbeiten wir. ProgrammiererInnen, die sich PHP & MySQL mal eben aus dem Ärmel schütteln oder Devs/Admins, die eine „hands-on“ Mentalität haben, können wir immer brauchen! Auch freundliche Sponsoren wie all-connect.net (Hosting, Domains, Server-Support) sind immer willkommen. 🙂

GC: Welche Tipps könnt ihr jenen geben, die aktiv bei der digitalen Flüchtlingshilfe mitmachen wollen?

AT: Kommt in unsere Gruppe! Vernetzt Euch! Erkennt und nutzt Synergieeffekte! Tauscht Euch aus! Arbeitet zusammen statt gegen-/nebeneinander! Zusammen sind wir stärker! Wir schaffen das! Welcome Help!

Wer gerne selbst aktiv bei der digitalen Flüchtlingshilfe mitmachen möchte, nimmt am besten direkten Kontakt mit den „Nerds4Refugees“ über die Facebook-Gruppe auf oder schaut auf einer der folgenden Seiten vorbei:

Die genauen Termine und Treffpunkte von „Nerds4Refugees“ werden ebenfalls regelmäßig in der Facebook-Gruppe bekanntgegeben.

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